In Baden-Württemberg wird es keine Landespflegekammer geben. Das bestätigte das Sozialministerium am Montag. Wie der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) mitteilte, wurde das notwendige Quorum zur Errichtung der Pflegekammer um über 3.000 Stimmen verfehlt.
Der Landtag hatte im vergangenen Mai den Weg für eine Pflegekammer frei gemacht. Die Kammer hätte nach den Plänen der grün-schwarzen Landesregierung die Interessen von Pflegekräften vertreten und den Beruf attraktiver machen sollen. Solch eine Berufskammer gibt es bereits für Mediziner, Apotheker oder Handwerker.
Knappe Abstimmung weckte Unstimmigkeiten bei Ministerium
Für die Gründung der Kammer waren rund 120.000 Pflegefachkräfte im Land kontaktiert worden. Davon hätten mindestens 60 Prozent der Errichtung einer Pflegekammer zustimmen müssen. Dies war der Fall, wenn Pflegekräfte keine Einwendungen gegen ihre Registrierung, und damit gegen die Pläne des Ministeriums, erhoben.
Zunächst hatte der mit der Gründung der Kammer beauftragte Gründungsausschuss mitgeteilt, die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmungsquote sei erreicht. Das Ministerium überprüfte die Zahlen und kam jedoch zum Ergebnis, dass nur rund 64.000 Personen und damit 3.400 zu wenig zugestimmt hatten. Mehr als 53.000 Pflegekräfte hatten Einwendungen gegen die Errichtung der Kammer geltend gemacht. Der Unterschied bei der Auszählung der Stimmen ergab sich laut Sozialministerium durch eine unterschiedliche Bewertung der Einwendungen, die für ungültig erklärt werden müssten.
Der Gründungsausschuss der Landespflegekammer kritisierte die Auslegung der Ergebnisse des Sozialministeriums. Der Ausschuss vertrat die Rechtsauffassung, dass das Zustimmungsquorum von 60 Prozent erreicht wurde. Für die Vorstandsmitglieder zeige die Entscheidung des Ministeriums einmal mehr, dass den Politikern und Politikerinnen der Wille fehle, "die Profession Pflege in politische Prozesse einzubinden", heißt es in einer Pressemitteilung.
Sprachrohr für Berufsstand BW will verpflichtende Mitgliedschaft in Pflegekammer
Eine verpflichtende Kammermitgliedschaft für rund 110.000 Pflegekräfte in Baden-Württemberg - so sieht das ein Gesetzentwurf von Sozialminister Lucha (Grüne) vor. Daran gibt es Kritik.
Gesundheitsminister Lucha bedauert Scheitern der Pflegekammer
"Letztlich scheinen die Gruppen derer, die für oder gegen eine Pflegekammer sind, fast gleich groß zu sein, wenn wir vom Ergebnis des Registrierungsverfahrens ausgehen", sagte Lucha. Dass er selbst sich die Errichtung der Pflegekammer gewünscht hätte, sei kein Geheimnis. Dennoch gelte es jetzt, das Ergebnis zu akzeptieren. Der Minister betonte, dass das Ergebnis jedoch kein Grund sei, in dem Bemühen, um die Stärkung der Pflege nachzulassen.
Laut Lucha hatte sich bereits im Februar abgezeichnet, dass das benötigte Quorum für die Pflegekammer nicht erreicht werde. Der für das Verfahren zuständige Gründungsausschuss war zwischenzeitlich aber davon ausgegangen, dass das Quorum erfüllt sei.
Auch beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) ist man enttäuscht über das Scheitern der Kammer. Die vielen Debatten um den Registrierungsprozess zur Abstimmung hätten den Fokus auf den eigentlichen Zweck einer Heilberufskammer verstellt und die Ziele der Kammer in den Hintergrund gerückt, erklärt die Vorsitzende des DBfK Südwest Andrea Kiefer. Demnach hätte die Landespflegekammer den Pflegekräften eine "starke Stimme gegeben".
ver.di kritisiert Abstimmung - und lobt Lucha
Die Gewerkschaft ver.di in Baden-Württemberg kritisiert das Verfahren zur Abstimmung über die Pflegekammer - sie sei "nicht demokratisch gewesen". Um sich gegen die Pflegekammer auszusprechen, mussten Pflegekräfte demnach aktiv einen begründeten Einwand erheben, Enthaltungen wurden als Ja-Stimme gezählt. Dennoch sei am Ende alles demokratisch abgelaufen - auch dank Sozialminister Lucha. "Sozialminister Manne Lucha hat meinen ganzen Respekt, dass er, obwohl selbst vehementer Befürworter der Kammer, den Gründungsausschusses in seine rechtsstaatlichen Schranken verwiesen hat", sagte ver.di Landesbezirksleiter Martin Gross.
SPD: Scheitern kam "mit Ansage"
Die SPD im Landtag nennt das Ergebnis ein Scheitern "mit Ansage". "Minister Lucha hat die Stimmen der Betriebs- und Personalräte sowie der Mitarbeitervertretungen und Gewerkschaften zum Thema Pflegekammer bewusst ignoriert. Er hat ver.di sogar als eine der Organisationen bezeichnet, die die Wirklichkeit in der Pflege nicht kennen", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Florian Wahl.
Die Grünen im Landtag bedauern ebenfalls das Scheitern der Kammer, wollen sich aber weiter um die Pflege im Land kümmern. "Als Gesellschaft können wir es uns nicht leisten, auf die Expertise der Pflege zu verzichten", sagte die Fraktionsvize und Sprecherin für Soziales, Gesundheit und Pflege, Petra Krebs.