Seit Montag kontrolliert die Bundespolizei an allen deutschen Grenzen, für vorerst sechs Monate. Das betrifft auch die deutsch-französische Grenze am Oberrhein. Die Bundesregierung begründet die Kontrollen mit der Migrations- und Sicherheitslage. Macht das Sinn? Zwei SWR-Redakteure und ihre Meinung dazu.
PRO: Die Bundesregierung nimmt endlich das Heft in die Hand
Die eigenen Grenzen zu schützen, gehört zu den ureigensten Aufgaben eines Staates. Tut er es nicht, verliert er die Kontrolle und letztendlich die Berechtigung sich Staat zu nennen. Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung die Kontrollen an den deutschen Grenzen verstärkt.
Sicherlich, wir sind Teil der Europäischen Union. Aber seien wir doch mal ehrlich: Die EU ist nicht fähig, ihre Außengrenzen zu schützen. Zu groß ist die Grenze, zu komplex sind die Vorgänge. Die EU-Mitglieder an der EU-Außengrenze sind mit der ansteigenden Zuwanderung überfordert. Wen wundert‘s. Hinzu kommt, dass sich viele EU-Mitglieder schlicht nicht an die Vereinbarungen halten. Illegale Migranten werden einfach durchgelassen.
Unkontrollierte Migration überfordert den Sozialstaat
Unkontrollierte Migration in großer Zahl kann für einen Staat zu einem Problem werden. Der Sozialstaat wird überfordert und das Asylrecht ausgehöhlt. Wer nun sagt, die verstärkten Grenzkontrollen seien nur Symbolpolitik, der irrt. An der Grenze zu Polen haben sich die Zurückweisungen verdreifacht. Und an der deutsch-schweizerischen Grenze haben sie sich verdoppelt.
Sicherlich, Schleuser und illegale Migranten werden andere Wege finden. Aber warum sollte man es ihnen leicht machen? Deshalb ist es mutig von Nancy Faeser, das Heft in die Hand zu nehmen und das Mögliche, das Naheliegende zu tun. Gegen alle Bedenkenträger. Viel zu lange wurde das Thema Grenzschutz den Populisten am rechten Rand überlassen. Und ist es wirklich so schlimm, wenn an der Grenze öfters mal wieder nach dem Ausweis gefragt wird? Zu ernsthaften Behinderungen im Waren oder Personenverkehr wird es nicht kommen.
Henning Winter, SWR Redakteur im Studio Freiburg
KONTRA: Die Grenzkontrollen sind purer Aktionismus
Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze: Aus meiner Sicht die Folge einer völlig überhitzten Debatte über Migration und Terrorismus und ein Rückschritt in eine Zeit, die wir längst überwunden hatten. Gerade hier in Südbaden haben wir uns daran gewöhnt, schnell und unkompliziert hin und her über die Grenze zu unseren Nachbarn zu fahren.
Feindbilder konnten auf diese Art abgebaut, wirtschaftliche Zusammenarbeit vertieft und die Idee eines gemeinsamen Europas gestärkt werden. All das setzen wir jetzt aufs Spiel. Und wofür? Für einen vermeintlichen Gewinn an Sicherheit.
Das eigentliche Problem wird damit nicht gelöst
Dabei zeigen die Zahlen aus den bisherigen Grenzkontrollen während der EM und den Olympischen Spielen: Die Polizei greift zwar mehr Menschen auf und weist mehr zurück, die Anzahl der Asylanträge sinkt deshalb aber nicht. Heißt: Das eigentliche Problem, die massenhafte illegale Migration, bekommen wir so nicht in den Griff. Und islamistischen Terror wie in Solingen schon gar nicht.
Die Schleuser werden andere Routen finden, werden auf die grüne Grenze ausweichen. Lückenlose Kontrolle ist unmöglich, sagt die Polizei. Die Grenzkontrollen sind im Grunde reiner Aktionismus der Regierenden.
Willkommen im Klub, hat Viktor Orban, Ungarns rechter Regierungschef, in Richtung Deutschland posaunt. Er meint wohl den Klub derjenigen, die sich abschotten möchten, die für alle Probleme gerne Einwanderer verantwortlich machen – in diesem Klub möchte ich kein Mitglied sein.
Jan Ludwig, SWR Redakteur im Studio Freiburg