Auswirkungen des "Poolärzte"-Urteils

Patientenschützer fordern: Lucha muss wegen Schließung von Notfallpraxen handeln

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Immer mehr Notfallpraxen im Land schließen. Nun schlagen Patientenschützer Alarm: BW-Gesundheitsminister Lucha müsse die medizinische Versorgung sicherstellen - insbesondere auf dem Land.

In Baden-Württemberg sollen zwei weitere Notfallpraxen dauerhaft geschlossen bleiben. Das hat eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) dem SWR bestätigt. Am Dienstag wurde bereits bekannt, dass die Praxis in Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis) nicht mehr öffnen soll, nun ist auch die Notfallpraxis in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) betroffen. Beide Praxen waren bereits seit Ende Oktober geschlossen. Langfristig soll auch die Notfallpraxis in Backnang (Rems-Murr-Kreis) dicht gemacht werden.

Die Kassenärztliche Vereinigung bezeichnet die Schließung in Schorndorf als unumgänglich. Nur so könne die Regelversorgung durch Fach- und Hausarztpraxen stabilisiert werden. Im Rems-Murr-Kreis seien derzeit 44 Hausarztsitze nicht besetzt. Im Neckar-Odenwald-Kreis seien es 22.

Patientenschützer: "Minister Lucha hat Handlungspflicht"

Die dauerhafte Schließung von immer mehr Notfallpraxen im Land versetzt Patientenschützer in Sorge - sie sehen einen dringenden Handlungsbedarf bei Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). "Es ist seine Aufgabe, das Angebot der Kassenärztlichen Vereinigung zu beaufsichtigen", sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Die Patientinnen und Patienten hätten einen Anspruch darauf, dass es 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche einen Ansprechpartner für die ärztliche Versorgung gebe, so Brysch. Besonders im ländlichen Raum sei die Lage kritisch, hier müssten Menschen künftig lange Anfahrtswege in Kauf nehmen. "Niemand muss sich dann wundern, dass die Notaufnahmen der Krankenhäuser überlaufen", sagte Brysch. Auch sonst nehme die Erreichbarkeit von Arztpraxen immer weiter ab. "Selbst telefonisch geht da kaum noch was."

Weniger verfügbare Ärzte nach "Poolärzte"-Urteil

Die Schließungen hängen mit einem Urteil des Bundessozialgerichts zusammen, wonach sogenannte Poolärztinnen und Poolärzte - zum Beispiel Ruheständler - im Notfalldienst nicht automatisch selbstständig und somit sozialversicherungspflichtig sind. Im vergangenen Oktober hatte es bei der Kassenärztlichen Vereinigung geheißen, dieses Gerichtsurteil sorge dafür, dass das bisherige System der Bereitschaftspraxen infrage gestellt sei. Laut der Ärzteorganisation hatten Poolärzte etwa 40 Prozent der Dienste in den Notfallpraxen freiwillig übernommen.

Nach dem Urteil stünden für den ärztlichen Bereitschaftsdienst weniger Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung, weshalb er im ganzen Land umstrukturiert werden müsse, so die KV. Seit Oktober sind deshalb mehrere Notfallpraxen geschlossen - Buchen und Schorndorf jetzt dauerhaft.

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Langfristig fällt auch Notfallpraxis in Backnang weg

Die Versorgung der Bevölkerung sei trotz der dauerhaften Schließung der Schorndorfer Notfallpraxis gesichert, teilte die KV mit. Es stünden alternative Notfallpraxen zur Verfügung. Im Rems-Murr-Kreis ist geplant, den ärztlichen Bereitschaftsdienst nur noch im Klinikum Winnenden fortzuführen. Dort werde er derzeit ausgeweitet. Bis dahin bleibe im Landkreis zusätzlich die Notfallpraxis in Backnang bestehen. Langfristig fällt aber auch diese Praxis weg.

Kritik an den Plänen im Rems-Murr-Kreis kommt vom Landrat Richard Sigel (parteilos): Es sei gewagt, davon auszugehen, dass eine einzige Notfallpraxis für 433.000 Menschen im Landkreis ausreiche. Der Geschäftsführer der Rems-Murr-Kliniken, André Mertel, befürchtet, dass die langfristige Schließung von zwei Notfallpraxen zu noch mehr Patientinnen und Patienten in der Krankenhaus-Notaufnahme führt. Nach der Schließung der Schorndorfer Notfallpraxis seien die Fallzahlen an der dortigen Klinik um rund 30 Prozent angestiegen.

Patienten sind inzwischen scheinbar egal.

An der Schließung der Praxis in Buchen äußerte der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, Achim Brötel (CDU), scharfe Kritik. Er warf der Kassenärztlichen Vereinigung vor, das Gerichtsurteil zu nutzen, sich des "schon lang als lästig empfundenen ärztlichen Bereitschaftsdiensts noch weiter zu entledigen". "Patienten sind dabei inzwischen scheinbar egal. Da geht es nur noch um eigene Interessen. In meinen Augen ist das schlicht verantwortungslos", kritisierte der Landrat.

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Im Februar und März wurde bereits die dauerhafte Schließung von sechs Notfallpraxen in Geislingen (Kreis Göppingen), Künzelsau (Hohenlohekreis), Möckmühl (Kreis Heilbronn), Waghäusel-Kirrlach (Landkreis Karlsruhe), Bad Säckingen (Kreis Waldshut) und Schopfheim (Kreis Lörrach) bekannt gegeben. Insgesamt gibt es in Baden-Württemberg laut der KV noch 107 Notfallpraxen.

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