Für die Süddeutsche Erdgasleitung, kurz SEL, rollen seit dieser Woche bei Heilbronn die Bagger. In einem ersten 24 Kilometer langem Bauabschnitt werden von Leingarten über Lauffen am Neckar (beide Kreis Heilbronn) bis Löchgau (Kreis Ludwigsburg) Stück für Stück Erdarbeiten durchgeführt, Rohre für die Pipeline verschweißt und in der Erde vergraben. Bis Ende des Jahres soll die Strecke fertiggestellt sein.
250 Kilometer quer durch den Nordosten Baden-Württembergs
Mit einer Länge von über 250 Kilometern soll die SEL von Hessen über Heidelberg, Heilbronn und Göppingen bis an die bayrische Grenze bei Heidenheim führen, plant Netzbetreiber terranets bw. Ab dem Jahr 2030 werde das rund eine Milliarde teure Projekt als erste Pipeline im Land Wasserstoff transportieren und damit die Energiewende in Baden-Württemberg entscheidend voranbringen, sagte Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) beim Spatenstich in Lauffen am Neckar.
Die SEL ist Teil der Pläne für das Wasserstoff-Kernnetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Zunächst wird die Pipeline aber Erdgas führen, was auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Heilbronn-Franken kritisiert.
Kohleausstieg und Energiewende als Ziel
Dennoch sei das Projekt notwendig, um Kohlekraftwerke, die wie in Heilbronn auf Gas und Wasserstoff umgerüstet werden, zu versorgen. So werde auch der Ausstieg aus der Kohleverstromung möglich, versichert Walker. "Die SEL ist ein zentraler Baustein dafür, dass Kraftwerke grünen Wasserstoff nutzen können. Und grüner Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien hergestellt wird, das ist dann klimaneutrale Energieversorgung", sagte die Umweltministerin dem SWR.
Allein die Umstellung von Kohle auf Gas senke die CO2-Emissionen bei der Verstromung um 60 Prozent, betont Katrin Flinspach von terranets bw. Damit leiste die SEL einen wesentlichen Beitrag auf dem Weg zu Klimaneutralität im Land.
"Kein echter Klimaschutz"
Für den BUND Heilbronn-Franken wird mit dem milliardenschweren Pipeline-Projekt dennoch aufs falsche Pferd gesetzt. Die Umweltschützer befürchten, dass in der Pipeline länger als von Land und Netzbetreiber geplant, Erdgas fließen wird. Vor allem grüner Wasserstoff sei teuer und knapp. Die notwendigen Mengen an Ökostrom für eine ausreichende Wasserstoffversorgung gebe es noch gar nicht, sagt Daniel Knoll vom BUND. Statt sich von unsicheren Lieferländern abhängig zu machen, sei es besser, mit Windkraft und Photovoltaik auf echten Klimaschutz zu setzen und "nicht auf irgendein Märchen, das vielleicht irgendwann mal in der Zukunft kommt", so Knoll.
Umweltministerin Walker kennt die Kritik und verweist auf internationale Verträge, die das Land derzeit schließe. Diese sollen auch dafür sorgen, dass die Pipeline ab 2030 mit Wasserstoff befüllt werden kann. Eine Übergangszeit mit Gas sei im Sinne der Versorgungssicherheit zu rechtfertigen, so Walker. Zudem brauche es beides: erneuerbare Energien und Wasserstoff als Energieträger, wenn Sonne und Wind keinen Strom liefern.
Netzbetreiber muss in Vorleistung
Land und Netzbetreiber wollen die Energiewende, stehen aber vor der Situation, dass erst in eine wasserstofffähige Infrastruktur investiert werden muss, bevor sämtliche Fragen zur Verfügbarkeit von Wasserstoff geklärt sind. Wie Katrin Flinspach von terranets bw erklärt, müssten nicht nur Kraftwerke auf Wasserstoff umgerüstet werden. Wasserstoff stelle auch an die Gasleitungen besondere Anforderungen.
So bestehen beispielsweise die Pipeline-Rohre der SEL aus einem besonderen Wasserstoff tauglichem Stahl. Steht ausreichend Wasserstoff zur Verfügung, soll auch das bisherige Erdgas-Netz umgerüstet werden. "Irgendwo muss man ja einen Startpunkt setzen. Denn wenn die Infrastruktur nicht verfügbar ist, dann wird auch niemand in die Wasserstoff-Erzeugung investieren", erklärt Flinspach. Deshalb mache terranets bw nun einen Anfang, um private Investitionen anzuregen. terranets bw ist eine Tochter der EnBW, an der das Land Baden-Württemberg fast die Hälfte der Anteile hält.
Finanzierung durch Netzentgelt und Endverbraucher
Das geplante bundesweite Wasserstoff-Kernnetz wird voraussichtlich viele Milliarden Euro kosten. Ziel der deutschen Netzbetreiber wie terranets bw ist es, die Kosten durch die private Wirtschaft zu finanzieren. Damit ist aber nur zu rechnen, wenn die Investoren eine Chance auf Rendite und ein abschätzbares Risiko sehen. Bei einem noch nicht existierenden Wasserstoffmarkt und einer neuen Technologie seien die Risiken aber erheblich, teilen die Netzbetreiber mit. Daher fordern sie den Bund auf, einen Teil der Risiken zu übernehmen und die Investitionen abzusichern. Letztlich soll das grüne Wasserstoff-Netz über Netzentgelt und damit am Ende der Kette vom Endverbraucher bezahlt werden.