Wegen Schulpflicht in die USA ausgewandert

Evangelikale und Homeschooling: Familie aus Bissingen droht Abschiebung

Stand
Autor/in
Maxim Flößer
Maxim Flößer arbeitet im SWR Studio Stuttgart.

Ein Ehepaar aus dem Kreis Esslingen war 2008 in die USA gezogen, weil es die deutsche Schulpflicht für ihre Kinder ablehnt. Nun droht der Familie die Ausweisung nach Deutschland.

Um ihre Kinder selbst im Homeschooling zu unterrichten und um so die deutsche Schulpflicht zu umgehen, war das evangelikale Ehepaar Hannelore und Uwe Romeike aus Bissingen (Kreis Esslingen) 2008 in die USA gezogen. Nun droht ihnen und einigen ihrer Kinder Anfang Oktober die Abschiebung. Ein großer Kreis von Unterstützerinnen und Unterstützern versucht das zu verhindern.

Familie aus Bissingen floh vor Schulpflicht in die USA

Da in allen 50 US-Bundesstaaten Homeschooling erlaubt ist, stellte die Familie vor 15 Jahren einen Antrag auf Asyl. Die Begründung: Die deutsche Schulpflicht sei eine Unterdrückung ihrer Religion. So lehnen sie beispielsweise Inhalte aus Schulbüchern ab, die ihrem Glauben widersprechen. In den USA lebt die Familie seit 2008 in Morristown im Bundesstaat Tennessee.

Familie Romeike hat Bissingen an der Teck 2008 in Richtung USA verlassen.
Familie Romeike hat Bissingen an der Teck 2008 in Richtung USA verlassen.

Einwanderungsbehörde: Ausweisung Anfang Oktober

Seit ihrer Ankunft durchlief die Familie mehrere Gerichtsverfahren. 2014 wurde entschieden, dass die Familie kein Recht auf Asyl in den USA hat, da sie deutsches Recht missachte und ihr in Deutschland keine Verfolgung drohe. Trotzdem wurden die Romeikes seither auf unbefristete Zeit geduldet. Dafür musste sich die Familie lediglich regelmäßig bei der Einwanderungsbehörde melden.

Uwe und Hannelore Romeike 2009 beim Unterricht ihrer Kinder.
Uwe und Hannelore Romeike 2009 beim Unterricht ihrer Kinder.

Nun ist der Familie allerdings bei der jüngsten Kontrolle des Aufenthaltsstatus mitgeteilt worden, dass sie binnen vier Wochen das Land verlassen müssten. Das erklärte ein Sprecher des US-amerikanischen Rechtshilfeverbands HSLDA, der sich für Homeschooling einsetzt und auch die Romeikes berät.

Evangelikale Gruppen unterstützen Familie Romeike

In den USA sorgt der Fall schon seit Längerem für große Aufmerksamkeit. Die republikanische Kongressabgeordnete Diana Harshbarger aus Tennessee hat laut Pressemeldungen einen Entwurf im Parlament eingereicht, der Familie Romeike ein Aufenthaltsrecht gewähren soll. Gleichzeitig läuft eine Petition mit einer entsprechenden Forderung an die US-Bundesregierung für ein Bleiberecht der Familie. Rund 64.000 Menschen haben den Aufruf bereits unterschrieben.

Die US-Kongressabgeordnete Diana Harshbarger unterstützt die evangelikale Familie Romeike aus Bissingen an der Teck.
Die US-Kongressabgeordnete Diana Harshbarger unterstützt die evangelikale Familie Romeike aus Bissingen an der Teck.

Große Unterstützung dürfte die Familie wohl auch erhalten, da Homeschooling und evangelikale Strömungen in den USA weit verbreitet sind. Nach Angaben des Public Religion Research Instituts machen weiße Evangelikale in den USA rund 14 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Häufig werden deren Kinder zu Hause unterrichtet. Laut einer Studie des National Home Education Research Institute lernen in den USA insgesamt 3,1 Millionen Kinder zu Hause.

Schulpflicht in Deutschland gilt nur in Ausnahmefällen nicht

In Deutschland hingegen gilt seit 1919 eine allgemeine Schulpflicht, die in Artikel 7 des Grundgesetzes als staatlicher Erziehungsauftrag festgelegt ist. So hat jedes Kind ab sechs Jahren die Pflicht, aber auch das Recht, die Schule zu besuchen. Ausnahmen sind nur selten erlaubt, beispielsweise bei schweren Krankheiten. Religiöse Gründe gelten nicht als Grund, die Kinder von der Schule zu befreien.

SWR2 Wissen: Aula Schulpflicht ist Bürgerpflicht

Pädagogik-Professor Ulrich Herrmann plädiert für die Beibehaltung der Schulpflicht, denn: Die Rolle des mündigen Bürgers will gelernt sein, und das ermögliche die Schule.

SWR2 Wissen: Aula SWR2

Widersetzen sich Eltern der Pflicht, ihre Kinder zur Schule zu bringen, werden Ordnungsgelder ausgesprochen. Im härtesten Fall können die Kinder den Eltern entzogen werden. Laut Meldungen hat auch Familie Romeike vor ihrer Ausreise in die USA Bußgeldbescheide in Höhe von 7.000 Euro erhalten. Hinzu kam die Androhung, ihnen die Kinder zu entziehen.

Immer wieder Klagen gegen Schulpflicht

In Deutschland leben laut einer Studie rund 1,5 Millionen Evangelikale. Auch hier fordern sie für sich das Recht ein, die Kinder aus religiösen Gründen in den eigenen vier Wänden zu unterrichten. 2006 meldete beispielsweise ein Ehepaar aus Nürtingen ihre drei Kinder von der Schule ab. Ihre Begründung: Den Kindern werde zu viel über die Evolutionstheorie und Gewalt beigebracht.

2019 klagte eine Familie aus Darmstadt für ein Recht auf Homeschooling. Damals wurden den Eltern die Kinder entzogen, weil sie diese jahrelang selbst unterrichtet hatten. Der Fall beschäftigte nach mehreren Instanzen sogar den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser entschied, dass Eltern ihre Kinder nicht selbst unterrichten dürfen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) schätzt, dass bundesweit 500 bis 1.000 Kinder im Homeschooling unterrichtet werden.

Wird Familie Romeike abgeschoben?

Sollte Familie Romeike Anfang Oktober tatsächlich abgeschoben werden, ist die Lage kompliziert. So sind zwei ihrer mittlerweile sieben Kinder durch ihre Geburt in den USA offiziell US-Bürger. Zudem sind die zwei ältesten Kinder - ein Sohn und eine Tochter - mit Amerikanern verheiratet und erwarten Nachwuchs.

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