Fraktionen wollen mehr Experten einbeziehen

Warum Bürger in Freiburger Ausschüssen bald nicht mehr mitreden könnten

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Paula Zeiler
Frau mit Brille und mittellangen Haaren trägt eine Bluse.

In Ausschüssen des Freiburger Gemeinderats können sich sachkundige Einwohner Gehör verschaffen. Grüne, SPD und CDU wollen das ändern. Kritiker befürchten einen Rückschritt in der Bürgerbeteiligung.

Wie läuft die Wohngeldvergabe in Freiburg? Wie kommt der Ausbau der Windkraft am Ochsenberg voran? Warum soll es zukünftig ein Wohnheim für Azubis geben? Diese und weitere Themen werden in Ausschüssen des Freiburger Gemeinderats diskutiert. Am Tisch sitzen Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sowie sogenannte sachkundige Einwohnerinnern und Einwohner aus Freiburg. Sie dürfen mitreden und ihr Knowhow einbringen. In der vergangenen Amtsperiode gab es insgesamt 125 Sachkundige. Die Fraktionen der Grünen, SPD und CDU wollen nun aber die sachkundigen Bürger durch Experten ersetzen. Der Vorschlag sorgt für Streit.

Fraktionen: Zeitersparnis als Argument

Wenn es nach den Grünen, der CDU und SPD im Freiburger Gemeinderat geht, soll es in Ausschüssen künftig nur noch sogenannte Sachverständige geben. Das sind Menschen, die sich aufgrund ihres Berufes oder Engagements auf einem Gebiet sehr gut auskennen - also "Sachkunde" mitbringen. Nach dem Vorschlag der drei Fraktionen sollen die Sachverständigen keine festen Mitglieder der Ausschüsse sein, sondern nur zu bestimmten Themen hinzugezogen werden. "Das spart Zeit für die ehrenamtlichen Sachkundigen", schreiben die drei Fraktionen in einem gemeinsamen Brief vom 19. September an Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos). Die "zeitliche Beanspruchung" der ehrenamtlichen Gemeinderäte und Gemeinderätinnen solle "im Rahmen" gehalten werden, heißt es weiter. Die Stadt Freiburg sieht darin laut einer Anfrage des SWR ebenfalls eine Zeitersparnis. Wie sich die Änderung langfristig auf die Dauer und Effizienz der Sitzungen auswirken könnte, darüber könne die Stadt aber keine generelle Aussage treffen. Auch die Fraktionen machten keine konkreten Angaben dazu, wie der Vorschlag die Sitzungen zeitlich effizienter gestalten soll.

Sachkundiger Einwohner will Mitspracherecht behalten

Stefan Auchter wurde erstmals 2023 sachkundiger Einwohner im Umweltausschuss. "Man argumentiert, dass dieser Vorschlag eingebracht wird, um uns zu schützen. Man hätte uns ja erst mal fragen können, ob wir überhaupt geschützt werden wollen", so Auchter, der hauptberuflich beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Freiburg arbeitet.

Ich fühle mich schon überrumpelt.

Auchter möchte sein Mitspracherecht im Umweltausschuss behalten. "Als sachkundiger Bürger habe ich im Ausschuss ein Rederecht. Ich kann mich melden, ich kann mich zu allem äußern und meine Meinung dazu geben", sagt Auchter

Der SWR hat weitere sachkundige Einwohnerinnen und Einwohner angefragt. Nicht alle wollten sich zu der Thematik äußern. Auch vor dem Hintergrund, dass sie nichts vom Vorschlag der drei Fraktionen wüssten.

Linke Liste lehnt Vorschlag ab

Auch der Gemeinderat Gregor Mohlberg (Linke Liste) kritisiert den Vorstoß, künftig keine Sachkundigen mehr in Ausschüssen zuzulassen. Es tue den Sitzungen gut, dass immer Sachkundige dabei wären. Das erspare Nachfragen, so Mohlberg. Sollte es zu einer Abstimmung im Gemeinderat kommen, steht für Mohlberg fest: "Werden wir nicht mitgehen". Er gehört mit sechs weiteren Gemeinderätinnen und -räten zur Fraktion "Eine Stadt für Alle".

Freiburger Politikwissenschaftler: "Das klingt nach Rückschritt"

Michael Wehner betont die Bedeutung der Bürgerbeteiligung. Der Politikwissenschaftler leitet die Außenstelle Freiburg der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB). Sachkundige Bürger seien eine Möglichkeit, die Bürger mitzunehmen bevor Entscheidungen gefällt werden, sagt Wehner. Der Vorschlag von Grünen, SPD und CDU klinge für ihn wie ein Rückschritt.

Da geht's um Partizipation von Bürgern und dem Gefühl, beteiligt zu werden.

Wirtschaftsfachmann wünscht sich generell mehr Beteiligung

Christoph Münzer, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmen Baden e.V., engagiert sich seit drei Jahren als sachkundiger Einwohner im Wirtschaftsausschuss. Münzer betont, dass Gremien sich regelmäßig selbst hinterfragen sollten. Einer Veränderung von Arbeitsstrukturen steht der Wirtschaftsfachmann generell offen gegenüber. Münzer kann sich gut vorstellen, gezielt in Themen rund um die Industrie einbezogen zu werden.

Künftig nicht mehr zu Wort zu kommen, ist in Münzers Fall eher unwahrscheinlich. Seine Expertise könnte auch in der Rolle eines Sachverständigen in Ausschüssen zum Einsatz kommen.

Freiburger Stadtverwaltung will an sachkundigen Einwohnern festhalten

Die Stadt Freiburg erklärte schriftlich, dass Sachkundige und Sachverständige wertvolle Beiträge zur Beratung verschiedener Themen leisten. Laut Gemeindeordnung benötigen beide Gruppen "Sachkunde". Bereits im Juli 2024 habe die Verwaltung dem neuen Gemeinderat vorgeschlagen, am bisherigen System festzuhalten.

Ziel der Zuziehung von Sachkundigen und Sachverständigen ist die Stärkung der bürgerschaftlichen Mitwirkung sowie die fachliche und sachkundige Beratung der Gremien.

Fraktionsvorschlag würde Kosten einsparen

Mit der Abschaffung von sachkundigen Einwohnerinnen und Einwohnern würde der Freiburger Gemeinderat Kosten sparen. Denn Sachkundige erhalten ein sogenanntes Sitzungsgeld. Das sind pro Sitzung, an der sie teilnehmen, rund 40 Euro. Laut der Statistik über die Sitzungsgelder der Sachkundigen und Sachverständigen beträgt die Gesamtauszahlung 27.400 Euro. Die Fraktionen nennen jedoch nicht die Kostenreduktion als Grund für ihren Vorschlag. Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg betont, dass die sachkundigen Einwohnerinnen und Einwohner eine sinnvolle Ergänzung darstellen und es andere Möglichkeiten zur Kosteneinsparung gebe.

Es geht um fast 130 sachkundige Bürger

In der vergangenen Amtsperiode saßen insgesamt 125 Sachkundige in allen gemeinderätlichen Ausschüssen mit drin - außer im Haupt- und Finanzausschuss. Sie waren aber in Gremien wie der Augustinerkommission oder der Lenkungsgruppe Fuß- und Radverkehr vertreten.

Ob es künftig nur noch sachverständige Bürgerinnen und Bürger gibt, muss schlussendlich der Gemeinderat entscheiden.

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