Zu wenig, zu teuer, zu bürokratisch: Das Bündnis "Impulse für den Wohnungsbau" in Baden-Württemberg fordert von der Politik entsprechende Weichenstellungen, um wieder Wohnungen bauen zu können. Dazu sind am Freitagvormittag Bauunternehmer unter dem Motto "Lasst uns wieder Wohnungen bauen!" mit Baufahrzeugen in einer Sternfahrt nach Stuttgart gekommen. Bei einer anschließenden Kundgebung auf dem Karlsplatz verliehen sie ihrem Protest mit konkreten Forderungen Nachdruck.
SWR Reporterin Alina Klass hat mit einigen von ihnen auf der Kundgebung gesprochen:
1.200 Menschen demonstrierten in der Innenstadt
Der Veranstalter sprach von mehr als 1.200 Teilnehmenden bei der Kundgebung. Im Bereich des Charlottenplatzes und des Planie-Tunnels habe die Demofahrt vorübergehend lange Staus verursacht, hieß es von der Integrierten Verkehrsleitzentrale. Ansonsten sei die Veranstaltung aber problemlos verlaufen. Im Laufe des Tages sollte auch noch ein Symposium zum Thema im Haus der Architektinnen und Architekten in Stuttgart stattfinden.
Bündnis fordert Soforthilfen und Entschlackung des Baurechts
Im Bündnis "Impulse für den Wohnungsbau" sind 16 Organisationen aus der Branche vereint, auch Architektinnen und Architekten sind dabei. Sie fordern in einem Positionspapier für den Aktionstag am Freitag vor allem, den Wohnungsbau zu stärken und schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wohnungen würden dringend benötigt. Um den Bau vor dem Hintergrund der aktuell extremen Preissteigerungen nicht zu gefährden, sei es notwendig, den Wohnungsbau mit einer angemessenen Förderung zu stärken. "Es ist daher eine deutliche Ausweitung der Bundesförderung sowie die entsprechende Ergänzung durch Landesmittel erforderlich", heißt es.
Zudem müsse die Grunderwerbsteuer gesenkt werden, und es sollte verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten geben. Es brauche staatliche Impulse und gezielte Förderung, um effizient und schnell den steigenden Baukosten begegnen zu können. Dafür sei es, so heißt es in einem letzten Punkt, dringend nötig, bürokratische Hürden zu senken und das Baurecht zu entschlacken.
"Die Politik muss endlich was machen, Bauen muss wieder besser möglich werden", sagt etwa ein Teilnehmer der Demonstration. Ein anderer findet es wichtig, dass man jetzt zusammensteht und zusammen Lösungen findet. "Ich hoffe, dass nach dem Aktionstag heute die Politik auf uns zukommt und aktiv wird."
Wohnungsbau als drängende soziale Frage
Die Probleme sind nicht neu, aber sie haben sich verschärft. Zum einen steckt die Baubranche seit Monaten in der Krise - die gestiegenen Preise für Rohstoffe, Energie und Baumaterialien treffen auch die Unternehmen. Das Bündnis beklagt aber schon seit längerem fehlendes Verständnis von Behörden und Politik sowie den allgemeinen Wohnungsmangel.
Prozesse seien zu bürokratisch, kompliziert und langwierig, sodass kaum noch Baugenehmigungen erteilt würden, obwohl die Kommunen ja bauen wollen, beispielsweise in Stuttgart. Es gebe ohnehin schon seit Jahren in Baden-Württemberg zu wenige Wohnungen, die jetzige Entwicklung verschärfe das Problem zusätzlich. Auch die Mietentwicklung beim aktuellen Wohnungsbestand halten die Verbände und Organisationen für bedenklich. Alles zusammen mache Wohnen zur sozialen Frage und könne das gesellschaftliche Gleichgewicht beeinträchtigen.
Knapp 450.000 Wohnungen fehlen Architekten und Mieterbund fordern Notfallhilfe für sozialen Wohnungsbau in BW
Mehrere Verbände fordern bis zu 200 Millionen Euro von der Landesregierung Baden-Württemberg, um den Bau von Sozialwohnungen anzukurbeln. Sonst drohten gesellschaftliche Verwerfungen.
Sonderprogramm für sozialen Wohnungsbau gefordert
Mieterbund und Architekten hatten bereits im vergangenen Herbst ein Sonderprogramm von der Landesregierung speziell zum sozialen Wohnungsbau gefordert. Der Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen unterstellt der Landesregierung sogar fehlenden politischen Willen in Sachen Wohnungsbau. Es werde zu wenig getan, um den Wohnungsbau zu finanzieren beziehungsweise Unternehmern und auch Privatleuten solide Finanzierungen zu ermöglichen.
LBBW-Immobilienanalyst: "Die Lage war selten so schwierig"
Tatsächlich zeigt sich die Talfahrt vor allem bei den Neubaugenehmigungen, wie die Deutsche Presse-Agentur analysierte. Demnach sind diese im vergangenen Jahr eingebrochen. 2023 wurden nach Angaben des Statistischen Landesamtes im Neubau fast 9.200 Wohnhäuser und rund 2.750 Nichtwohngebäude - dazu gehören etwa Bürohäuser oder Verwaltungsgebäude - von den Bauämtern bewilligt. Das sind gut 6.400 Gebäude oder 35 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
Und bereits damals war die Zahl deutlich gesunken. Die Zahl der zum Bau freigegebenen Wohnungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern sank der Statistik zufolge um fast ein Drittel - von knapp 42.200 im Vorjahr auf gut 28.600. Niedriger lag dieser Wert zuletzt 2010 - mitten in der damaligen Wirtschafts- und Finanzkrise.
Experte: Drei Faktoren machen die Baukrise aus
Zahlen aus dem vergangenen Jahr für neue Wohnungen, die im Bestand oder in Nichtwohngebäuden bewilligt wurden, gebe es noch nicht. Frühere Statistiken zeigen aber, dass in diesen Bereichen zuletzt wenige Tausend Wohnungen pro Jahr genehmigt wurden. "Die Lage war selten so schwierig", sagt auch ein Immobilienanalyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und macht dafür drei Faktoren verantwortlich: den rasanten Anstieg der Hypothekenzinsen, die hohen Baukosten und die Unsicherheit bei staatlichen Förderungen.