Es sind präparierte und drapierte Leichen, die seit Freitag in den Stuttgarter Königsbau-Passagen zu sehen sind. "Am Puls der Zeit" ist der Titel der "Körperwelten"-Ausstellung. Und so geht es trotz aller plastinierter Leichen in der Schau nicht um den Tod, sondern um das Leben, erklärt Angelina Whalley, Ausstellungskuratorin, Ärztin und Frau von "Körperwelten"-Erfinder Gunther von Hagens. Tote also, die zeigen, wie glückliches, gesundes und langes Leben gelingen kann.
Schau in Stuttgart zeigt, was Digitalisierung mit dem Körper macht
Bei der Ausstellung in Stuttgart hat Angelina Whalley deshalb unsere ständige Reizüberflutung in den Fokus gerückt und deren langfristige Auswirkungen auf unseren Körper. "Wir haben alles Mögliche ersonnen, um unser alltägliches Leben leicht zu machen und zu beschleunigen", erklärt sie. "Aber eines lässt sich nicht beschleunigen: unser Körper." Darum gehe es in dieser Ausstellung. Denn die Beschleunigung macht natürlich etwas mit dem Menschen - er leidet darunter.
Neben zahlreichen Plastinaten, wie die ausgestellten Körper genannt werden, geben Infotafeln und multimediale Installationen Hinweise über die Digitalisierung und was sie mit uns macht. Die Ausstellung, so Whalley, wolle die Besucherinnen und Besucher dazu einladen, achtsamer mit dem eigenen Körper umzugehen und sich auf die wichtigen Dinge im Leben zu besinnen.
Entwürdigung und Voyeurismus: Kirchen kritisieren Ausstellung
Auch 26 Jahre nach der ersten "Körperwelten"-Ausstellung ist die Aufregung wieder groß rund um die Schau - zumindest bei den Kirchen. Sören Schwesig, evangelischer Stadtdekan von Stuttgart, findet diese Form der Zurschaustellung voyeuristisch und ist der Ansicht, dass das in einem Einkaufszentrum nichts zu suchen habe. In so einem Umfeld werde die menschliche Würde mit Füßen getreten.
Auch der katholische Stadtdekan Christian Hermes spricht von Entwürdigung und Depersonalisierung, von niedrigstem Voyeurismus und plumper Geschäftemacherei. Angelina Whalley weist das alles von sich - sie wolle nur eins: Aufklären. Für sie sprechen mehrere Dinge dagegen, dass hier die Menschenwürde verletzt wird. "Der entscheidende Aspekt ist, wie die Menschen sich in der Ausstellung verhalten", sagt sie. Als Kuratorin sei es ihre Aufgabe, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Menschen respektvoll den Präparaten begegnen.
"Körperwelten": Schau baut auf Körperspende-Programm auf
Zudem würden alle in der Ausstellung gezeigten Plastinate aus dem Körperspende-Programm des Instituts für Plastination in Heidelberg stammen, betont Whalley. Hier seien mehr als 20.000 Spender registriert. Menschen, die sich schon zu Lebzeiten dafür entschieden haben, dass ihr Körper nach dem Tod für "Körperwelten"-Ausstellungen zur Verfügung gestellt wird.