Schwangere Frauen sollen wählen dürfen, wo sie ihr Kind zur Welt bringen, heißt es in den neuen bundesweiten Leitlinie für Geburten. Für Frauen mit einer Risikoschwangerschaft in der Region Freiburg ist das in Zukunft nicht mehr möglich. Denn im Sommer muss die Säuglings-Intensivstation (Neonatologie) am Josefskrankenhaus in Freiburg voraussichtlich geschlossen werden. Frauen mit bestimmten Risikogeburten können dann ausschließlich an der Uniklinik Freiburg gebären. Damit werde ausgerechnet die Klinik in der Region Freiburg geschwächt, die einen anderen Weg in der Geburtshilfe geht, sagen Kritikerinnen und Kritiker. Eine Petition setzt sich nun dafür ein, dass die Neonatologie am Josefskrankenhaus bestehen bleibt.
Josefskrankenhaus Freiburg geburtenstärkste Entbindungsklinik 2023
Bärbel Basters-Hoffmann leitet die Geburtshilfe am Josefskrankenhaus. Seit sie die Leitung übernommen hat, wurde die Kaiserschnittrate in ihrem Haus gesenkt - und das trotz zahlreicher Risikogeburten, die woanders häufig in einem Kaiserschnitt enden. Seit diesem Jahr hat das Krankenhaus die Auszeichnung “baby-friendly”. Ihr sei es wichtig, dass jede Frau das Geburtserlebnis erhält, was sie sich wünscht - soweit eben medizinisch möglich, sagt sie. Egal ob das Kind zu früh kommt, falsch herum liegt oder die Frau Schwangerschaftsdiabetes hätte.
Dass das Josefskrankenhaus einen anderen Weg in der Geburtshilfe geht, hat sich im Raum Freiburg herumgesprochen, darauf deuten die Zahlen hin: Das Josefskrankenhaus hatte im vergangenen Jahr mit knapp 2.000 die meisten Geburten im Raum Freiburg - mehr als die größere Uniklinik Freiburg. Doch wenn die Intensivstation am Josefskrankenhaus geschlossen wird, wird sich das ändern.
Uniklinik: Kompetenzen sollen gebündelt werden
Der Hintergrund: Die Intensivstation am Josefskrankenhaus wird aktuell in Kooperation mit der Uniklinik Freiburg betrieben. Diese Kooperation soll nun aufgekündigt werden. Die Uniklinik will nach eigenen Angaben in der neu gebauten Kinderklinik alle Kompetenzen bündeln. "Die Zusammenführung der Neonatologie in der neuen Kinder- und Jugendklinik des Universitätsklinikums Freiburg an einem Ort stärkt die medizinische Versorgung in der Region, sagt Uniklinik-Sprecher Benjamin Waschow dem SWR. Das sei auch ganz im Sinne der geplanten Krankenhausreform vom Bundesgesundsheitsministerium.
Scharfe Kritik von BW-Minister Lucha an Lauterbachs Krankenhausreform
Dem widerspricht Bärbel Basters-Hoffmann. Es reiche nicht zu gucken, inwieweit "die medizinische Versorgungsquantität gegeben ist", sondern es gehe darum, "jedem Einzelnen den bestmöglichen Start in sein Familienleben zu gestatten". Jede dritte Geburt wird zukünftig vom Josefskrankenhaus an die Uniklinik wandern, sagt Bärbel Basters-Hoffmann. Denn es könnten dann keine Risikogeburten mehr im Josefskrankenhaus betreut werden.
Uniklinik Freiburg hat vier Kreißsäle, das Josefskrankenhaus sechs
Damit müsse die Uniklinik mit mindestens 500 mehr Geburten pro Jahr rechnen. Und diese Zahl enthalte noch nicht die Anzahl der Frauen, denen es auch ohne Risikogeburt wichtig ist, dass direkt ein Notarzt vor Ort sei, so Bärbel Basters-Hoffmann. Aktuell gibt es im Josefskrankenhaus sechs Kreißsäle, in der Uniklinik vier. Trotzdem sieht die Uniklinik nach eigenen Angaben nicht die Notwendigkeit personell oder räumlich aufzustocken. "Die personelle wie räumliche Ausstattung ist bereits jetzt für dieses Mehr zu erwartender Geburten ausreichend", heißt es von Seiten der Uniklinik.
Chefärztin des Josefs befürchtet "Durchschleusen" der Schwangeren
Doch schon jetzt würde das Personal der Uniklinik dem Josefskrankenhaus immer wieder deutlich machen, dass sie an der Belastungsgrenze seien, so Basters-Hoffmann. Immer dann nämlich, wenn das Josefskrankenhaus in seltenen Fällen einmal Schwangere ablehnen müsse und diese an die Uniklinik kommen sollten. Bärbel Basters-Hoffmann befürchtet ein "Durchschleusen" der Schwangeren an der Uniklinik. Dem widerspricht die Uniklinik vehement. Die Frauen würden zu jeder Zeit adäquat betreut werden können.
Vorwurf: Uniklinik Freiburg verhält sich vertragsbrüchig - Rechtsstreit droht
Ein weiterer Vorwurf steht im Raum: Die Uniklinik verhalte sich vertragsbrüchig. Eigentlich haben beide Seiten 2015 einen Vertrag unterzeichnet. Dieser sichert dem Josefskrankenhaus zu, auch nach der Eröffnung der Kinderklinik weiterhin zehn Intensiv-Neugeborenenbetten weiterbetreiben zu können. Der Vertrag liegt dem SWR vor. Nun heißt es von Seiten der Uniklinik, dass diese Vereinbarung vertragsgemäß mit der Eröffnung der neuen Kinder- und Jugendklinik endet. Dabei beginnt sie laut der Vereinbarung von 2015 genau dann.
Trotzdem betont die Uniklinik, nicht vertragsbrüchig zu sein. Der Klinikbetreiber Artemed prüft nach eigenen Angaben jetzt den Rechtsweg, um gegen die Schließung der Neonatologie am Josefskrankenhaus vorzugehen. Allerdings: "Da der Vertragsbruch erst mit der tatsächlichen Schließung eintreten würde, können wir erst zu diesem Zeitpunkt rechtlich aktiv werden." Der juristische Prozess werde dann voraussichtlich einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.
Außerdem wolle Artemed nach eigenen Angaben wieder in den Krankenhausplan Baden-Württemberg aufgenommen werden, um eine Kinderstation eigenständig weiterführen zu können. Darauf hätten sie einst zugunsten der Uniklinik verzichtet.