Klimawandel, die Auswirkungen des Ukrainekriegs und der schwere Stand heimischer Lebensmittel im Handel - die Herausforderungen für Bäuerinnen und Bauern in Baden-Württemberg sind groß. Immer mehr kleine Betriebe geben auf. Die Landwirtschaft muss sich verändern. Wege dazu will die Landesregierung im "Strategiedialog Landwirtschaft" finden, einem Austausch zwischen Landwirtschaft, Handel und Politik.
Strategiedialog Landwirtschaft in Stuttgart Krieg und Klimawandel: Bauern, Handel und Politik suchen Lösungen
Die bäuerlichen Betriebe im Land sollen gestärkt werden, ohne dabei den Umweltschutz aus den Augen zu verlieren. Lösungen will die Landesregierung mit einem Strategiedialog finden.
"Was wir brauchen, ist ein neuer Gesellschaftsvertrag", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei der Auftaktveranstaltung am Freitag in Stuttgart. "Weil alle betroffen sind und jeder sich ein bisschen bewegen muss, damit wir zu einem breiten Konsens kommen." Der Schulterschluss zwischen Landwirtschaft, Naturschutz, Politik und Handel sei das gemeinsame Ziel, bekräftigte auch der Präsident des Landesbauernverbands, Joachim Rukwied, in einer Pressemitteilung.
Strategiedialog mit Bauern geplant Kretschmann vor Ort: So muss sich BW an Klimawandel anpassen
Beim Besuch eines Biobauernhofs hat sich Ministerpräsident Kretschmann besorgt über die Folgen des Klimawandels gezeigt. Er kündigte einen Strategiedialog nach der Sommerpause an.
Kretschmann: Müssen Versorgungssicherheit stärken
Der Ukrainekrieg habe verdeutlicht, wie wichtig die heimische Lebensmittelproduktion sei, so Rukwied. Auch Kretschmann hob die Bedeutung der Versorgungssicherheit hervor: "Der Angriff auf die Ukraine hat manche Selbstverständlichkeit ins Wanken gebracht. Auch die, dass wir uns um Lebensmittelsicherheit keine Sorgen machen müssen." Man könne es sich nicht mehr leisten, dass ein Landwirt nach dem anderen aufgeben müsse, sagte Kretschmann. Es gebe keine Zeit mehr zu verlieren, mahnte auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne):
"Die Landwirtschaft hat lange Zeit nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient. Das tägliche Brot ist eben nicht selbstverständlich".
Mehr regionale Produkte im Lebensmittelhandel
Derzeit belasten die Landwirtschaftsbetriebe vor allem die stark gestiegenen Preise für Düngemittel, Energie und Futter. Für sie seien daher "stabile Wertschöpfungsketten, auskömmliche Einkommen und verlässliche Rahmenbedingungen" wichtig, sagte Bauernpräsident Rukwied. Dazu müsse auch der Stand regionaler Lebensmittel im Einzelhandel gestärkt werden und diese stärker gekauft werden, forderte er schon im Juni:
Den Handel mit einzubeziehen ist für Marcus Arzt, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AÖL) „unabdingbar“. Nur so könne man für Ernährungssicherheit sorgen und Landwirten eine wirtschaftliche Perspektive bieten. Bei der Auftaktveranstaltung unterzeichnete Ministerpräsident Kretschmann nun gemeinsam mit Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels eine Absichtserklärung zur Stärkung regionaler Erzeugnisse.
Herausforderung durch Klimawandel
![Vertrockneter Mais steht auf einem Feld. Die anhaltende Trockenheit macht den Feldfrüchten schwer zu schaffen. (Foto: picture alliance/dpa | Harald Tittel) Vertrockneter Mais steht auf einem Feld. Die anhaltende Trockenheit macht den Feldfrüchten schwer zu schaffen.](/swraktuell/rheinland-pfalz/trier/1717499478716%2Chetzerath-engelshof-landwirtschaft-duerre-100~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Die Landwirtschaft litt in diesem Jahr unter Trockenheit. Wegen Dürre gab es in Teilen Baden-Württembergs Ernteausfälle bei Raps und Getreide, bundesweit gab es besonders starke Einbußen bei Mais und Rüben. "Wie kaum ein anderer Sektor ist die Landwirtschaft von den negativen Folgen direkt betroffen - und hat zugleich ein gewaltiges Potenzial, durch angepasstes Bewirtschaften das Klima zu schonen und die Arten zu schützen", betonte Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne). Die Landwirtschaft in Deutschland trägt mit sieben Prozent maßgeblich zu den Treibhausgasemissionen bei, so eine Schätzung des Umweltbundesamts.
Letztendlich liege der Klimaschutz auch im Interesse der Landwirte, so AÖL-Vorsitzender Arzt: "Wir möchten Lösungsansätze für eine zukunftsfähige Landwirtschaft sowie für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlage hervorbringen". Nur ein Agrarökosystem, welches die natürlichen Ressourcen schont, könne den Landwirtinnen und Landwirten eine wirtschaftliche Perspektive bieten.
Konkrete Ergebnisse 2024 erwartet
In einzelnen Arbeitsgruppen sollen verschiedene Themenschwerpunkte bearbeitet werden. Dabei gehe es unter anderem auch um biodiversitätsfördernde Produktion und den Aufbau eines Netzwerks für bäuerliche Landwirtschaft. Den Strategiedialog hat die Landesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart, weitere Dialoge dieser Art wurden bereits zu den Themen Automobilwirtschaft, Gesundheit und Wohnen angestoßen.