Die Grippewelle erreicht überall im Land ein hohes Niveau, und neben Erwachsenen erkranken auch zunehmend Kinder und Kleinkinder. Ärztinnen und Ärzte schlagen Alarm. Die Situation an den Kinderkliniken in Stuttgart, Ludwigsburg, Böblingen und Esslingen sei momentan sehr angespannt, berichten die Krankenhäuser auf SWR-Anfrage. Alle verzeichnen einen deutlichen Anstieg an Atemwegserkrankungen bei Kindern.
Stuttgart: Auch Kinder-Notaufnahme stark belastet
Das Klinikum Stuttgart, zu dem die Kinderklinik Olgahospital gehört, meldete am Dienstagabend eine "starke Beanspruchung". Auch die Kinder-Notaufnahme verzeichne einen Höchststand an kleinen Patienten und Patientinnen.
Die Kinderklinik in Böblingen sei ebenfalls in der aktuellen Grippe- und Erkältungssaison "stark belastet", teilte der Klinikverbund Südwest auf SWR-Anfrage mit. So geht es auch der Kinderklinik in Ludwigsburg. Hier sei die Klinik schon vor einer Woche ziemlich voll gewesen, die Situation habe sich in der Zwischenzeit nicht verbessert, so Pressesprecher Alexander Tsongas. Die Zahl der Fälle - RSV, Grippe, aber auch CoVid - sei im Januar definitiv gestiegen. Einige Patientinnen und Patienten müssten gar beatmet werden.
Hinzu kämen wie in allen Bereichen des Gesundheitswesens hohe Personalausfälle, weil auch viele Mitarbeitende krank sind. Die RKH-Kliniken, Träger der Kinderklinik in Ludwigsburg, sprechen von einem Krankenstand von 20 bis 30 Prozent.
Esslingen: Tageweise können keine neuen Patienten aufgenommen werden
Die Kinderklinik in Esslingen sei so voll, dass es immer wieder Tage gibt, an denen die Klinik keine neuen kleinen Patientinnen und Patienten aufnehmen kann, teilte das Klinikum mit. Der Anstieg von RSV und Grippe sei deutlich erhöht. Zudem komme es vereinzelt zu Engpässen bei Medikamenten, das sei aber nicht gravierend.
In allen Kliniken kann es zu teils sehr langen Wartezeiten kommen. Trotz der angespannten Lage mache man natürlich alles möglich, um Grippe- oder RSV-kranke Kinder bestmöglich zu versorgen.
Appell von Kliniken: Nur im absoluten Notfall kommen
Damit die Versorgung weiterhin gewährleistet werden kann, bitten die Krankenhäuser, aber auch die Kinder- und Jugendärzte, die Kassenärztliche Vereinigung und das Stuttgarter Gesundheitsamt, nur in kritischen Situationen in die Notaufnahmen zu kommen. Bei Symptomen wie Fieber und Husten würden in der Regel Ruhe und fieber- beziehungsweise schmerzsenkende Mittel reichen. Wenn es dem Kind schlecht gehe, sei ein Besuch beim Kinderarzt sinnvoll, so das Klinikum Stuttgart.
"In die Notaufnahme gehören nur Kinder, denen es akut sehr schlecht geht, beispielsweise mit Fieber in den ersten acht Lebenswochen oder bei ausgeprägter Atemnot, zunehmender Schläfrigkeit oder auffallend blasser oder bläulicher Haut", so Friedrich Reichert, Leiter der Kinder-Notaufnahme am Olgahospital.
Landesgesundheitsamt: Kleinkinder in besonderem Maße betroffen
Auch die Kinderarzt-Praxen vermelden einen Anstieg der Infektionen, sagt Stefan Ehehalt, Leiter des Stuttgarter Gesundheitsamtes. "Zahlen des Landesgesundheitsamtes für ganz Baden-Württemberg zeigen, dass insbesondere die ganz Kleinen bis vier Jahre von Atemwegsinfektionen betroffen sind."
Helfen die Mehrfachtests für Corona, RSV und Grippe?
Ehehalt verweist darauf, die üblichen Schutz- und Hygienemaßnahmen, die auch schon während der Pandemie galten, einzuhalten, insbesondere, wenn gefährdete Personen im Umfeld sind. Auch Tests seien nach wie vor gut, allerdings könnten die Mehrfachtests für CoVid, RSV und Grippe eine Erkrankung erst dann zuverlässig anzeigen, wenn die Viruslast entsprechend hoch ist. Speziell für RSV würden diese Tests recht spät anschlagen.
Derzeit generell mehr als ein Drittel mehr Patienten als üblich
Zur Überlastung der Krankenhäuser und speziell der Notaufnahmen und örtlichen Notfallambulanzen trägt auch das große Schließen der Notfallpraxen nach einem Urteil im Oktober bei. Dadurch fehlen für die Notfallversorgung in ganz Baden-Württemberg rund 3.000 Ärztinnen und Ärzte, die etwa 40 Prozent der Dienste in den Notfallpraxen freiwillig übernahmen. Die Krankenhäuser in der Region Stuttgart hätten im Schnitt etwa ein Drittel mehr Patientinnen und Patienten als üblich - und das eben mitten in der Grippewelle. Zudem wurden Gespräche und damit eine Einigung mit der Kassenärztlichen Vereinigung verschoben, sodass die Situation sicherlich noch bis März so angespannt bleibe, heißt es. Und für zusätzliche Unsicherheit bei Finanz- und personellen Planungen der Kliniken sorgt die weiterhin unklare Lage in Sachen Krankenhausreform.
Großer Anstieg an RSV-Infektionen zuletzt 2021 und 2022
Zuletzt hatte es jeweils im November 2021 und 2022 zusätzlich zu Corona-Erkrankungen einen massiven Anstieg von Infektionen bei Kindern mit dem RS-Virus gegeben. Vor allem das Olgahospital in Stuttgart hatte in beiden Jahren eine Zeitlang täglich bis zu zehn Neuaufnahmen und eine Intensivquote bei Kleinkindern zwischen acht und zehn Prozent.