Tammie Angelov sitzt in einem großen Besprechungszimmer der ambulanten Altenhilfe der Evangelischen Gesellschaft (eva) in Stuttgart. Sie organisiert das Seniorentelefon Dreiklang. Das richtet sich an ältere Menschen, die sich einsam fühlen und denen es schwerfällt, andere Begegnungsmöglichkeiten zu nutzen.
Auf ihrem kleinen Tisch liegt eine Liste mit den Namen der Seniorinnen und Senioren, die sie am Vormittag anrufen muss. Sie telefoniert mit einem älteren Mann, der lange Zeit nicht aus dem Haus gehen konnte. Auf die Frage, was er an Weihnachten mache, antwortet er: "Wissen Sie, wenn der Mensch alleine ist, dann kann man nicht viel machen. Ich gehe vielleicht spazieren, aber sonst nichts." Er leide unter den Erinnerungen an vergangene Weihnachten, die er noch im Kreise der Familie feiern konnte.
Seniorentelefon soll gegen Einsamkeit helfen
Viele ältere Menschen, mit denen Angelov telefoniert, haben ihre Lebenspartner verloren, die Angehörigen leben oft weit weg oder der Kontakt zu ihnen ist abgebrochen. "Das Problem ist die Einsamkeit", erklärt sie, "unsere Aufgabe beim Seniorentelefon ist, den Menschen zuzuhören". Man müsse nicht immer Ratschläge geben, sondern manchmal reiche es einfach, den Menschen ein Ohr zu schenken, damit sie ihre Seele entlasten können.
Krankheiten und bevorstehende Arztbesuche machen den meisten zu schaffen. Viele können das Haus nicht mehr verlassen, manche nicht mal mehr ihr Bett. Gerhard Weingartner ist ehrenamtlicher Mitarbeiter beim Seniorentelefon. Er war einer der Ersten, die sich bei der Initiative engagierten. Das war vor 15 Jahren. Seither ist die Zahl der Menschen, die sich einsam fühlten und angerufen werden möchten, extrem gestiegen.
Sendung am 03.02.2023 Was Einsamkeit mit uns macht
Millionen Menschen in Deutschland fühlen sich einsam. Die soziale Isolation ist für viele nahezu unerträglich. Die Corona-Pandemie hat die Einsamkeit bei vielen Menschen noch weiter verstärkt.
Einsamkeit bei Senioren: Viele fühlen sich allein
Laut der Universität zu Lübeck fühlen sich bundesweit mehr als jede fünfte Seniorin und jeder fünfte Senior ab 75 Jahren häufig oder zumindest hin und wieder einsam. Schaut man auf die Zahlen der Menschen über 40 Jahre, fühlt sich sogar jeder zweite Mensch häufig oder manchmal einsam, so das Ergebnis einer Studie der Techniker Krankenkasse.
Weingartner betreut unter anderen eine Dame, die ins Pflegeheim muss und davor Angst hat. Doch die Seniorin komme nicht mehr alleine zurecht. Er könne sie verstehen, sagt er, denn sie wisse ja nicht, was auf sie dort zukomme.
Seniorentelefon lebt von Ehrenamtlichen
Weingartner ist einer von zehn Ehrenamtlichen, die am Telefon die Sorgen und Nöte, aber auch die Freuden teilen, wenn beispielsweise Enkel heiraten oder Töchter und Söhne erfolgreich im Beruf sind. Auch wenn sie davon meist nur übers Telefon oder Postkarten erfahren. Jede Woche werden 65 ältere Menschen in Stuttgart und Umgebung angerufen, und das regelmäßig, erklärt Tammie Angelov. Und weiter: "Wir könnten doppelt so viele Menschen betreuen." Doch Menschen zu finden, die sich ehrenamtlich beim Seniorentelefon engagieren wollen, sei schwierig.
SWR1 Sonntagmorgen Weihnachten - keiner sollte einsam sein!
Bei Weihnachten denken die meisten Menschen an ein Fest mit der Familie. Manche Menschen aber sind einsam. Doch es gibt Strategien gegen die Einsamkeit.
Das Ehrenamt fülle ihn aus, sagt Weingartner. Er versuche, im Gespräch zu helfen, Trauer zuzulassen, kleine wie große Entscheidungen abzuwägen und nicht selten lachten sie auch gemeinsam. Mit einigen der Seniorinnen und Senioren hätten sich über die Jahre sogar Freundschaften am Telefon entwickelt, erzählt der ehemalige Bundespolizist. All das helfe aus der Einsamkeit, erklärt Tammie Angelov und manchmal hätte die Evangelische Gesellschaft auch ein konkretes Angebot. Zum Beispiel an Weihnachten: "Da gibt es einen Gottesdienst und ein gutes Essen und ein kleines Geschenk. Und da kann man besprechen, dass sie hierherkommen."