Nathan aus Backnang (Rems-Murr-Kreis) ist acht Jahre alt. Vor drei Jahren wurde bei ihm ein Gendefekt festgestellt. Seitdem hat er vieles verlernt - zum Beispiel, alleine zu sitzen oder mehr als ein paar Worte zu sprechen. Er hat epileptische Krampfanfälle, seine Atmung muss überwacht werden. Nathan benötigt rund um die Uhr intensivmedizinische Betreuung.
Theoretisch wären sieben Vollzeit-Pflegekräfte nötig, um die Pflege abzudecken. Aber trotz intensiver Suche finden seine Eltern so gut wie kein Pflegepersonal.
Eltern pflegen Sohn Tag und Nacht
"Wir haben schon hundert Mal im gesamten Umfeld alle Pflegedienste abtelefoniert, aber wir kriegen immer die gleiche Antwort, nämlich dass sie keine Kapazitäten haben", sagt Nathans Mutter Lara Link. Sie und ihr Mann Johannes haben ihre Arbeit aufgegeben und pflegen Nathan zu zweit, Tag und Nacht. Familie Link aus Backnang lebt im ständigen Ausnahmezustand.
Mutter: Zustand ist "skandalös"
"Ich halte es für skandalös, dass wir hier ein intensivmedizinisches Kind nahezu alleine versorgen", sagt die 36-jährige Lara Link. Oft müsse sie ihrem Sohn nachts Morphin spritzen, obwohl sie nach mehreren Pflege-Nächten hintereinander völlig übermüdet sei. Wenn man mit Medikamenten an Nathans zentralem Zugang hantiere, könne jeder Handgriff der letzte sein. "Es ist gefährlich, ihn völlig übermüdet zu pflegen", sagt Link.
Schon häufig habe sie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geschrieben, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. "Aber ich habe nie eine Antwort bekommen." Lara Link fordert, dass Pflegekräfte besser bezahlt werden müssen. Sie ist schockiert über den Pflegenotstand in Deutschland, der ihre Familie an den Rande ihrer Kräfte bringt.
Pflegedienste: Keine Kapazitäten
Gelegentlich finden die Links Pflegekräfte, die Nathan zumindest tageweise versorgen. Doch zur Frage nach genügend Kräften, die die Versorgung konstant und zuverlässig übernehmen könnten, hieße es von den Sozialstationen und Pflegediensten immer wieder: keine Kapazitäten.
Es sei auch schon öfter vorgekommen, dass potenzielle Pflegekräfte von Pflegediensten einen Tag zu Hause bei Familie Link mitlaufen - und dann nie wieder kommen. "Alle argumentieren, die Verantwortung sei zu groß ohne einen Arzt im Hintergrund", sagt Lara Link.
Trotz alledem: Die Eltern wünschen sich dringend Entlastung, auch um für ihre anderen drei Kinder da sein zu können. Derzeit leben Lara und Johannes Link von ihrem Ersparten.
Nathans Liebe zu Spinnen
Eine Aussicht auf Heilung oder Besserung hat Nathan nicht. Er wird sterben. Aber es gibt auch freudige Momente im Alltag des Jungens - zum Beispiel, wenn Spinnen im Spiel sind.
"Das fing an, als sein sein Radius immer kleiner wurde", sagt Lara Link. "Da hat er gemerkt: Wenn er Menschen mit den Fingern den Arm hochkrabbelt wie eine Spinne, fangen sie laut an zu schreien. Damit hat er eine große Wirksamkeit."
Vogelspinne spendet Familie Link Trost
Über Nathans Bett baumelt ein Spinnen-Mobile, eine schwarze Kuscheltier-Spinne liegt neben ihm. Und seit Neuestem leistet ihm auch eine echte Vogelspinne in einem Terrarium neben seinem Bett Gesellschaft.
Nicht nur Nathan, auch seinen Eltern spendet das Tier Trost. Denn Vogelspinnen werden bis zu 30 Jahre alt, sagt Mutter Lara Link. Die Spinne wird ein Teil der Familie bleiben, wenn Nathan nicht mehr da ist.