Im früheren Konzentrationslager (KZ) Natzweiler-Struthof im Elsass werden Sinti und Roma auf deutschsprachigen Infotafeln als "Zigeuner" bezeichnet. Ein junger Sinto aus Tübingen hat das entdeckt. Er fragt sich seitdem, was Jahrzehnte der Bürgerrechtsbewegung eigentlich bewirkt haben. Und er meint, dass es mehr braucht, als einen jährlichen Tag des Gedenkens an den Genozid an Sinti und Roma am 2. August.
Es ist eine Bezeichnung, die Franz-Elias Schneck als rassistisch, beleidigend und herabsetzend empfindet. Der junge Sinto aus Tübingen vermeidet es, das Wort selbst zu benutzen. Er spricht nur vom "Z*Wort" und ist froh, dass er dem Begriff im Alltag nur noch sehr selten begegnet. Um so schlimmer hat ihn da ein Erlebnis im Elsass getroffen: Ausgerechnet im früheren KZ Natzweiler-Struthof wird der Begriff nämlich in etlichen Erklär- und Infotexten verwendet - und nicht einmal in Anführungszeichen gesetzt. Zum größten Teil befinden sich die Texttafeln im Gebäude der früheren Gaskammer, wo über die Deportierung und Ermordung von Sinti und Roma während des Holocaust informiert werden sollen.
"Ein würdevolles Gedenken ist so nicht möglich"
"Meine Zählung hat ergeben, dass Sinti und Roma insgesamt sechs Mal und jeweils in drei verschiedenen Sprachen als "Zigeuner", "Tsiganes" und "Gypsies" tituliert werden", so Schneck. Der Sinto Albert Reinhardt werde "Zigeunermusiker" genannt, anstelle von "Sintimusiker", die Sinti-Familie Eckstein nenne man "Zigeunerfamilie". "Das ist eine nazistische Fremd-Terminologie, mit der kein würdevolles Gedenken an uns möglich ist", sagt Franz-Elias Schneck.
Es gebe Sinti, die zum Teil schwer traumatisiert seien und vor Ort ihrer Vorfahren, ihrer ermordeten Großeltern oder Urgroßeltern gedenken wollten. In der Gedenkstätte würden sie dann erstmal beleidigt. "Und das dort, wo die Menschen seziert und vergast wurde." Das sei eine Belastung, der viele Menschen sicher nicht standhalten könnten.
In der Europäischen Gedenkstätte hat man den Fehler inzwischen eingesehen und dem SWR in einem Telefonat gesagt, man entschuldige sich dafür. Es ist aber inzwischen ein Jahr her, dass Franz-Elias Schneck und ein Kommilitone die Verwendung der Nazi-Terminologie in der einstigen Gaskammer entdeckt und Kontakt zu den Ausstellungsmachern aufgenommen hatten. Viel Zeit, in der wenig passiert ist.
Gedenkstätte spricht von Übersetzungsfehler
Laut der Sprecherin der KZ-Gedenkstätte, Gwendolyne Tikonoff, erklärt inzwischen ein Schild im Gebäude der einstigen Gaskammer den Faux Pas. Es handele sich um ein Problem bei der Übersetzung, sagt sie.
Allerdings werden Sinti und Roma im einstigen KZ Natzweiler-Struthof auch in französisch- und englischsprachigen Erklärtexten mit herabwürdigende Wörter benannt, etwa mit dem französischen Begriff "tzigane", was dem deutschen Wort "Zigeuner" entspricht.
Änderungen könnten noch Jahre auf sich warten lassen
Bis die Ausstellung abgeändert wird, könnten laut Gwendolyne Tikonoff noch mehrere Jahre vergehen. Sie werde kritisch überprüft und grundlegend überarbeitet. Das brauche viel Abstimmung und viel Zeit, so die Sprecherin. Der Direktor der Gedenkstätte, Michael Landolt, nahm am Donnerstag in einer E-Mail an den SWR Stellung zu den Vorwürfen (s. Kasten unten).
Für Franz-Elias Schneck ist das keine Entschuldigung. "Ohne viel Geld auszugeben, könnte man alles überkleben, wo das Z*Wort steht und Sinti hinschreiben, wenn es Sinti sind, Roma hinschreiben, wenn es Roma sind und Jenische hinschreiben, wenn es Jenische sind", sagt Schneck.
"Für mich ist es einfach eine Beleidigung nicht nur der Opfer, sondern auch der Nachfahren", sagt Schneck. Er wünscht sich für die Zukunft, dass Vertreter der Sinti- und Roma-Community stärker einbezogen werden, wenn es um die Konzeption von Gedenk-Ausstellungen geht.