In Ludwigsburg sind ab sofort zwei Linienbusse unterwegs, die Solidarität mit Menschen im Iran ausdrücken sollen. Sie wurden am Freitag mit dem Konterfei von Mahsa Amini beklebt, deren Tod zum Auslöser für die Proteste im Iran wurde. Das Regime geht mit Gewalt gegen die Demonstrierenden vor.
Außerdem ist für Samstag in Ludwigsburg eine Solidaritäts-Kundgebung für die Protestierenden geplant. Arezoo Shoaleh vom Verein "Frauen für Frauen" hat die Veranstaltung ins Leben gerufen. Im Interview erklärt sie, wie es zu den beklebten Bussen kam - und was die grausamen Nachrichten aus ihrem Heimatland in ihr auslösen.
SWR Aktuell: Frau Shoaleh, wir stehen jetzt hier vor einem Linienbus in Ludwigsburg, mit dem Konterfei von Mahsa Amini, dem Symbolbild des Protestes im Iran. Was ist das von Gefühl für Sie?
Arezoo Shoaleh: Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, das geht einfach unter die Haut. Einen Bus mit persischer Schrift, mit dem Bild von Mahsa Amini auf dem Bus in Ludwigsburg fahren zu sehen, das ist Gänsehaut pur.
SWR Aktuell: Wie ist es dazu gekommen, dass jetzt hier zwei Busse mit diesem Bild unterwegs sind?
Arezoo Shoaleh: Wir wollten die Menschen auf die Proteste im Iran aufmerksam machen und haben uns einfach unterschiedliche Aktionen einfallen lassen. Unter anderem dachten wir, das wäre doch eine gute Sache, wenn der Bus durch die Stadt fährt.
SWR Aktuell: Sie kommen selbst aus dem Iran. Was bekommen Sie da momentan mit?
Arezoo Shoaleh: Ich bekomme momentan ganz, ganz viele Nachrichten über Social Media. Da kommen immer wieder Nachrichten, Live-Videos und das erreicht uns, alle Exil-Iranerinnen und Iraner, natürlich auch.
SWR Aktuell: Was sind das für Nachrichten, was hören Sie da?
Arezoo Shoaleh: Für mich ist es so, dass im Moment eigentlich der ganze Iran meine Familie geworden ist. Das sind Menschen, junge Menschen, die auf der Straße sind, die für Grundrecht, das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen. Die dafür verhaftet, gefoltert, zusammengeschlagen, vergewaltigt werden, getötet werden. Das sind ganz, ganz grausame Bilder zum Teil. Das können sich Menschen, die das nicht kennen, überhaupt nicht vorstellen, dass es so etwas gibt. Dass es ein Regime gibt, das so mit dem eigenen Volk oder überhaupt mit Menschen so umgehen kann. Das ist wirklich ganz brutale Gewalt, die vom Regime ausgeht
SWR Aktuell: Wie halten Sie das aus?
Arezoo Shoaleh: Unheimlich schwer. Das ist für uns alle unheimlich schwer, das auszuhalten, die Gefühle, die so geballt in einem mitspielen: Wut, Stolz, Freude, Trauer, Hoffnung. Es ist wirklich alles da. Wir sind alle total stolz auf die mutigen Menschen im Iran, die sich trauen. Es ist ein Spiel mit dem Leben. Sie riskieren ihr Leben, und sie hören nicht auf. Und sie haben auch von uns Exil-Iranerinnen und -Iranern die volle Unterstützung.
SWR Aktuell: Sie sind hier in Sicherheit. Sind sie froh darüber oder wären Sie jetzt lieber bei Ihren Mitbürgerinnen und -bürgern?
Arezoo Shoaleh: Ich bin froh, dass ich in der Demokratie, dass ich in Freiheit leben kann, frei bin ich aber nicht. Frei bin ich, wenn kein Mensch auf der Welt solche diktatorischen Regimes ausgesetzt ist. Ich glaube, wenn ich im Iran wäre, wäre ich keine Sekunde zuhause. Denn wenn ich die jungen Leute, die Minderjährigen sehen würde, die auf der Straße sind, würde ich mich schämen, nichts zu tun.
SWR Aktuell: Sie versuchen zumindest aus der Ferne ihr Land zu unterstützen. Morgen (Samstag) ist eine Kundgebung geplant. Was haben Sie genau vor?
Arezoo Shoaleh: Wir haben für morgen eine Kundgebung geplant, eben als Zeichen der Solidarität mit den Menschen im Iran. Das wird hoffentlich eine emotionale und gut besuchte Veranstaltung werden.
SWR Aktuell: Glauben Sie, dass die damit ein Zeichen in den Iran schicken können? Oder anders gefragt: Glauben Sie, dass das Regime sich davon beeindrucken lässt, wenn hier in Ludwigsburg ein paar hundert Leute auf die Straße gehen?
Arezoo Shoaleh: Unsere Aktionen im Ausland werden die Menschen im Iran erreichen. Dafür sorgen wir, das kann ich wirklich versprechen. Die Leute verfolgen auch unsere Aktivitäten hier im Ausland. Und natürlich kriegt das Regime mit, dass die Menschen im Iran Unterstützung aus dem Ausland haben. Und das ist die Hauptsache.