Es sind mystische Nächte, um die sich seit jeher phantastische Geschichten und kurioser Aberglaube ranken: Die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönig. In dieser Zeit sollen sich Wirklichkeit und die sogenannte "Anderswelt" näher sein als sonst. Schamanische Rituale, wie Konrad Stiefvater sie nach alter Tradition der Inka und Maya (in Lateinamerika beheimatete indigene Völker) auch im Schwarzwald durchführt, sollen diese Innenschau auf das eigene Leben noch besser ermöglichen.
Die Kraft des Waldes spüren
Auf einer kleinen Waldlichtung in der Ortenau: Der Boden mit dickem Moos gepolstert, das auch an den Bäumen hinauf wächst. Weich fällt Regen in die Stille. Wind. Dazu der Rhythmus der Trommel, der eine Gruppe in dieser Nacht begleiten wird - bis ihre Gedanken kreisen, sie ganz zu sich selbst finden. In dieser Zeit zwischen den Zeiten.
Reise zu sich selbst - persönliche "Gedankenwaldgewächse" entstehen
Genau diese Erfahrung möchten die Frauen und Männer, die an dem Ritual teilnehmen, hier machen, in dieser Rauhnacht im Wald. Während die Erde scheinbar schläft. Während Nacht und Natur immer spürbarer werden. Dabei sind im Schamanismus Rauhnächte - anders als etwa in der mittelalterlichen Vorstellung - nichts, was Angst macht. Sondern eine Zeit, sich mit sich selbst auseinander zu setzen, nach vorne zu schauen.
Deshalb bekommt jeder eine weiße und eine schwarze Kerze, dazu ein kleines Knäuel aus schwarzen und weißen Baumwollfäden. Ganz persönliche "Gedankenwaldgewächse" sollen daraus werden, wenn Faden um Faden um die Kerze gewickelt wird.
Kerzen als Symbol für Abschied und Neuanfang
"Die schwarze Kerze und der schwarze Baumwollfaden stehen für das, was ihr verabschieden wollt", erklärt Schwarzwaldschamane Konrad Stiefvater. "Die weiße Kerze und der weiße Baumwollfaden stehen für eure Vision für 2023." Jeder ist nun mit dem Ritual für sich - an einem Baum, stehend oder auf Isomatten sitzend. Hier und da flackern Stirn- oder Taschenlampen auf. Ansonsten: Dunkelheit. Stille. Dazu die eigenen Gedanken, ganz tief.
Und irgendwie macht das offenbar etwas mit allen hier: "Also es hat auch viel mit Reflexion zu tun, man zieht auch so ein Resümee des Jahres. Und man spürt auch wirklich so diese Spirits hier. Das hat schon so etwas Magisch-Mystisches", beschreibt eine junge Frau, während sie in der Dunkelheit des Waldes an einem Baum lehnt.
“Ich war bei so etwas noch nie dabei", erzählt eine ältere Teilnehmerin und wickelt dabei Faden um Faden um ihre weiße Kerze. "Ich finde das sehr toll, weil ich naturverbunden bin und sehr viel in Wäldern. Und es bringt mir schon was. Was Neues anfangen. Was Neues lernen, kennen lernen, ist immer gut."
Nach etwa einer Stunde sammelt sich die Gruppe wieder um eine große Feuerschale. Darin befindet sich ein Mandala aus Blüten und Blättern, in dessen Mitte Konrad Stiefvater Feuer entzündet.
Schamanisches Ritual macht Rauhnacht intensiv erlebbar
Dann geht es ums Loslassen. Im Rhythmus der Trommel bewegen sich die Teilnehmenden ums Feuer. Erst mit langsamem Stampfen. Dann mit immer schnelleren Bewegungen - tanzend ums Feuer scheinen sie sich völlig einzulassen auf das, was kommt. Schließlich werfen alle ihre Kerzen ins Feuer. Die schwarzen, umwickelt mit Sorgen und Kummer. Die weißen Kerzen, die Gutes für die Zukunft bringen sollen.
Es sind intensive Stunden im Wald mit dem Schamanen Konrad Stiefvater. Bis die Rauhnacht für alle hier ihren ganz eigenen Zauber entfacht. Auch weil Feuer, Wind und Wald Kraft verströmen, die Elemente erlebbar machen und alle in diesem Moment einfach sie selbst sein können.