Grüner Wasserstoff für Südbaden

Wasserstoff: Pipeline aus Frankreich oder eigene Produktion in Südbaden?

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Autor/in
Christine Veenstra

Südbadens Industrie muss ihren CO2-Ausstoß zurückfahren und künftig klimaneutral produzieren. Bestimmte Branchen brauchen dafür grünen Wasserstoff. Doch woher soll der kommen?

Südbadens Industrieunternehmen müssen ihre Produktionsprozesse in den kommenden Jahren auf Technologien ohne CO2-Ausstoß umstellen. In etlichen Branchen wird das nicht ohne grünen Wasserstoff gehen. Für Firmen in der Region um Freiburg und weiter nördlich entlang des Rheins soll Wasserstoff vor allem per Pipeline aus Frankreich kommen. Aber kann das binnen weniger Jahre klappen?

Papierindustrie braucht hohe Temperaturen

Die Produktionslinie 8 beim Papierriesen Koehler am Standort Kehl (Ortenaukreis) ist ein anschauliches Beispiel. Hier wird flexibles Verpackungspapier für die Lebensmittelindustrie hergestellt. Für die Behandlung der Papier-Oberflächen benötigt die Anlage Temperaturen von mehr als 400 Grad. Und dafür braucht Koehler bisher Erdgas. Grüner Wasserstoff könnte wahrscheinlich eine Alternative sein. Viele technische Fragen wären noch zu klären, vor allem aber die Frage, woher der Wasserstoff kommen soll.

"Wir müssen natürlich diese Dekarbonisierung, die Treibhausgasneutralität, bis zu einem bestimmten Enddatum erreichen. Und es gibt Fragen, die beantwortet werden müssen. Da können wir nicht warten bis zur letzten Minute", sagt Stefan Karrer, Technik Vorstand der Koehler Gruppe.

Bedarf wird schnell wachsen

Koehler Papers mit rund 600 Beschäftigten am Standort Kehl würde allein für die Umstellung der Produktionslinie 8 mehr als 1.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr benötigen. Für das gesamte Werk wären es zweieinhalb bis dreimal so viel. Und Koehler ist längst nicht das einzige Unternehmen in Südbaden, das voraussichtlich grünen Wasserstoff brauchen wird.

Maike Schmidt vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) hat eine Studie begleitet, bei der Unternehmen im ganzen Land zu ihrem künftigen Bedarf befragt wurden. Sie sagt: "Wir sehen einzelne Kreise grade auch im Bereich Südbaden, die schon sehr früh hohe Wasserstoff-Bedarfe haben - etwa der Kreis Lörrach und auch der Ortenaukreis."

Wasserstoff soll in wenigen Jahren per Pipeline von Frankreich aus nach Südbaden fließen. (Symbolbild)
Wasserstoff soll in wenigen Jahren per Pipeline von Frankreich aus nach Südbaden fließen. (Symbolbild)

"Sehr früh" - das heißt schon 2025. Dann werden laut ZSW in Südbaden 850 Gigawattstunden grünen Wasserstoffs pro Jahr benötigt. Bis 2030 soll sich der Bedarf mehr als verdreifachen. Neben der Papierindustrie hätten vor allem die Kalk-Hersteller, die Elektrostahl-Produktion und die Chemie- und Pharmafirmen Bedarf, so das ZSW.

Das Projekt RHYN - Teil eines europäischen Kernnetzes

Um die Bedarfe der Industrie am Oberrhein und auch am Hochrhein decken zu können, arbeiten inzwischen Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz zusammen. Die Plattform dafür ist die Initiative 3H2, eines der großen geplanten Einzelvorhaben heißt RHYN.

"Es gibt die Planung für ein Fernleitungsnetz, das europäische Wasserstoff-Kernnetz", sagt Maike Schmidt vom ZSW. Dieses Netz soll Wasserstoff durch halb Europa transportieren. Zunächst sei für die Region Südbaden aber vorgesehen, dass sie ab 2028 grünen Wasserstoff aus Frankreich bekommt.

Die Struktur des grenzübergreifenden Leitungsnetzes wird gerade von deutschen und französischen Firmen entwickelt: vom Gas-Netzbetreiber Terranets BW, dem Energiversorger Badenova und dem französischen Gas-Netzbetreiber GRTgaz. Das Netz soll vor allem auf bestehenden Erdgasleitungen basieren, die man auf Wasserstoff umstellen will. Außerdem ist eine 15 Kilometer lange Wasserstoffleitung unter dem Rhein hindurch geplant - sie soll zunächst bei Fessenheim auf französischer Seite über den Raum Bad Krozingen nach Freiburg führen.

Wie viel grünen Wasserstoff kann Grand Est liefern?

Ab 2028 sollen französische Wasserstoffproduzenten aus der Region Grand Est grünen Wasserstoff in das Netz einspeisen. Das kündigt jedenfalls die französische Firma GRTgaz an. Sie wird später die Anbindung an das europäische Wasserstoff-Kernnetz realisieren. Auf deutscher Seite sehen die Pläne vor, eine 60 Kilometer lange Gasleitung des Unternehmens Terranets BW von Freiburg-Nord in die Ortenau zu verlängern. Ab 2035 soll sie bis in den Kehler Rheinhafen verlängert werden und könnte dann auch den Papierhersteller Koehler erreichen. Für das Industrieunternehmen ist das aber mit großen Unsicherheiten behaftet.

Wartet man und hofft darauf, dass die Wasserstoff-Versorgung über einen Energieversorger über Ländergrenzen generiert wird? Ist es die richtige Qualität, die dort geliefert wird?

Zu Jahresbeginn hatten deutsche und französische Partner zumindest mitgeteilt, in der Region Grand Est werde es bis 2028 ausreichend hohe Wasserstoff-Produktionskapazitäten geben. Doch wie viel das sein wird und woher der Wasserstoff kommen soll, dazu gab es bisher keine genaueren Informationen.

Bisher wenig Planungssicherheit für Südbadens Industrie

Geoffrey Anger, der bei GRTgaz für den Aufbau der Infrastruktur verantwortlich ist, hat dem SWR nun erklärt: Man habe in der Region Grand Est bisher eine jährliche potentielle Produktionsmenge von rund 100.000 Tonnen grünem Wasserstoff ab 2028 identifiziert. Das könnte den Bedarf decken, den südbadische Firmen für 2030 angemeldet haben. Sehr belastbar sind die Zahlen bisher aber nicht. Wie Anger erklärt, basieren sie nämlich auf Absichtserklärungen. Für potentielle Abnehmer wie Koehler in Kehl ist das ziemlich schwierig.

"Für Investitionssummen, die ich teilweise in der Hand habe, ist eine gewisse Planungssicherheit extrem wichtig", sagt Technik-Vorstand Stefan Karrer. Deshalb hat die Koehler Gruppe inzwischen eine Machbarkeitsstudie für eine eigene Wasserstoff-Produktionsanlage erstellen lassen. "Wir sprechen dort von cirka 9-10 Megawatt und einer Produktion von cirka 1.200 Tonnen Wasserstoff im Jahr."

Die Anlage wäre ein erster Schritt für die Versorgung der Produktionslinie 8 am Standort Kehl. Um das gesamte Werk zu versorgen, müsste sie später noch erweitert werden und etwa zweieinhalb bis drei Mal so viel produzieren. Karrer rechnet mit einer Investitionssumme im mittleren zweistelligen Millionenbereich, sollte die Entscheidung für eine eigene Wasserstoffproduktion fallen. "Um 2030 so weit zu sein, müsste spätestens Anfang 2027 eine Entscheidung getroffen sein."

"Grüner Wasserstoff" braucht erneuerbare Energie

Auch andernorts geht man erstmal eigene Wege: In Albbruck im Landkreis Waldshut sollen künftig 8.000 Tonnen "grünen Wasserstoffs" pro Jahr produziert werden - mit der Energie des Rheinkraftwerks Albbruck-Dogern. Genau das ist nämlich einer der Knackpunkte: die Energie.

Für die Produktion von Wasserstoff durch Aufsspaltung von Wasser ist zwar die Technologie vorhanden: sogenannte Elektrolyseure. Doch um grünen Wasserstoff herzustellen, brauchen diese Produktionsmodule Strom aus erneuerbaren Energien. Frankreich speist sein Stromnetz vor allem aus Atomstrom (2023: 65 Prozent), der Anteil Enereuerbarer Energien lag laut einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 2023 unter 30 Prozent. Bestrebungen der französischen Regierung, auch Atomstrom-basierten Wasserstoff als grünen Wasserstoff labeln zu dürfen, sind bisher gescheitert.

Sind die Schätzungen zu optimistisch?

"In Europa hat man überschätzt, wie viel grüner Wasserstoff produziert werden kann. Deshalb gibt es jetzt viele Fragen und auch ein bisschen Panik", glaubt der französische Wissenschaftler Jaque Pironon. Er arbeitet in Nancy für die nationale französische Forschungsorganisation CNRS. Pironon selbst ist zwar nicht mit der Herstellung von Wasserstoff befasst, aber er forscht zur möglichen Förderung von Wasserstoff aus dem Untergrund. Zusammen mit weiteren Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen hat er im vergangenen Jahr ein natürliches Wasserstoffvorkommen im sogenannten "Lothringer Becken" entdeckt - nach seinen Angaben ist es der bisher größte bekannte Fund. Binnen fünf Jahren wollen Pironon und seine Mitstreiter nun eine Technologie für die Ausbeutung dieser Ressource entwickeln.

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