Die Konsequenzen des Fachkräftemangels in der Kinderkrankenpflege werden schon jetzt im Sommer deutlich. Der allgemeine Mangel an Pflegepersonal trifft die Kinderkliniken besonders hart. Denn hier arbeiten sehr spezialisierte Fachkräfte. Bei steigenden Corona-Fallzahlen gibt es immer mehr krankheitsbedingte Ausfälle.
Folgen des Personalmangels
Ersatz für Ausfälle zu finden sei schwer, auch in Baden-Württemberg, sagen Kinderklinik-Vertreter. Professor Christian von Schankenburg ist Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg. Er weiß, dass die Kinderkliniken in Not in der Versorgung sind und sie teilweise nicht genügend Pflegekräfte vor Ort haben, um die Kinder direkt zu versorgen.
In der Kinderabteilung der Uniklinik Ulm ist zurzeit zum Beispiel auf der Intensivstation etwa jede fünfte Pflegestellen nicht besetzt. Viele andere Kinderkliniken im Land haben einen ähnlichen Personalmangel. Das macht sich im Klinikalltag bemerkbar. Zwar werden alle Notfälle behandelt, doch die Qualität leidet, meint Professor Klaus-Michael Debatin, Ärztlicher Direktor der Kinderklinik. Jede Schicht sei mit einer Kraft weniger besetzt, als es möglich wäre, wenn sie volle Kapazitäten hätten. Konsequenz sei, dass die Betreuungsintensität nicht so gemacht werden könne, wie es zum Beispiel auch vorgeschrieben sei.
Pflegeschlüssel in der Kinderklinik
Der Personalmangel hat Folgen. Fast alle Kinderkliniken in Baden-Württemberg müssen Betten schließen, oft 20 bis 40 Prozent der eigentlich vorhandenen Plätze. Denn in den Kinderkliniken gibt es einen Pflegeschlüssel. Das heißt: Eine Pflegekraft darf sich nur um eine bestimmte Anzahl Kinder kümmern.
So soll sichergestellt werden, dass alle gut versorgt sind. Doch viele Kinderkliniken finden zurzeit nicht genügend qualifizierte Kräfte, um alle Stellen zu besetzen. Deshalb dürfen sie auf den Kinderstationen nicht mehr alle Betten belegen, die vorhanden wären. Es können also nicht mehr so viele Kinder behandelt werden wie früher.
Mit Blick auf den Herbst und Winter ist die Sorge daher groß. Fachleute rechnen erneut mit einer großen Infektionswelle bei den Kindern.
Es werde nicht mehr so sein wie in den letzten 25 Jahren, dass Kinder relativ problemlos versorgt werden konnten. Stattdessen beschreibt Prof. Schankenburg, dass teilweise Patientinnen und Patienten auf den Flur gelegt werden müssen. Nicht weil keine Zimmer mehr frei seien, sondern weil dort die Ärzte und das Pflegepersonal öfter vorbeikäme und sie sehe.
Das könne zu Unzufriedenheit bei den Patientinnen und Patienten führen. Aber auch beim spezialisierten Pflegepersonal. Denn die Arbeit unter diesen Bedingungen ist belastend – und Besserung ist nicht so schnell in Sicht.
Eine Kinderkrankenpflegerin gibt auf
Teilweise ist die Arbeit so belastend, dass Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger ihren Traumjob verlassen. Eine ehemalige Kinderkrankenpflegerin aus Baden-Württemberg hat uns anonym erzählt, warum sie nach vielen Jahren schweren Herzens ihren Traumberuf aufgegeben hat.
Zu Beginn ihrer Arbeitszeit habe sie noch jeden Tag große Freude an ihrer Arbeit gehabt, da sie sich fachlich einarbeiten und entwickeln musste. Doch irgendwann veränderte sich etwas und es fühlte sich nicht mehr gut an. Das Krankenhaussystem hinterlässt Spuren.
Gleichzeitig wurde die Arbeit immer dichter, immer mehr Aufgaben in der gleichen Zeit. Sie wurde unzufriedener und leidete häufiger Schlafstörungen. Sie beschreibt mit welchem Ziel sie vor Jahren an den Beruf Kinderkrankenpflege heran getreten ist und dass sie dieser Verantwortung mit der Zeit nicht mehr gerecht wurde. Das habe sie so unzufrieden und vermutlich auch krank gemacht, wäre sie nicht ausgestiegen.
Dieser Abschied war nicht leicht, aber in diesem Fall wohl die richtige Entscheidung. Für die Zukunft wünscht sie sich mehr motivierte Kinderkrankenpflegekräfte, die nicht nur eingestellt würden, sondern auch ein vernünftiges Gehalt bekämen. Auch müssten neue Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Berufsalltag mit Freude und Verantwortung meistern ließen.