Schlachthof Gärtringen

Warum ein Schlachtbetrieb schließt und wieder öffnet

Schlachthof Gärtringen: Wiedereröffnung ist beschlossene Sache

Stand
Autor/in
Philipp Pfäfflin
Bild von Philipp Pfäfflin

Seit Sommer 2020 ist der Schlachthof Gärtringen geschlossen. Wegen Verstößen gegen den Tierschutz gab es Kritik an einer Wiedereröffnung. Nun wurden die Verträge unterzeichnet.

Die Wiedereröffnung des Schlachthofs Gärtringen im Kreis Böblingen ist besiegelt. Am Montag wurde ein entsprechender Förderbescheid des Landes über knapp vier Millionen Euro überreicht. Vom Kreis Böblingen kommen weitere Millionen dazu. Außerdem wurden die Verträge zwischen dem Kreis und der genossenschaftlichen Betreibergesellschaft des Schlachthofs unterzeichnet.

Warum wurde der Schlachthof Gärtringen geschlossen?

Im August 2020 hatte der Verein "SOKO Tierschutz" ein mit versteckten Kameras gedrehtes Video publiziert. Gezeigt wurden Aufnahmen, die nach Angaben des privaten Vereins im Juni und Juli im Schlachthof Gärtringen aufgenommen wurden. Zu sehen sind beispielsweise, wie Schlachthofmitarbeiter Tiere vor sich hertreiben und dabei Stangen in deren After stoßen oder auf die Köpfe von Tieren einschlagen. Auch Fehler bei der Betäubung waren festgestellt worden.

Es sind offenbar nicht die ersten Verstöße gegen das Tierwohl in Gärtringen. Der Betrieb habe eine Historie, hieß es 2020 beim Landratsamt in Böblingen, das den Schlachthof wenige Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe vorübergehend schließen ließ. Landrat Roland Bernhard (parteilos) sagte am 4. September 2020: "Das Fass war schon vorher voll." Eine Wiedereröffnung schloss der Landrat bereits kurz nach der Schließung nicht aus, Voraussetzung sei aber ein "glaubwürdiger Neustart".

Was spricht für regionale Schlachthöfe wie Gärtringen?

Für regionale Schlachthöfe spricht, dass Arbeitsplätze vor Ort geschaffen werden und es vergleichsweise kurze Tiertransporte gibt. Oder wie es der Schlachthof Gärtringen in einer früheren Selbstdarstellung formulierte: "Die Transportwege sind kurz, die Herkunft nachvollziehbar und die Metzgerversorgung mit frischer Ware gewährleistet." Der Schlachthof in Gärtringen ist ein genossenschaftlich organisierter Betrieb von regionalen Metzgerinnen und Metzgern. Ziel war und ist es, dass Tiere möglichst nicht weit transportiert werden und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und in Metzgereibetrieben durch eine regionale Schlachtung gesichert werden.

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Der Einzugsbereich des Gärtringer Schlachthofs umfasst in etwa ein Gebiet von Ludwigsburg über Böblingen bis Tübingen und von Reutlingen bis nach Calw und Freudenstadt. Die Möglichkeit, in der Region Stuttgart zu schlachten, sei enorm ausgedünnt, heißt es beim Landesinnungsverband des baden-württembergischen Fleischerhandwerks. Da hier aber weiter Tiere gehalten und auch Fleisch gegessen wird, sieht man die Gefahr, dass immer mehr Vieh ins Ausland transportiert und dort geschlachtet wird.

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Was spricht gegen eine Wiedereröffnung?

Die Initiative "Gärtringen für Tiere" hat mehr als 2.000 Unterschriften gegen eine Wiedereröffnung gesammelt. Sie möchte nach eigenen Angaben verhindern, dass Steuergelder in Millionen-Höhe in eine "Industrie investiert werden, die Gewalt an Tieren" ausübe. Sie appelliert an Landrat Bernhard sich statt für eine Wiedereröffnung für eine "zukunftsgerichtete bio-vegane Landwirtschaft" einzusetzen.

Ähnlich argumentiert die Tierrechtsorganisation PETA. Slogans wie "Fleisch aus der Region" sei Verbrauchertäuschung, denn auch in kleinen Schlachthöfen würden Tiere leiden.

Gibt es auch andernorts Verstöße gegen das Tierwohl?

Der Schlachthof in Gärtringen ist nicht der einzige, bei dem Verstöße bekannt geworden sind. 2018 sorgten beispielsweise Aufnahmen aus dem Schlachthof Tauberbischofsheim für Schlagzeilen, 2020 in Biberach. Zuletzt gab es Vorwürfe gegen einen Schlachthof in Backnang.

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In Gärtringen soll ein Vorzeigeschlachthof entstehen. Was heißt das?

Im Zentrum stehe das Tierwohl, heißt es beim Landratsamt in Böblingen. So soll beispielsweise der Lärm von metallischen Geräuschen reduziert oder der Bodenbelag tiergerechter gemacht werden. Insgesamt sei eine umfangreiche Sanierung und Modernisierung geplant, die auch vorsehe, dass Gänge mit Kurven gebaut werden, da man aus der Tierpsychologie wisse, dass Rinder ungern rechte Winkel gehen würden.

Schon 2020 wurde ein neues Betriebskonzept vorgestellt. Geplant ist demnach eine lückenlose Videoüberwachung aller Bereiche und ein "Schulterschluss mit der Forschung". Für das Personal seien Schulungen vorgesehen, es soll mit "ordentlichen Stundenlöhnen" entlohnt werden.

Maximal 2.000 Schweine, 100 Rinder und 100 Lämmer sollen künftig in der modernisierten Schlachtanlage pro Woche professionell getötet und zerlegt werden können. Voraussichtlich werden diese Zahlen aber vorerst nicht erreicht.

Der damalige Vorsitzende der Schlachthof Genossenschaft ist auf eigenen Wunsch ausgeschieden. Im Februar 2021 präsentierte sich eine neue Führungsriege.

Steht die Finanzierung?

Die Finanzierung steht laut dem Landratsamt Böblingen. Am Montag hat die baden-württembergische Staatssekretärin Sabine Kurtz (CDU) offiziell den Förderbescheid des Landes in Jettingen (Kreis Böblingen) unterschrieben. Dabei geht es um knapp vier Millionen Euro für den Um- und Neubau. Der Kreis Böblingen gibt eine Einmalzahlung in Höhe von 3,8 Millionen Euro dazu und gewährt außerdem einen Kredit in Höhe von drei Millionen Euro. Vom Kreis Calw sollen weitere 500.000 Euro kommen.

Wann wird der Schlachthof voraussichtlich wiedereröffnet?

Der Schlachthof wird frühestens 2025 wiedereröffnet. Nachdem die Finanzierung gesichert ist, sollen die letzten Planungen angegangen und die Ausschreibungen gestartet werden. Zuvor gab es mehrere Verzögerungen. Ein Grund war, dass ursprünglich auch mit Geldern aus dem Kreis Tübingen gerechnet wurde. Nachdem aber ein Bürgerentscheid ein klares Votum für den Erhalt des Schlachthofs in Rottenburg brachte, zogen die Stadt Rottenburg und der Kreis Tübingen ihre Zuschüsse für Gärtringen zurück.

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