Am Dienstag hat der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik im Stuttgarter Gemeinderat mit 13 Ja-Stimmen und zwei Gegenstimmen den Rahmenplan für das neue Stadtviertel Stuttgart-Rosenstein beschlossen. Damit ist der Weg frei zur Entwicklung von Stuttgarts größtem Bauprojekt. Bis zu 5.800 Wohnungen sollen auf dem Areal entstehen. Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold spricht von einem "Meilenstein für die Zukunft Stuttgarts".
Das neue Rosenstein-Quartier ist nicht denkbar ohne Stuttgart 21. Und da war schon lange im Vorfeld die Frage, was wichtiger ist: Ein direkter Bahn-Anschluss ins Stuttgarter Stadtzentrum? Oder eben das neue Viertel Stuttgart-Rosenstein auf dem alten Gleisvorfeld? Denn für die Befürworter von Stuttgart 21 war es von Anfang an ein wichtiges Argument für den neuen Tiefbahnhof: Wo momentan Gleise liegen, soll ein neuer Stadtteil mit Schulen, Kindergärten und Grünflächen entstehen. Die Idee zum Rosenstein-Quartier war geboren. 85 Hektar werden frei, wenn die oberirdischen Gleise zurückgebaut sein werden. Es ist Stuttgarts größtes Stadtentwicklungsprojekt.
Die Stuttgarter Stadtverwaltung sieht das Bauen auf dem Gleisvorfeld als einmalige Chance für die dicht besiedelte Landeshauptstadt. Der Stadtteil soll nachhaltig werden: Wohnen und Arbeiten nebeneinander, kaum Autos, dafür mit S-Bahn-Station und Radwegen. Es geht um mehr als 5.000 Wohnungen mitten in Stuttgart, die Platz für 10.000 bis 12.000 Menschen bieten sollen.
Dabei will man vor allem innovative Wohnformen wie gemeinschaftliches oder genossenschaftliches Wohnen ermöglichen. Es soll vier Viertel im Viertel geben: die "Maker City", den Gleisbogenpark, das Rosensteinviertel und das Europaquartier. Vor allem in letzterem sollen Wohnungen entstehen, auf 70 Prozent der Fläche.
Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten versprochen
Mindestens 70 Prozent der für Wohnungen vorgesehenen Flächen sollen mit gefördertem Wohnraum bebaut werden. Dadurch entstehe Wohnraum für Menschen aller gesellschaftlichen Schichten, heißt es aus dem Rathaus. Die Stadt hat das Grundstück von der Bahn gekauft und kann die Mieten durch Förderungen niedriger halten als auf dem freien Markt. Gerade werden die Pläne überarbeitet, damit der Gemeinderat über den Stadtteil Rosenstein abstimmen kann. "In Stuttgart ist bezahlbarer Wohnraum kostbar. Das ist für uns deshalb ein wichtiges Projekt", sagt Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne).
Mieterverein hofft auf schnell verfügbaren Wohnraum
Auch der Mieterverein Stuttgart drängt auf eine möglichst schnelle Umsetzung der Pläne für den Stadtteil Stuttgart-Rosenstein. Der Verein hatte sich bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 für den Bau des Tiefbahnhofes engagiert - weil viele neue Wohnungen versprochen worden sind. Es werde höchste Zeit, dass dieser neue Wohnraum gebaut werden könne, sagt Rolf Gaßmann vom Mieterverein. Fast 5.000 Haushalte seien derzeit in der Notfallkartei des Mietervereins - Wohnraum werde dringend gebraucht.
Weitere Verzögerungen wären nicht gut für den Wohnungsmarkt in Stuttgart, so Gaßmann.
Gäubahn-Pläne kollidieren mit Wohnungsbau
Weitere Verzögerungen sind aber durchaus möglich. Denn es gibt Forderungen, auch nach der Fertigstellung des neuen Tiefbahnhofes Gleise auf dem geplanten Baugelände von Stuttgart-Rosenstein noch einige Zeit zu erhalten - für Züge, die bislang über die Gäubahn-Strecke in den Stuttgarter Hauptbahnhof fahren. Diese Strecke verbindet die Schweiz und Städte wie Singen (Kreis Konstanz), Horb (Kreis Freudenstadt) und Böblingen mit dem Stuttgarter Hauptbahnhof.
Die Deutsche Bahn will Züge aus dieser Richtung mit Inbetriebnahme von Stuttgart 21 in Stuttgart-Vaihingen enden lassen - oder an einem Haltepunkt in Stuttgart-Nord, der aber noch gar nicht gebaut ist. Fahrgäste müssten dann bis zum Hauptbahnhof beispielsweise in die S-Bahn umsteigen. Und zwar so lange, bis der Pfaffensteigtunnel fertig ist, über den die Gäubahn an den neuen Tiefbahnhof angebunden werden soll.
Klage gegen Gäubahn-Kappung
Ursprünglich war von nur wenigen Monaten Streckenunterbrechung die Rede. Jetzt würden es mindestens sieben Jahre, vielleicht aber auch 15 bis 20 Jahre, befürchtet die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Die DUH hat deshalb diese Woche vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Klage gegen das Eisenbahnbundesamt (EBA) eingereicht. Die DUH hatte vom EBA gefordert, gegen die Pläne der Deutschen Bahn vorzugehen, die Züge der Gäubahn-Strecke vom Stuttgarter Hauptbahnhof abzukoppeln, sobald der neue Tiefbahnhof fertiggestellt ist. Innerhalb der gesetzten Frist bis 26. Mai hatte das EBA nicht geantwortet.
Umweltverbände und Kommunen befürchten Verschlechterung
Die Bahnpläne seien so nicht von den vorliegenden Planfeststellungsbeschlüssen zu Stuttgart 21 abgedeckt und damit unzulässig, argumentiert die DUH. Für rund 1,4 Millionen Menschen bedeute die Abkopplung der Gäubahn-Strecke eine massive Verschlechterung, beklagen auch Umweltverbände und Vertreter von Kommunen entlang der Gäubahn-Strecke unisono.
Gleiserhalt gefordert
Umsteigen in Stuttgart-Vaihingen und damit auch eine Fahrtzeitverlängerung seien unattraktiv, sagt beispielsweise Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler (CDU). Denn jeder Umstieg berge das Risiko, den Anschlusszug zu verpassen. Also würden Menschen wohl statt der Bahn das Auto benutzen. Auch der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VC), Matthias Lieb, fordert einen Erhalt der direkten Verbindung über die Gäubahn nach Stuttgart. "Erst wenn die Verbindung über den Pfaffensteigtunnel fertig ist, kann man in Stuttgart das Gleis abbauen."
Stadt Stuttgart lehnt Gleiserhalt ab
Nach Inbetriebnahme den neuen Stuttgarter Tiefbahnhofes einfach ein Gleis der Gäubahn-Strecke liegen zu lassen und die Häuser drum herum zu bauen, gehe auf keinen Fall, argumentiert aber die Stuttgarter Stadtverwaltung. Und bleibt hart. Die Menschen warteten auf Wohnungen, so Baubürgermeister Pätzold. Der Gemeinderat möchte endlich ins Bauen kommen, sagt er.
Erste Häuser in Stuttgart-Rosenstein frühestens 2029
Richtig schnell wächst der neue Stadtteil Stuttgart-Rosenstein nicht aus dem Boden. Erst muss der Tiefbahnhof in Betrieb gehen, dann muss alles, was zu den Gleisen gehört, abgebaut werden. Frühestens 2029 könnten die ersten Häuser gebaut werden. Zuvor wird es aber noch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes geben.