Diskussion um die mehr als 20 Jahre alte Städtepartnerschaft zwischen Freiburg und Isfahan im Iran: Der deutsch-iranische Kulturverein in Freiburg hat angesichts der Massenproteste im Iran ein Ende vor allem der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen gefordert. "Unserer Meinung nach darf die Städtepartnerschaft so wie früher nicht weitergehen. Besonders den politischen und wirtschaftlichen Austausch finden wir sehr kritisch", sagt Nina Lalee vom Kulturverein.
Freundeskreis sieht Partnerschaft als wichtige Unterstützung
Der Freundeskreis Freiburg-Isfahan dagegen hat sich für einen Fortbestand der Städtepartnerschaft ausgesprochen. Ohne die Stadt im Rücken sei es für den Verein schwer, Visa für Bürgerreisen und Veranstaltungen in Isfahan zu organisieren, sagt die Vorsitzende Fatima Chahin-Dörflinger dem SWR.
Für den Freundeskreis ist die Städtepartnerschaft ein Rahmen, der einen breiten Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern beider Städte überhaupt erst möglich macht. Und gerade angesichts der aktuellen systemkritischen Massenproteste im Iran sei es wichtig, an den Kontakten zu den Menschen in Isfahan festzuhalten, so Chahin-Dörflinger.
Umstrittene deutsch-iranische Verbindung
Die Städtepartnerschaft zwischen der Schwarzwaldmetropole und der Universitätsstadt im Zentraliran besteht seit dem Jahr 2000. Unter anderem wegen Menschenrechtsverletzungen im Iran gab es daran immer wieder Kritik. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) etwa erhob schon vor einiger Zeit den Vorwurf, das iranische Regime nutze die Städtepartnerschaft, um Propaganda zu verbreiten. Unter anderem kritisierte die DIG auch, dass auf einem jährlich veranstalteten Marsch in Isfahan Israelhass verbreitete werde.
Der Fernsehbeitrag zum Thema in SWR Aktuell:
Mit der aktuellen Protestwelle im Iran und dem gewaltsamen Vorgehen der iranischen Regierung gegen die vielfach jungen Demonstrierenden wird die Kritik wieder lauter. Die DIG erneuerte ihre Forderung nach einem Ende der Städtepartnerschaft als Zeichen für Freiheit und Frauenrechte im Iran. Die Fraktion "Jupi" - "Jung, urban, polarisierend, inklusiv" - im Freiburger Gemeinderat mit fünf von 48 Sitzen forderte jüngst, die offiziellen Beziehungen zu Isfahan sofort auf Eis zu legen.
Oberbürgermeister Horn will nicht an Partnerschaft rütteln
Der Gemeinderat will das Thema weiter debattieren und sich vor einer Entscheidung unter anderem mit dem Außenministerium besprechen. Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) will unbedingt an der Städtepartnerschaft festhalten. Es gehe dabei nicht um eine politische Zusammenarbeit, sondern um den zivilen Austausch, sagte er dem SWR. Die Stadt Freiburg wolle gerade in der aktuellen Situation dazu beitragen, dass die Menschen in Isfahan Unterstützung bekommen.
Horn betonte, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit dem iranischen Regime gebe. Er selbst sei bislang auch nicht in den Iran gereist. Nina Lalee vom deutsch-iranischen Kulturverein sieht diese Haltung kritisch. Sie stammt aus dem Iran, lebt seit 2017 in Freiburg und hat dort Pharmazie studiert. Aus ihrer Sicht lässt sich das Bürgermeisteramt in Isfahan nicht von der iranischen Regierung trennen. "Sie können nicht Bürgermeister werden, wenn sie nicht auf Linie mit dem Regime sind", sagte die 30-Jährige.
Berichte über Schüsse auf Menschen in Isfahan
Von Freunden und Bekannten weiß Lalee, was aktuell in Isfahan passiert. "Die Proteste entwickeln sich plötzlich", sagte Lalee. Unter die Demonstrierenden mischten sich dann schnell Sicherheitskräfte der Regierung. "Es kann sein, dass die Menschen sich versammeln wollen und verhaftet werden, bevor sich überhaupt etwas entwickelt hat." Freunde hätten außerdem berichtet, dass bei Protesten in Isfahan auf Menschen geschossen worden sei und Studierenden der Zugang zur Universität verwehrt werde.
Auslöser der Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam. Seither demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem. Sicherheitskräfte gehen Berichten zufolge immer wieder gewaltsam dagegen vor, Beobachter sprechen von Hunderten Toten.