Das baden-württembergische Innenministerium verteidigt einen Auftritt der Klimaaktivistinnen und -aktivisten der sogenannten Letzten Generation bei einer Veranstaltung der Polizei-Hochschule in Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis). Die Oppositionsparteien FDP und AfD hatten dazu Landtagsanfragen gestellt, die dem SWR vorliegen.
Innenministerium: Klimaaktionen gelten als Form des Protestes
Die Polizei sei bei Blockadeaktionen besonders gefordert, vor allem was das richtige strategische und taktische Vorgehen angeht, argumentiert das Innenministerium. Daher müsse sich die Polizei-Hochschule auch in der Lehre mit dieser Thematik befassen. Didaktisches Ziel der Hochschule sei eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Protestes, also auch mit Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten. Wegen der Freiheit von Forschung und Lehre müssten solche Veranstaltungen nicht vom Ministerium genehmigt werden.
Wie eine Ministeriumssprecherin am Dienstagabend ergänzte, respektiere Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) die Freiheit von Forschung und Lehre für die Hochschule. Er trete aber im Umgang mit "Klimaklebern der 'Letzten Generation'" für eine harte Linie ein: "Straftaten werden in Baden-Württemberg konsequent und hart verfolgt", so die Sprecherin. Sie wies auf ein Urteil des Amtsgerichts Heilbronn hin, das im Frühjahr Aktivisten der "Letzten Generation" wegen einer Blockadeaktion zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt hatte.
Polizei-Hochschule versucht auf aktuelle Themen einzugehen
Die Hochschule der Polizei arbeite nach dem Grundsatz der Wissensvermittlung, sagte Pressesprecher Gero Nüsseler auf SWR-Anfrage. Hierbei würden aktuelle Problemstellungen beleuchtet. "Das Versammlungsrecht war dieses Jahr ein bedeutsames Thema für die Polizei", so Nüsseler. Aus diesem Grund sei die Klimagruppe "Letzte Generation" zum Studium Generale eingeladen worden. Das ergänze den regulären Studienbetrieb. "Als moderne Hochschule versuchen wir auch, aktuelle Themen aus dem aktuellen Tagesgeschehen abzudecken", erklärte Nüsseler. Solche Veranstaltungen seien teilweise öffentlich, teilweise aber auch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Wer über die "Letzte Generation" hinaus bisher eingeladen war, konnte Nüsseler dem SWR auf Anfrage nicht sagen, die Liste sei lang.
Einladung der "Letzten Generation" sorgt für Kritik von der Opposition
Kritik kommt vom AfD-Abgeordneten Hans-Jürgen Goßner. Er spricht von einem Bruch mit rechtsstaatlichen Prinzipien, wenn Mitglieder der "Letzten Generation" an einem Studium Generale der Polizeihochschule teilnehmen. Er nannte es außerdem einen "Skandal". Die Fraktion trete dafür ein, die von ihr so genannten Klimakleber zu bekämpfen.
Auch die FDP-Fraktion stellte in dieser Sache einen Antrag, der aber nach eigenen Angaben bisher nicht beantwortet wurde. Die FDP-Abgeordnete Julia Goll teilte einem Fraktionssprecher zufolge mit, die Einladungen für die "Letzte Generation" erschienen ihr nicht transparent.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christian Gehring, erklärte, es sei als höchst unglücklich zu bezeichnen, wenn eine Polizeihochschule Menschen einlade, die Straftaten begangen haben. Aktionen der "Letzten Generation" fordern die Polizei im besonderen Maße, wie das Innenministerium mitteilte. In der Hochschullehre gehe es unter anderem um "das richtige strategische und taktische Vorgehen bei Blockadeaktionen". Die Polizeihochschule trete selbst dafür ein, das Problem fächer- und fakultätsübergreifend anzugehen. "Wer sich auf die Straße klebt, gehört im Wiederholungsfall hinter Gitter und nicht in einen Hörsaal voller Polizeischüler", teilte Florian Hummel, Landesvorsitzender der Jungen Union Baden-Württemberg, mit.
Aktiver Widerstand Finanzierung, Ziele, Hintergründe: Das ist die "Letzte Generation"
Die "Letzte Generation" tritt vor allem mit Straßenblockaden in Erscheinung. Welche Ziele verfolgt die Gruppe, wie finanziert sie sich? Antworten und Hintergründe:
Hintergrund war ein Studium Generale in Villingen-Schwenningen
Die Vertreter der Klimagruppe "Letzte Generation" traten am 16. Mai bei einem sogenannten Studium Generale der Hochschule auf. Es ging dabei um die Klimaproteste dieser Gruppe, wie aus einer bisher unveröffentlichten schriftlichen Antwort des Ministeriums von Mitte August auf einen Antrag der AfD-Landtagsfraktion hervorgeht.
Als Studium Generale bezeichnet man üblicherweise Hochschullehrveranstaltungen, die zum Allgemeinwissen beitragen. Am 21. März seien bereits Angehörige der Gruppe bei einer Veranstaltung der Ausbildungsstätte im Schwarzwald-Baar-Kreis zum Thema "Aktuelle Einsatzlagen" per Video zugeschaltet worden, schrieb das Ministerium.
Auf die Frage zu Auftritten an anderen Landeseinrichtungen antwortete das Stuttgarter Ministerium, ein Mitglied der "Letzten Generation" sei am 4. Mai 2023 bei einer Veranstaltung der Hochschule Pforzheim dabei gewesen. Zwei Aktivisten waren zudem am 15. Mai in der Pädagogischen Hochschule Freiburg.