Vor allem im Handwerk fehlen Auszubildende

Warum fehlen so viele Azubis in der Region Stuttgart?

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Autor/in
Luisa Bleich
SWR-Redakteurin Luisa Bleich

Am 1. September startet traditionell das neue Ausbildungsjahr. Auch 2024 bleiben in der Region viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Das hat verschiedene Gründe, sagen Unternehmen.

In dieser Woche beginnen mehrere tausend Azubis in der Region Stuttgart mit ihrer Ausbildung. Gleichzeitig bleiben aber tausende Ausbildungsstellen unbesetzt. Vor allem das Handwerk hat Probleme: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der neuen Handwerks-Azubis um 2,4 Prozent gesunken. Das teilte die Handwerkskammer Region Stuttgart mit.

Anders sieht es in den Bereichen Handel, Industrie und Dienstleistungen aus. Hier ist die Zahl der Azubis laut der Industrie- und Handelskammer der Region Stuttgart (IHK) um 4,6 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg reicht aber auch nicht aus, um in diesen Branchen alle freien Ausbildungsplätze zu besetzen. Der Azubimangel ist spürbar - egal ob im Handwerk oder im Handel. Woran das liegen könnte, darüber gibt es verschiedene Theorien.

Immer weniger junge Menschen

Da wäre einmal der demografische Wandel: Während die Bevölkerung in Deutschland wächst, fehlt es gleichzeitig an jungen Menschen. Das Statistische Bundesamt hatte 2022 gemeldet, dass Ende 2021 so wenige junge Menschen wie noch nie seit Gründung der Bundesrepublik im Land gelebt hätten. Auch Andrea Bosch, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der IHK, sieht darin einen Grund für den anhaltenden Azubimangel.

Laut Bosch wird das allerdings zumindest etwas durch geflüchtete Menschen kompensiert. So haben allein in der Region Stuttgart fast 600 Menschen aus einem sogenannten Hauptfluchtland wie Syrien oder der Ukraine dieses Jahr einen neuen Ausbildungsvertrag abgeschlossen.

Bosch ist sich außerdem sicher, dass in den kommenden Jahren vermehrt junge Menschen aus dem Ausland für den deutschen Arbeitsmarkt angeworben werden können. Sie betont aber auch: "Das kann nicht das Grundproblem lösen".

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Viele wollen studieren

Ein weiterer Punkt sind Konkurrenzangebote durch Hochschulen und Universitäten, so die stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführerin. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, machen immer mehr Menschen das Abitur. Demnach steige auch die Akademikerquote in Deutschland.

Aber nicht jedem liegt ein Studium. So gebe es unter den Bewerberinnen und Bewerbern auf einen Ausbildungsplatz auch immer wieder Studienabbrecher, "die feststellen, dass war jetzt doch nicht die richtige Entscheidung", erzählt Bosch.

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Viele junge Menschen entscheiden sich nach der Schule für ein Studium.

Das beobachtet auch Kevin Neumann von der Gretsch-Unitas GmbH Baubeschläge in Ditzingen (Landkreis Ludwigsburg). Die Firma bildet unter anderem im technischen, technisch gewerblichen und kaufmännischen Bereich, in der IT und in der Logistik aus. "Viele stellen sich nicht die Frage: 'Bin ich geeignet, um zu studieren oder nicht'", so Neumann. Doch obwohl sich auch hier immer wieder Studienabbrecher bewerben, bleiben in diesem Jahr einige Ausbildungsplätze unbesetzt.

Manche haben falsche Vorstellungen

Andrea Bosch von der IHK vermutet weiter, dass viele junge Menschen ein falsches Bild von einer Ausbildung hätten. Viele glaubten, dass man mit einem Uni- oder Hochschulabschluss mehr verdienen würde. Das sei aber nicht immer so, erklärt sie. Gerade technische Berufe könnten bei der Vergütung mit dem mithalten, was Menschen mit einem Akademikerabschluss verdienten.

Mit einer klassischen dualen Ausbildung, gerade im technischen Bereich oder im IT-Sektor beispielsweise, [hat man] auch tolle Karrierechancen.

Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart, glaubt außerdem, dass viele Ausbildungsberufe nicht bekannt seien. Junge Menschen hätten häufig "ein eher allgemeines Bild von einem 'Handwerker' im Kopf". Bei insgesamt 130 Ausbildungsberufen im Handwerk sei aber "für jedes Talent was dabei".

Nicht immer am richtigen Ort

Manchmal liegt es auch am Ort - nämlich dann, wenn in der gewünschten Region keine passenden Stellen mehr frei sind oder man für die Ausbildung nicht extra umziehen möchte. Dieses Problem kennt auch Sandra Zeiher, Ausbildungsleiterin bei der Hainbuch GmbH. Das Unternehmen bildet beispielsweise Mechatroniker und Industriekauffrauen aus. Im Hauptwerk in Marbach am Neckar (Kreis Ludwigsburg) ist es demnach eher kein Problem, neue Azubis zu gewinnen. Im Zweigwerk in Niederstetten (Main-Tauber-Kreis), das eher ländlich gelegen ist, hätten sie dagegen "massiv Probleme, überhaupt Bewerbungen zu erhalten", so Zeiher.

Arbeiten auch ohne Ausbildung möglich

In manchen Berufen braucht man zudem auch nicht zwingend eine abgeschlossene Ausbildung. Die 18-jährige Maja Goral aus Bayern beispielsweise arbeitet aktuell in Stuttgart in der Kurzzeit-Pflege und will keine Ausbildung machen. Sie will lieber Geld verdienen, um sich dann ihren Traum zu erfüllen und nach Spanien auszuwandern.

Man kann auch ohne Ausbildung erfolgreich werden.

Bei der IHK sieht man das anders. Ohne eine Ausbildung oder ein Studium beruflich Karriere zu machen, sei kaum möglich, sagt die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Bosch. "Eine solide Grundlage zu schaffen mit einer Ausbildung ist auf jeden Fall gut und wichtig. Es eröffnet viel mehr Perspektiven und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten in alle Richtungen", so Bosch.

Wie können Betriebe wieder mehr Azubis gewinnen?

Von TikTok-Kampagnen über die Suche nach Azubis im Ausland: Viele Betriebe haben kreative Ideen, um junge Menschen auf sich aufmerksam zu machen. Auch Ausbildungsleiter Kevin Neumann von der Gretsch-Unitas GmbH Baubeschläge sieht die Verantwortung bei den Unternehmen. "Man muss aktiv als Ausbildungsbetrieb an die Sache ran", so Neumann. Die Firma habe beispielsweise eine Bildungspartnerschaft mit einer Realschule abgeschlossen. Dadurch gewännen sie jedes Jahr ein bis zwei Azubis für sich.

Ausbildungsmesse
Auch auf Ausbildungsmessen werden verschiedene Berufe vorgestellt.

Das Unternehmen Mink Bürsten aus Göppingen setzt ebenfalls auf Schulkooperationen, um junge Leute von sich zu begeistern. Laut Personalleiterin Susanne Stani ist es wichtig, am Puls der Zeit zu sein und neue Wege bei der Azubi-Gewinnung zu gehen. Das Unternehmen, das unter anderem Industriemechaniker und -kaufleute ausbildet, hat nach eigenen Angaben keinen Azubimangel.

Auszubildende im Recruiting einsetzen

Auch die Handwerkskammer und die IHK setzen auf eine enge Zusammenarbeit mit den Schulen. Dafür soll unter anderem die Berufsorientierung weiter ausgebaut werden. Die IHK fordert außerdem ein verpflichtendes Wochenpraktikum in einem Ausbildungsberuf in der elften Klasse und setzt auf persönliche Kontakte. Schülerinnen und Schüler sollen die Betriebe durch Praktika kennenlernen oder durch sogenannte Ausbildungsbotschafter einen Einblick in verschiedene Berufe bekommen - also durch Azubis, die den Klassen von ihrer Ausbildung erzählen.

An diesem Programm beteiligt sich auch die Hainbuch GmbH. Laut Ausbildungsleiterin Sandra Zeiher setzt das Unternehmen vermehrt darauf, unter dem Motto "gute Leute kennen gute Leute" die Auszubildenden stärker in den Anwerbeprozess einzubinden. So betreiben die Azubis beispielsweise den Instagram-Account des Unternehmens. Besonders gute Auszubildende bekommen außerdem eine "Wild Card", die sie an eine Person ihrer Wahl weitergeben dürfen. Diese wird dann ohne vorherige Bewerbung zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

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Und auch wenn das aktuelle Ausbildungsjahr schon begonnen hat: Wer gerade noch einen Ausbildungsplatz sucht, hat im September noch einmal die Chance, eine Stelle zu finden. Die Handwerkskammer Region Stuttgart setzt zusammen mit der IHK und der Arbeitsagentur auf Nachvermittlungsaktionen, heißt es in einer Mitteilung der Handwerkskammer. Am 25. September gibt es beispielsweise in den Berufsinformationszentren Stuttgart und Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) die Möglichkeit, noch einen Ausbildungsplatz zu finden.

Andrea Bosch von der IHK weiß, dass auch danach noch einige Plätze freibleiben werden. In der Region gab es deutlich mehr ausgeschriebene Stellen als Bewerberinnen und Bewerber. Junge Menschen hätten deshalb quasi die freie Auswahl. "Insofern kann man nur jeden animieren, der heute noch unentschlossen ist, die Chance zu nutzen", so Bosch.

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