Ein Mann geht mit seinem Fahrrad an einer Deutschlandticket-Werbung und einem Regionalzug vorbei

Eine Woche Deutschlandticket

Stuttgart: VVS zufrieden, Kunden wünschen besseren ÖPNV

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Olga Henich
Olga Henich

Für 49 Euro im Monat mit Bus und Bahn durch Deutschland fahren. Seit dem 1. Mai ist es möglich. Wie war der Start des Deutschlandtickets in der Region Stuttgart?

Eine Woche nach dem Start des Deutschlandtickets spricht der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) von einem vollen Erfolg, Kundenwünsche sind aber nach wie vor offen. Der VVS hat nach sieben Tagen bereits rund 70.000 neue Abonnenten hinzugewonnen – zusätzlich zu den 165.000 Bestandskunden. "Und es werden stündlich mehr", sagt der VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. "Das Interesse ist riesig und die aktuelle Zahl übertrifft unsere Erwartungen, da wir nun sogar mehr Kunden als vor der Pandemie erreichen."

Region Stuttgart: Fahrgäste unzufrieden mit ÖPNV

Trotz des Zuwachses an Abonnenten sind viele Fahrgäste mit der Qualität des ÖPNV nicht zufrieden. Das zeigt sich beim Blick auf die ARD Mitmachaktion #besserBahnfahren. Die bundesweite Umfrage ist parallel zum Deutschlandticket gestartet, um die Erfahrungen der Passagiere mit dem ÖPNV zu sammeln. Knapp 400 der bisher insgesamt über 1800 gesammelten Stimmen kommen aus der Region Stuttgart.

Über die Hälfte davon gibt an, das Deutschlandticket entweder im Rahmen einer Abo-Umstellung oder als Neukunde zu nutzen. Die meisten Befragten möchten den ÖPNV nach eigenen Angaben in Zukunft mehr oder zumindest wie bisher nutzen. Verbesserungsbedarf sehen sie allerdings an mehreren Stellen.

Frust über Ausfälle und Verspätungen bei S-Bahnen

Über 70 Prozent der Befragten aus der Region Stuttgart bezeichnen ihre Erfahrungen mit dem ÖPNV als negativ. Am häufigsten beklagen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage über Verspätungen und Ausfälle im S-Bahnverkehr. Streckensperrungen und Fahrplanabweichungen würden oft nur kurzfristig und schlecht kommuniziert, melden die Fahrgäste.

"Der S-Bahn-Verkehr in Stuttgart ist eine einzige Katastrophe."

Die ehemals begeisterte Bahnfahrerin Anke K. überlegt sich heute, ihr Abo zu kündigen und lieber längere Fahrzeiten mit einem e-Bike in Kauf zu nehmen - statt Verspätungen in der S-Bahn. Auf die anstehenden Bauarbeiten für den digitalen Bahnknoten in Stuttgart blickt sie mit Frustration. Und: Anke K. meint, dass durch die fehlende Zuverlässigkeit und die marode Infrastruktur auch das Deutschlandticket auf Dauer nicht mehr Menschen zu den öffentlichen Verkehrsmitteln locke.

"Viele stellen sich lieber in den Stau, bevor sie die ständigen Ausfälle, Streckensperrungen und Verspätungen in Kauf nehmen müssen."

Fahrgäste: Bessere Taktung und mehr Sicherheit

Menschen aus dem ländlicheren Raum in der Region Stuttgart bemängeln vor allem die geringe Taktung der Busse. Gerade am Wochenende und nachts ist es laut einer Nutzerin aus Althütte unmöglich, den ÖPNV zu nutzen. Einige Umfrageteilnehmerinnen geben an, sich vor allem zu späten Stunden nicht mehr sicher in Bus und Bahn zu fühlen. Einige seien bereits Zeugen von verbalen und körperlichen Angriffen gewesen. Viele kritisieren auch die fehlende Barrierefreiheit im ÖPNV. Der Höhenunterschied zwischen Bahnsteig und Zug sei oft nicht für Menschen mit Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen ausgelegt.

Die S-Bahn und alle anderen Busse und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs in der Region Stuttgart können die Besitzer des Deutschlandtickets nun nutzen.
In der Region Stuttgart sollen bis 2030 mehr S-Bahnen fahren.

Deutschlandticket für Familien und Senioren zu teuer

Andere finden das ÖPNV-Angebot nicht so ausreichend ausgebaut, dass sich das Deutschlandticket für sie lohnen würde. Ein Rentner aus Plochingen meint etwa, dass sich das Ticket für Gelegenheitsfahrten mehrmals im Monat nicht lohnen würde. Familien mit Kindern bemerken, dass das Auto für sie weiterhin eine günstigere und schnellere Lösung sei.

VVS: Keine Überlastung von Bussen und Bahnen

Trotz einiger Anlaufschwierigkeiten, wie Serverausfällen bei Online-Buchungen, nicht pünktlich per Post zugestellten Chipkarten und Problemen an Automaten der Deutschen Bahn, sei das Deutschlandticket in der ersten Woche gut angelaufen, so VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. Von einer Überlastung der Busse und Bahnen durch die Neu-Abonnenten sei keine Rede.

Deutschlandticket
In der Region Stuttgart hat der VVS durch das neue Deutschlandticket schon mehr als 70.000 neue Abonennten bekommen.

"Es ist schon voller geworden, aber den großen Zuwachs erwarten wir ähnlich wie beim 9-Euro-Ticket nicht im Berufsverkehr, sondern vielmehr im Freizeitverkehr über den Tag verteilt", sagt Stammler. Mehr Züge und Busse werde der VVS wegen des Deutschlandtickets vorerst deshalb nicht einführen. Insgesamt rechnet der VVS nach eigenen Angaben mit weiteren 30.000 Neuabonnenten in diesem Jahr.

Bis 2030 neue Wagen für S-Bahn und Stadtbahn geplant

Die Verbesserung des Angebots sei aber ein dauerhafter Prozess, so Stammler. Bis 2030 möchte das Verkehrsministerium Baden-Württemberg die Zahl der ÖPNV-Nutzer verdoppeln. "Dafür müssen natürlich auch die Kapazitäten vergrößert werden. Deshalb rollen auf die S-Bahn Stuttgart 58 zusätzliche Fahrzeuge zu und auch die Stuttgarter Straßenbahn wird 40 neue Stadtbahnwagen beschaffen", sagt der VVS-Geschäftsführer. Auch der Busverkehr soll in den verschiedenen Landkreisen in Zukunft besser getaktet auf die S-Bahnverbindungen abgestimmt werden.

#besserBahnfahren: Auswertung im Herbst

Von der ARD-Mitmach-Aktion #besserBahnfahren erhoffen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wie Iris L. nicht nur mediale Präsenz, sondern auch konkrete Verbesserungen. Die Umfrage soll im Herbst vom Team der Hochschule Karlsruhe unter der Leitung von Professor Jochen Eckart wissenschaftlich ausgewertet werden.

"Wir möchten die vielen Anekdoten über die persönlichen Erlebnisse mit Bus und Bahn zu nutzbaren Schlussfolgerungen und konkreten Verbesserungen machen."

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