Hallo, ich bin Kerstin Rudat und schaue diesmal mit euch auf die vergangene Woche. Was war wichtig, was wird wichtig? Was hat uns bewegt, was beschäftigt uns immer noch?
- Immer mehr Menschen flüchten aus der Türkei - warum?
- Rapper Xatar wird in der Stuttgarter Oper auftreten - so what?
- Mehrere Feuer bei der Paulinenpflege: Brandstiftung?
Die vergessene Fluchtbewegung
Immer mehr Menschen flüchten derzeit aus der Türkei nach Deutschland, auch in der Region Stuttgart steigen die Anträge auf Asyl von Türkinnen und Türken. Das ist aber nicht erst jetzt so. Es gibt viele Gründe dafür. Vor allem seit Juli 2016, seit dem gescheiterten Putsch-Versuch. Und schon vorher waren viele Türkinnen und Türken unzufrieden. Seit 2010 rede ich jedes Jahr mit einer Freundin in der Türkei darüber. Sie hat einen türkischen Vater und eine deutsche Mutter. Ich sage nicht, wie sie heißt und wo sie wohnt, weil sie in einem halbstaatlichen Unternehmen arbeitet, und ich nicht will, dass sie Probleme kriegt. Für sie wäre es sicherlich einfacher als für andere, nach Deutschland zu kommen. Aber sie liebt ihr Land, trotz allem. Sie hat sich bewusst für die Türkei entschieden. Noch tut sie das immer wieder. Sicherlich werden wir Anfang 2024 erneut darüber reden, ob es nicht besser wäre, die Türkei zu verlassen...
Wie genau die vergessene Fluchtbewegung aussieht und was die Fluchtgründe sind, hat meine Kollegin Astrid Meisoll im Video zusammengefasst:
Über neue Unterkünfte für türkische Asylbewerberinnen und -bewerber berichtete SWR Aktuell TV am 14.11.2023.
Xatar, der Goldmann, und das Spiel mit Popkultur
Diese Ankündigung brachte Anfang der Woche vor allem klassische Opern-Gänger*innen und Hochkultur-Junkies in Wallung: Rapper Giwar Hajabi alias Xatar tritt am 15. Juni 2024 in der Oper Stuttgart auf. Abgesehen davon, dass Popkultur und andere Kunst-Formate die Oper schon immer bereichert haben: Wo bitte sollte deutscher Rap denn sonst seinen Platz haben, wenn nicht in Stuttgart? Eben.
Seit einiger Zeit wird Xatar zunehmend als Unternehmer tätig. In Köln betrieb er den Goldmann-Tower als Hauptquartier mit Büros und Tonstudios - und er als "Goldmann" mittendrin. Das ist jetzt "The Visionary Club" und soll als Kreativ-Zentrum dienen. Schreibt hiphop.de. Mehr dazu gibt's auch in den "Cosmo Pop News" bei den Kollegen vom WDR.
Xatars Fame hat sicherlich im vergangenen Jahr Film "Rheingold" von Regisseur Fatih Akin befeuert. Aber auch eine Netflix-Doku über Xatar und den Ludwigsburger Goldraub. Eigentlich ist die Doku über "Big Mäck" Donald Stellwag, eines der bekanntesten Justizopfer Deutschlands, weil er für einen Bankraub in Nürnberg 1991 verknackt wurde, den er nicht begangen hat. Das konnte aber erst bewiesen werden, als Stellwag seine Haftstrafe verbüßt hatte. Aber 2009, da kommt "Big Mäck" wieder mit einem Raub in Verbindung. Denn Xatar behauptete bei der Stuttgarter Gerichtsverhandlung, er habe von Stellwag die entscheidenden Tipps für den Raubüberfall bei Ludwigsburg bekommen.
Was macht die Anti-Helden zu Helden?
Zwei Helden also, zumindest im HipHop und anderen Teilen der Popkultur, gehypt durch gute Eigen-Promotion, gute Connections und gute Algorithmen. Denn dass wir so viel True Crime konsumieren, daran haben Netflix und Co. einen immensen Anteil. "Das Ordnungsprinzip der Streaming-Plattformen ist Popularität. Je mehr True Crime wir sehen, desto mehr bekommen wir auch noch vorgeschlagen", sagt der Medienkultur-Experte Marcus S. Kleiner (wer mehr wissen will, klickt hier). Marcus hat sogar ein Buch darüber geschrieben: "Streamland. Wie Netflix, Amazon Prime und Co. unsere Demokratie bedrohen". "True Crime reißt uns aus der Langeweile unserer Existenz." Da erschienen Xatar und "Big Mäck" auf dem Bildschirm eben als cool.
Vor allem findet Marcus die Aufregung um Xatar in der Oper aber verlogen. "Gerade in Deutschland ist True Crime supererfolgreich. Und dann stellen sich Menschen da hin und geben sich moralisch erhaben, aber konsumieren die ganze Zeit True-Crime-Formate und -Podcasts." Zudem gebe es eine extreme Diskrepanz zwischen der eigenen Lebenswelt und der Welt des Gangsta Rap. Diese müssten Opern-Gänger natürlich nicht unbedingt verstehen, "aber haben die sich schon mal mit der Musik als Kunstform auseinandergesetzt, versucht, die Texte zu verstehen, die Inhalte nachzuvollziehen? Ich glaube nicht. Xatar hat super Rap-Skills, er hat wegweisende Deutschrap-Alben gemacht."
Werk und Künstler seien unbedingt zu trennen. "Er hat seine Strafe abgesessen, jetzt ist er Geschäftsmann. Das müsste dem Ländle mit der Schaffe-Schaffe-Mentalität doch eigentlich gefallen!", sagt Marcus. Es sei von der Oper der "richtige Move für Stuttgart als Rap- und HipHop-Stadt" und "hochgradig zeitgemäß". Klar auch ein kalkulierter Tabubruch, aber "Oper muss sich öffnen, braucht den Dialog mit Gangsta Rap, mit anderen Musikformen."
Die Abstimmung ist bereits beendet.
Hinweis: Das Abstimmungsergebnis zeigt ein Meinungsbild unserer Nutzer*innen und ist nicht repräsentativ.
In der vergangenen Woche wollten wir von euch wissen, was ihr im Leben erreichen wollt oder schon erreicht habt. Die Mehrheit (77,3 Prozent) gab an: "Ein oder mehrere Kinder" - allerdings dicht gefolgt von "einen Baum pflanzen" (67.6 Prozent). Das hab' ich schon gemacht, sogar mehrere!
Über Xatar und seinen geplanten Auftritt in der Stuttgarter Oper berichtete SWR4 am 15.11.2023.
Was ist der Reiz am Feuer-Legen?
Gleich zwei Mal spielten Brand-Serien diese Woche eine Rolle in unserer Berichterstattung. Einmal wurden nach 30 gelegten Feuern in Kernen (Rems-Murr-Kreis) jetzt zwei mutmaßlich Tatverdächtige gefasst. Und zum anderen gab es eine Reihe von Bränden in der Paulinenpflege in Winnenden, die auf Brandstiftung hindeuten.
Und ich denke, nicht nur ich frage mich: Ist da ein Feuerteufel am Werk? Vieles spricht leider dafür. Und was treibt einen Feuerteufel an? Die Legende besagt ja, oft seien es Mitglieder der Feuerwehr selbst. Weil sie gebraucht werden wollen und dann immer selbst am schnellsten am Brandort sind. Macht haben. Oder Lust am Feuer. Das ist aber nur ein Motiv, eine Theorie. Ich habe euch mal zusammengetragen, was Expert*innen noch sagen:
- Vandalismus
- Rache (Hass, Wut, Eifersucht, Beleidigung, Demütigung)
- (politische) Protesthandlung, Sabotage
- Psychose
Im Rahmen einer Psychose ist das Feuer-Legen sogar eine anerkannte Krankheit: Pyromanie. Aber wenn es eine Krankheit ist, dann ist sie doch auch zu heilen? Der Ravensburger Neurologe und Psychiater Volker Faust sagt, Pyromanie sei eine der spektakulärsten, aber auch eine der folgenschwersten seelischen Störungen und dementsprechend schwer zu therapieren, außerdem mit sehr hoher Rückfallgefahr.
In einem sind sich alle Expertinnen und Experten aber einig: Brandstifter (ja, es sind meistens Männer) haben keine Tötungsabsicht. Ein Wissenschaftler geht sogar so weit zu sagen, dass sie gar keine Absichten haben außer Aufmerksamkeit zu erzeugen, weil sie vielleicht auch sonst nix im Leben erreichen oder auf die Kette kriegen. Sicherlich eine Extremposition. Positiv ist aber auf jeden Fall, dass die Aufklärungsquote sehr hoch ist: 90 Prozent der Brandstifter werden gefasst. Das gibt im Fall der Paulinenpflege Winnenden auch Hoffnung.
Was ist, wenn es plötzlich brennt? Hier ein paar Tipps der Malteser, was ihr tun könnt oder beachten solltet. Und Respekt für alle bei der Freiwilligen Feuerwehr!
funk hat sich das mal von innen angesehen:
Über die Brand-Serie in Winnenden berichtete SWR4 am 13.11.2023.
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