Polizistinnen und Polizisten stehen bei einem Einsatz auf der Stuttgart Königsstraße. Bei einer Auseinandersetzung mit einem Messer sind mehrere Personen teils lebensgefährlich verletzt worden.

Nach der blutigen Auseinandersetzung auf der Königstraße

Messerattacken in Stuttgart: Gibt es einen neuen Bandenkrieg?

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Werner Trefz
Werner Trefz
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Kerstin Rudat
Kerstin Rudat

Immer wieder Messerattacken - gleich mehrfach wurde in Stuttgart in letzter Zeit gefährlich zugestochen. Gibt es in der Region neben einem Bandenkrieg mit Schusswaffen auch einen mit Messern?

Drei verletzte Männer, einer davon lebensgefährlich: Das ist die Bilanz der bislang jüngsten Messerattacke in Stuttgart. Es passierte in einem Hinterhof der Königstraße - der Stuttgarter Haupteinkaufsmeile. Drei junge Männer waren mit einer Gruppe von drei Männern und zwei Frauen aneinandergeraten. Bis offensichtlich einer ein Messer zog und zustach. Ein 37-Jähriger erlitt lebensgefährliche Verletzungen und musste in einem Krankenhaus notoperiert werden.

17-jähriger mutmaßlicher Täter ist polizeibekannt

Ein polizeibekannter 17-jähriger Syrer konnte schnell nach der Attacke festgenommen werden. Er soll schon über 30 Straftaten begangen haben, darunter auch Gewaltdelikte. Zwei 22 und ein 26 Jahre alte Männer wurden einige Tage später gefasst. Sie sind Brüder des 17-jährigen Geflüchteten. Ein weiterer Bruder steht derzeit wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Stuttgart.

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Die Staatsanwaltschaft wirft ihm und drei weiteren Männern vor, im November 2023 an einer blutigen Auseinandersetzung zweier Jugendgruppen vor der Stuttgarter Stadtbibliothek am Mailänder Platz beteiligt gewesen zu sein. Mit Fäusten, Messern und Macheten sollen damals mehr als 20 Beteiligte aufeinander losgegangen sein. Damals gab es drei Schwerverletzte. Einen Zusammenhang zur Schuss-Serie in der Region Stuttgart, bei der sich zwei Gruppierungen seit mehr als zwei Jahren bekämpfen, sieht die Polizei bislang nicht.

Messerangriffe häufen sich in Stuttgart

In Stuttgart kam es in jüngster Zeit immer wieder zu Angriffen mit Messern. Während der Fußball-Europameisterschaft ging ein 25-Jähriger in der Fan Zone auf dem Schlossplatz mit einem Messer auf drei Männer los - während des Public Viewings beim Spiel Türkei-Tschechien. Zwei Männer wurden schwer verletzt, einer schwebte kurzfristig sogar in Lebensgefahr.

Kurz darauf stach mitten in der Nacht ein 26-jähriger Deutscher in einem Warteraum am Hauptbahnhof Stuttgart auf einen 69-jährigen Mann und eine 63-jährige Frau ein. Ein Notarzt musste die Opfer versorgen. Der Tatverdächtige wurde rund eine Stunde später im Stuttgarter Schlossgarten festgenommen. Er hatte möglicherweise psychische Probleme.

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Immer mehr junge Männer tragen ein Messer mit sich

Die Zahl der Messerattacken nimmt in vielen Städten Deutschlands zu, beobachtet der deutsche Kriminologe Dirk Baier vom Institut für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Vor allem junge Männer hätten oft ein Messer dabei. Es sei ihnen wichtig, "als Mann stark und dominant zu sein. Und die Messer sind hier ein wunderbar einfach zugängliches Mittel, um diese Männlichkeit zu unterstreichen", sagte Baier dem SWR.

Messer sind gerade für junge Menschen ein einfaches Symbol, um Stärke zu demonstrieren.

Stadt Stuttgart prüft Ausweitung der Waffenverbotszone

Die Stuttgarter Stadtverwaltung will jetzt intensiv prüfen, ob die Waffenverbotszone ausgeweitet werden kann. "Zudem wünschen wir uns von Seiten der Landespolitik, dass es uns ermöglicht wird, innerhalb der Waffenverbotszone auch anlasslose Kontrollen durchzuführen", sagte Ordnungsbürgermeister Clemens Maier (Freie Wähler). Dies sei seither rechtlich nicht möglich, aber schränke die Arbeit der Polizei erheblich ein, so Maier. So wie die gesetzliche Lage momentan sei, schrecke das auch überhaupt nicht ab, ein Messer mit sich zu führen. Da bestehe Handlungsbedarf.

Auf der anderen Seite müsse man aber auch sehen, sagte Maier weiter, dass diese Tat auf der Königstraße in der vergangenen Woche keine Zufallstat gewesen sei: "Es gab eine Beziehung zwischen Täter und Opfer. Der Täter hat das Opfer gezielt und vorsätzlich angegriffen. Diese Tat hätte an jedem anderen Ort zu jeder anderen Zeit auch genauso passieren können, sodass wir jetzt nicht allgemein sagen können, die Königstraße sei ein unsicherer Ort", so Maier. Im Gegenteil sei die objektive Sicherheit in Stuttgart sehr hoch.

Trotz einer Häufung von Messerattacken ist die objektive Sicherheit in Stuttgart sehr hoch. Im konkreten Fall war die Polizei sehr schnell vor Ort.

Maier: "Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft muss erleichtert werden"

Maier bedauert, dass der Stadt im Umgang mit dem syrischen, jungen mutmaßlichen Mehrfachtäter die Hände gebunden sind. Als Geflüchteter hat er hier einen Aufenthaltstitel. Wenn eine Abschiebung nicht infrage kommt, meldet die Stadt straffällige Geflüchtete an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. "Dort beantragen wir dann die Prüfung, ob diese Flüchtlingseigenschaft nicht wegfallen kann, um dann im Anschluss eine Abschiebung zu ermöglichen. Hier hängt die Hürde aber sehr, sehr hoch", erklärte der Ordnungsbürgermeister. Das Bleiberecht werde oft sehr hoch gewertet. Hier müsse die Latte gesenkt werden, so Maier, die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft müsse erleichtert werden, sodass man mehr Handlungsmöglichkeiten bei straffällig gewordenen Geflüchteten habe. Zudem sei im konkreten Fall eine Abschiebung nach Syrien schlicht nicht möglich.

Abschiebungen sind aus verschiedenen Gründen schwierig

Als Folge der zunehmenden Messerattacken wird immer häufiger eine schnellere Abschiebung von Menschen gefordert, die beispielsweise als Geflüchtete hier leben, aber straffällig geworden sind. Im Aufenthaltsgesetz werden mehrere Gründe genannt, die für ein öffentliches Interesse an einer Ausweisung sprechen. Doch die Umsetzung ist oftmals schwierig. In Baden-Württemberg gibt es schon seit einigen Jahren einen Sonderstab, der sich um die Abschiebung von gefährlichen oder straffällig gewordenen Geflüchteten kümmert.

Bestimmte Länder wie Afghanistan oder Syrien gelten derzeit aber als so gefährlich, dass dorthin derzeit überhaupt nicht abgeschoben wird. Nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim hatte sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für Änderungen ausgesprochen. Doch Regierung und Verwaltungen müssen zunächst die Gerichte davon überzeugen, dass diese Länder zumindest zum Teil so sicher sind, dass verurteilte Straftäter aus diesen Ländern dorthin abgeschoben werden können.

Laut dem baden-württembergischen Innenministerium liege der Ball jetzt klar beim Bund. Man habe mehrfach eindringlich an das Bundesinnenministerium appelliert, die Rückführungen schwerer Straftäter und Gefährder nach Afghanistan und Syrien wiederaufzunehmen und die dafür erforderlichen Vorbereitungen zu treffen. Es sei vor dem Hintergrund der massiven Straftaten gegen Leib und Leben und die sexuelle Selbstbestimmung und zu Tage getretener Anschlagsplanungen nicht richtig, dass selbst bei Gefährdern und schweren Straftätern Rückführungen mangels der erforderlichen Unterstützung des Bundes weiterhin nicht erfolgen, hieß es aus dem BW-Ministerium.

Ordnungsbürgermeister äußert Verständnis für Abschiebe-Forderungen

Hinzu komme, dass es den Behörden große Probleme bereite, die Identität und Staatsangehörigkeit von Geflüchteten festzustellen. Im Schnitt 57 Prozent hätten im Mai bei der Einreise nach Deutschland keine Papiere mit sich geführt. Die Abschiebung von Jugendlichen ist zudem nur in extremen Ausnahmefällen möglich. Ganz persönlich, sagt Ordnungsbürgermeister Clemens Maier, habe er viel Verständnis für die Forderungen nach Abschiebung auch im aktuellen Stuttgarter Fall. "Wer solche Taten verübt, hat sein Bleiberecht bei uns verwirkt."

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