Ein Drittel aller Lebensmittel wird in Deutschland immer noch weggeschmissen. Und das obwohl viele davon recht einfach zu retten wären, zum Beispiel mit der App "Too Good to Go". Seit 2016 ist das Münchner Unternehmen schon auf dem deutschen Markt. Und trotzdem landeten auch im vergangenen Jahr noch 1,9 Millionen Tonnen Lebensmittel aus der Gastronomie in der Tonne. Deswegen nehmen dabei jetzt auch verstärkt Restaurants und Supermärkte teil. In Freiburg machen verschiedene Betriebe mit: von Restaurants über Feinkostläden bis hin zu Tankstellen und Cafés - fast alles ist dabei.
- Freiburger Studentin Amelie deckt sich mit "Too good to go" ein
- Was kosten die geretteten Lebensmittel?
- Von der Reservierung bis zum Kochtopf: Was ist zu beachten?
- Zu viele Lebensmittel auf einen Schlag: Was tun?
- Kostenlose Registrierung: Was müssen Betriebe berücksichtigen?
- Nimmt "Too Good To Go" den Tafeln die Spenden weg?
- Welche Möglichkeit gibt es noch, Lebensmittel zu retten?
Freiburger Studentin Amelie deckt sich mit "Too good to go" ein
Die Freiburger Studentin Amelie Schütte ist begeisterte Lebensmittelretterin. Mit der App unternimmt sie ganze Touren durch Freiburg, um das Beste aus Bäckereien, Cafés und Supermärkten abzugreifen. Bei einer sogenannten "Überraschungstüte" einer Bäckerei weiß sie nie, was drin sein wird: Teilchen, belegte Brötchen oder gar Weihnachtsschokolade. Bei anderen Bäckereien darf sie sich aber aussuchen, was in ihre Abholtüten reinkommt.
Was kosten die geretteten Lebensmittel?
In der Regel kosten die geretteten Lebensmittel nur einen Drittel des Ursprungspreises. Die meisten Abholungen kosten dabei zwischen drei und fünf Euro. Aber es gibt natürlich auch Spezialangebote, wie zum Beispiel das Kilo Ziegenfrischkäse, das man kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums für 20 statt 60 Euro direkt beim Hersteller bekommt. Ob sich die Abholungen lohnen, lässt sich meistens erst im Nachhinein sagen. Manchmal gibt es nur ein paar Teilchen, machmal eine riesige Tüte mit vielen unterschiedlichen, hochwertigen Lebensmitteln.
Nutzerinnen und Nutzer tauschen sich darüber aus, ob sich das Abholen bei einem Anbieter lohnt oder nicht, zum Beispiel in einer Facebook-Gruppe. Unter anderem, wenn lang abgelaufene oder auch schon fast verdorbene Lebensmittel in einer Überraschungstüte waren. Hier zeigen sie Fotos von geretteten Lebensmitteln und berichten darüber, wie die Abholung gelaufen ist oder wo es Probleme gab. Auch in der App selbst können Nutzerinnen und Nutzer die Abholung bewerten und genau sagen, was sie daran gut oder schlecht fanden. Und, ob sie wiederkommen würden - auch um dort einen "normalen" Einkauf zu machen. Amelie hat inzwischen ihre Lieblingssorte, da sie dort viel für einen kleinen Preis bekommt. Manchmal könne die Abholung aber auch eine Enttäuschung sein, und das obwohl man dafür weit gefahren sei, wie sie sagt.
Von der Reservierung bis zum Kochtopf: Was ist zu beachten?
Um ihre Favoriten in der App zu reservieren, muss Studentin Amelie schnell sein. Meistens inserieren die verschiedenen Betriebe ihre übriggebliebenen Waren am Vorabend in die App, sodass sie kurz vor Ladenschluss oder am nächsten Tag abholbereit sind. Auch Alwin Hacker aus Freiburg kennt den Andrang auf die Überraschungstüten: Man müsse, ständig auf die App schauen und schnell zuschlagen, wie er sagt. Und dann heißt es reservieren und bezahlen. Der Bezahlvorgang läuft ebenfalls über die App - etwa mit Paypal oder Bankverbindung. Zur Abholung geht es dann zu einer bestimmten Zeit in die Läden. Dabei gilt: am besten die eigene Tasche, Brotdose oder Aufbewahrungsbox mitnehmen, damit kein zusätzlicher Müll entsteht.
Zu viele Lebensmittel auf einen Schlag: Was tun?
Manchmal kann es schon ein bisschen schwierig werden, erzählt Amelie, wenn man drei Brezeln, zwei Brote und vier Hefeschnecken auf einen Schlag erhält. Da lohne es sich, in einer Großfamilie oder Wohngemeinschaft zu wohnen, sagt Amelie. Denn "Too Good to Go" ist kein Wunschkonzert, bei dem man sich die passenden Lebensmittel zu einem ausgewählten Rezept aussuchen kann. Stattdessen heißt es: erfinderisch werden und sich inspirieren lassen.
Oft überwiegen die Backwaren bei den geretteten Lebensmitteln, da müssen dann allerlei Rezepte mit Semmelbröseln, Brotsuppen oder Ähnlichem her. Amelie freut sich über die Überraschungen, die die App ihr tagtäglich bereithält. Und mit ihr freut sich ihre Wohngemeinschaft, in der sie mit sieben weiteren Menschen lebt. Da wird sie ihre Beute immer schnell los.
Kostenlose Registrierung: Was müssen Betriebe berücksichtigen?
Theoretisch kann sich jeder Betrieb anmelden. Die Registrierung ist kostenlos. Die Nutzung ist erst dann kostenpflichtig, wenn das Unternehmen Lebensmittel über die App verkauft. Der gesamte Bezahlvorgang findet digital über die App statt, man zeigt an der Ladenkasse nur seinen digitalen Bon. Für die Betriebe fällt dann eine Provision je nach Anzahl und Preis der verkauften Überraschungstüten und eine Jahresgebühr von 39 Euro an.
Das scheint sich für die Betriebe zu lohnen: Denn anders als bei den Spenden für die Tafeln verkaufen die Betriebe die Lebensmittel noch für kleines Geld. Und wenn es den Kundinnen und Kunden schmeckt, würden sie für ihre Lieblingsteile auch den regulären Preis zahlen, heißt es. Für viele Betriebe scheint das eine Win-Win-Situation zu sein. Sandro Marano von der Bäckerei Weber in Freiburg sagt, dass er so immerhin noch mehr Einnahmen hätte, als wenn er die Ware wegschmeißen würde. Einen großen Mehraufwand bedeute es für die Mitarbeiter auch nicht, wie er sagt.
In ganz Baden-Württemberg machen auch schon über 2.550 Betriebe mit, Tendenz steigend. Damit ist Baden-Württemberg das Bundesland mit den drittmeisten teilnehmenden Betrieben. Zum Vergleich: In Bayern beteiligen sich 120 Unternehmen, in Nordrhein-Westfalen sind es mehr als 4.000.
Nimmt "Too Good To Go" den Tafeln die Spenden weg?
Da die Tafeln schon länger über immer weniger Spenden klagen, besteht die Sorge, dass die Lebensmittelrettung per Handy den Tafeln die Spenden wegnimmt. Auf SWR-Anfrage sagten auch vereinzelte Betriebe, dass sie seit der Teilnahme bei "Too Good To Go" weniger an die Tafeln spenden würden. Gleichzeitig wurde betont, dass es sich bei den Produkten unterscheide: Die Tafeln würden eher haltbare Ware verwerten können. Frischware oder belegte Brötchen, was durch "Too Good to Go" direkt an Menschen verkauft wird, würden die Tafeln aus Hygienegründen und fehlenden Lagermöglichkeiten oft nicht oder nur eingeschränkt nehmen können.
Auf SWR-Anfrage sagt das Unternehmen "Too Good To Go" außerdem, dass sie politisch mit den Tafeln zusammenarbeiten würden. Dabei setzten sie sich gemeinsam für steuerliche Anreize bei der Lebensmittelrettung und für eine Vereinfachung der Hygienerichtlinien und Haftungsfragen bei Lebensmittelspenden ein.
Welche Möglichkeit gibt es noch, Lebensmittel zu retten?
- "Sirplus": ein Online-Supermarkt aus Berlin. Ware, die nicht mehr oder nicht gut verkauft werden, können gerettet und für wenig Geld gekauft werden.
- Ehrenamtliche von "Foodsharing" kümmern sich darum, Lebensmittel zu retten und bringen sie zu Verteilstellen.
- "Etepetete": Obst und Gemüse, das eher "hässlich" und "krumm" ist, kann günstiger gekauft werden.
- "Zu gut für die Tonne": eine App vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Rezepte mit einzeln übriggebliebenen Lebensmitteln werden vorgeschlagen.