Warum stockt der Neubau von Wohnungen?

Nach wie vor zu wenig Wohnraum in Stuttgart - Was tut die Stadt?

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Katja Trautwein
Katja Trautwein
Kerstin Rudat
Kerstin Rudat

Wer in Stuttgart eine Wohnung sucht, verzweifelt wie Familie Uzbek derzeit. Linderung für die Not ist nicht in Sicht. Aber ein paar Möglichkeiten gäbe es kommunalpolitisch schon, meint der Mieterverein.

Stuttgart braucht dringend mehr Wohnraum. Dabei scheitert die Stadt mit vielen Wohnprojekten oder diese liegen zumindest sehr lange brach: das ehemalige EnBW-Gelände am Stöckach, das Eiermann-Areal in Vaihingen und einige mehr. Auch beim Mammutprojekt Rosenstein-Quartier verdichten sich die Anzeichen, dass es massive Probleme gibt - finanzielle und rechtliche.

Wohnungen in Stuttgart sind vor allem für Familien knapp

Durchschnittlich mindestens 15 Euro pro Quadratmeter zahlt man inzwischen laut Angaben der Stadt mit Referenz auf den Mietspiegel in Stuttgart für eine Wohnung. Doch nicht nur die hohen Mietpreise sind ein Problem, in der Landeshauptstadt sind Wohnungen extrem knapp, vor allem für Familien. Melanie Uzbek, die eine Bäckerei in Stuttgart-Ost besitzt, bekommt das schon seit einiger Zeit deutlich zu spüren. Sie wohnt mit ihrer Familie zu viert auf 60 Quadratmetern. Die zwei Kinder teilen sich ein Zimmer.

Die Lage ihrer Wohnung im Stuttgarter Osten finden die Uzbeks top, sie befindet sich nur wenige Gehminuten von der Bäckerei entfernt. Für Melanie Uzbek, die jede Nacht um 1:30 Uhr aufsteht, ist das sehr wertvoll. Seit drei Jahren suchen die Uzbeks daher schon intensiv nach einer größeren Wohnung im Stuttgarter Osten, entweder zum Kaufen oder zur Miete. Sie sind auf mehreren Immobilienportalen angemeldet und haben auch Gesuche in der Bäckerei ausgehängt.

Tägliche Wohnungssuche im Internet

Melanie Uzbek checkt die Angebote täglich. "Wenn etwas Neues reinkommt, schreibe ich auch immer sofort. Aber oft kriege ich dann schon eine Mail. Das sind so viele Anfragen, obwohl die Anzeige gerade frisch eingestellt wurde. Ich komme dann auf die Warteliste, oder sie melden sich - und meistens melden sie sich nicht", erzählt Uzbek frustriert. Klappe mal ein Termin, dann sei die Konkurrenz riesig.

So viele Anfragen, obwohl die Anzeige frisch ist. Entweder ich komme auf die Warteliste, oder sie sagen, sie melden sich - und melden sich dann nicht.

Kritik vom Mieterverein: "Die Stadt schläft und könnte mehr handeln"

Das Gelände in Stuttgart, auf dem die EnBW ursprünglich mal ein großes Wohnbauprojekt plante.
Das Gelände in Stuttgart, auf dem die EnBW ursprünglich mal ein großes Wohnbauprojekt plante.

Eine Odyssee, die viele kennen. Der Mieterverein Stuttgart wirft der Stadt vor, viel zu wenige Wohnungen zu bauen. Besonders bei der Umnutzung von Gewerbeflächen sei die städtische Bauverwaltung zu passiv. Wie etwa beim EnBW-Areal in Stuttgart-Ost. Rund 800 Wohnungen wollte die EnBW auf dieser Gewerbefläche bauen. Vergangenes Jahr hieß es dann von Seiten der EnBW, das Projekt sei zu teuer geworden. Seither liegt es auf Eis. Aber selbst wenn die Energie Baden-Württemberg (EnBW) die Besitzerin des Geländes ist - die Stadt Stuttgart könnte handeln, meint der Vorsitzende des Mietervereins, Rolf Gaßmann.

"Das versteht kein Mensch, warum die EnBW, die eigentlich in Staatsbesitz ist, und die Stadt Stuttgart nicht auf einen grünen Nenner kommen und sich darauf einigen können, dass dann eben dieses Grundstück an die Stadt geht und auch von der Stadt gebaut werden kann." Solche Projekte gebe es einige in der Stadt. Und da hätte nach Ansicht von Gaßmann der Gemeinderat schon mehr Einfluss.

Die Stadt schläft.

Macht die Stadt also zu wenig Druck auf Investoren? Die wiederum verweist auf die allgemeine Lage und andere Player. Der Leiter des Grundsatzreferats Klimaschutz, Mobilität und Wohnen, Martin Körner (SPD), sagt: "Die allgemeinen Bedingungen auf dem Wohnungsmarkt haben sich bundesweit verschlechtert. Neubau wirtschaftlich darzustellen, ist sehr viel schwieriger geworden." Im Fall des Geländes am Stöckach verweist er aber darauf, dass die EnBW dem Land und einer Reihe von oberschwäbischen Landkreisen gehört. Das heißt für Körner, denen müsste man die Frage stellen, warum nichts vorwärts geht. "Wir haben Interesse an dem Grundstück, haben das auch signalisiert und sind in guten Gesprächen mit der EnBW, aber müssen da noch ein bisschen dran arbeiten", ergänzt Körner.

Markus Müller, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, hat bei SWR Aktuell seine Einschätzung zum Thema Wohnungsnot in BW gegeben.

Stuttgart tut sich mit dem Neubau-Ziel schwer

Stuttgart habe beim Neubau von Wohnungen die rote Laterne, sagt Rolf Gaßmann vom Mietervererein Stuttgart. Andere Städte würden bezogen auf die Einwohnerzahl mehr Wohnungen bauen als Stuttgart, etwa Hamburg. Die Verwaltung und der Gemeinderat könnten sehr viel mehr tun. Auch sieht Gaßmann einen höheren Bedarf als die Stadt: Jedes Jahr müssten 3.000 Wohnungen gebaut werden, die Stadtverwaltung ermittelte einen Bedarf von 1.800 pro Jahr.

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Bis 2033 sollen insgesamt 20.000 Wohnungen in Stuttgart gebaut werden, so wurde es im Dezember 2023 vom Gemeinderat beschlossen. Im vergangenen Jahr sei dieses Ziel erreicht worden, so Körner, da habe man sogar 1.900 neu gebaut. Aber es sei schwer, das Neubauziel dauerhaft jährlich zu erreichen. Zur Erinnerung: Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) ging 2020 mit dem Ziel in den Wahlkampf, man werde 2.000 Wohnungen pro Jahr bauen. Sein Vorgänger Fritz Kuhn (Grüne) wollte schon 1.800 pro Jahr schaffen und seit 2014 insbesondere den sozialen Wohnungsbau fördern - das hatte auch schon nicht geklappt.

Ein Problem sind die gestiegenen Baukosten

Anders als 2020 stehen die Stadt Stuttgart und die Bauherren jetzt allerdings vor einem Problem, das alle seither haben: die enorm gestiegenen Baukosten. "Die wirtschaftliche Lage wird es in den kommenden Jahren schon schwieriger machen", gibt auch Körner zu. Trotzdem ist er zuversichtlich. Der Gemeinderat hat beschlossen, in die kommunale Wohnungsbaugesellschaft 200 Millionen Euro zu investieren. Und auch das "Bündnis für Wohnen" wird fortgesetzt, zu dem Körner Vertreter der privaten und genossenschaftlich orientierten Wohnungswirtschaft zusammenbrachte. Ziel des Bündnisses ist es, den geförderten Wohnungsbau zu erhöhen, damit Wohnraum erschwinglich bleiben kann und die Baukrise sich nicht weiter fortsetzt. Denn jährlich fallen in ganz Baden-Württemberg immer mehr Wohnungen aus der Sozialbindung heraus.

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In den kommenden drei Jahren sollen in Stuttgart den Angaben nach in 180 Gebieten knapp 24.000 Wohnungen entstehen. In 20 größeren Gebieten könnten demnach rund 3.750 Wohnungen realisiert werden, zuzüglich 750 Wohnungen für Studierende. Genannt werden hier neben dem Rosenstein-Quartier als größere Projekte das Olga-Areal, Neckarpark, Rote Wand am Killesberg, das Theater-Viertel an der Maybachstraße, Langenäcker‐Wiesert in Stammheim und einige mehr.

Zusätzlich sieht Körner bei der Nachverdichtung noch Möglichkeiten. Die Wohnungswirtschaft müsse innovativer und kreativer werden. Die Uzbeks werden allerdings von den jetzigen Ideen und Planungen nicht profitieren können. Die Familie hat derweil ihre Vorstellungen schon weit heruntergeschraubt. "Wir haben gerade nicht mehr viele Wünsche", sagt Melanie Uzbek etwas verbittert. "Früher haben wir gesagt, wir wollen Balkon, wir wollen kein Dachgeschoss. Wir wollen so viel anderes. Aber das ist uns mittlerweile wirklich egal." Die Hoffnung, zeitnah eine passende, größere Wohnung im Osten zu finden, sinkt bei den Uzbeks wöchentlich.

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