Bis zu 10.000 Soldatinnen und Soldaten sowie 250 Flugzeuge aus 25 Nationen werden ab nächster Woche über Deutschland den Luftkampf üben. Auch Baden-Württemberg wird davon betroffen sein. Bei der Übung "Air Defender 23" der Luftstreitkräfte soll vom 12. bis zum 23. Juni laut Bundeswehr unter deutscher Leitung mit mehr als 250 Flugzeugen das sogenannte Artikel-5-Beistandsszenario der NATO nachempfunden werden. Der Fall also, dass ein oder mehrere NATO-Partner angegriffen werden und die anderen Bündnispartner Beistand leisten.
Abschreckung aber keine Aggression
Es ist die größte Luftwaffen-Übung seit Bestehen der NATO: In der Bundespressekonferenz in Berlin gaben darüber am Mittwoch der Luftwaffeninspekteur der deutschen Luftwaffe Ingo Gerhartz und die US-Botschafterin Amy Gutmann gemeinsam Auskunft. "Ich wäre überrascht, wenn irgendein Anführer dieser Welt nicht merken würde, was dies an Geist und Stärke dieser Allianz demonstriert - das schließt Herrn Putin mit ein", so Gutmann.
Abschreckung aber keine Aggression soll von der Übung ausgehen, so Gerhartz. Das Luftmanöver richte sich nicht gegen Russland, die Idee sei bereits im Jahr 2018 - also vor Beginn des russichen Angriffskrieges in der Ukraine - entstanden.
25 Nationen wollen ab kommenden Montag ein Szenario durchspielen und zwar unter deutscher Führung. Diese Führungsrolle sei das, was die Partner in Europa und den USA von Deutschland sehen wollen, so Luftwaffeninspekteur Gerhartz.
Aus Berlin berichtet Kai Küstner:
Bundeswehr: Übung für Bevölkerung ungefährlich
Nach Angaben der Bundeswehr wird die Übung für die Zivilbevölkerung ungefährlich sein. Alle Szenarien, wie beispielsweise der Luftkampf, würden zwar real geflogen. Allerdings hätten die Systeme der Luftstreitkräfte die Möglichkeit, einen Luftkampf digital zu simulieren, wozu beispielsweise auch der Abschuss von Lenkflugkörpern zähle. Davon werde während der gesamten Übung Gebrauch gemacht.
Flugkorridor geht quer durch Baden-Württemberg
Ein Teil der Übung findet laut Bundeswehr in einem Korridor statt, der quer durch Baden-Württemberg von Lechfeld in Bayern kommend bis ins südliche Saarland reicht. Der Korridor sei 37 Kilometer breit und führe nördlich an Stuttgart vorbei. Genauere Angaben machte die Bundeswehr nicht.
Da die Mindestflughöhe dort aber 3.350 Meter betrage, sei nur mit leicht erhöhtem Fluglärmaufkommen zu rechnen. Überschallflüge seien lediglich über der See vorgesehen, so dass in Baden-Württemberg nicht mit Überschallknallen zu rechnen ist. Flugplätze im Land werden demnach durch die Übungsteilnehmer nicht genutzt.
Die Übung findet nach Angaben der Bundeswehr über Baden-Württemberg vom 12. bis zum 22. Juni werktags zwischen 13 und 17 Uhr statt. Nachts und am Wochenende soll es dort demnach keine militärischen Flüge geben.
Luftwaffe erwartet nur geringe Manöver-Auswirkungen auf Flugverkehr
Laut Bundeswehr sind nur geringe Auswirkungen des Manövers auf den Flugverkehr zu erwarten. "Das wird sich maximal im Minutenbereich bewegen", versicherte der Inspekteur der Deutschen Luftwaffe, Ingo Gerhartz, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Berlin. Auch der Direktor der US-Nationalgarde, Michael Loh, rechnet nicht mit größeren Störungen des zivilen Flugverkehrs. "Wir erwarten minimale Unterbrechungen".
Die Fluglotsengewerkschaft GdF hatte zuvor eine andere Prognose aufgestellt. "Die Militärübung "Air Defender" wird natürlich massive Auswirkungen auf den Ablauf der zivilen Luftfahrt haben", hatte ihr Vorsitzender Matthias Maas gesagt. Er verwies damals auf ein von der europäischen Flugsicherungsorganisation Eurocontrol errechnetes Szenario, das bis zu 50.000 Verspätungsminuten je Manövertag ausweist.
Laut Deutscher Flugsicherung (DFS) ist dieses Szenario mittlerweile überholt. "Diese hundert Flüge tauchen in den letzten Simulationen nicht mehr auf", sagte ein Sprecher. Die Gewerkschaft verwies außerdem auf zahlreiche zu erwartende Folgeprobleme, wenn Flugzeuge wegen des Nachtflugverbots ihre Ziele nicht erreichen und dann am nächsten Tag nicht pünktlich zur Verfügung stehen würden. Dem DFS-Sprecher zufolge ergaben die aktuellen Berechnungen aber auch hier keine zu erwartenden Annullierungen. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass in der Praxis am Ende doch Streichungen nötig werden könnten.
Flughafen Stuttgart ändert Nachtflug-Regelung
Nach Angaben des Flughafens Stuttgart dürfen Passagierflugzeuge, die wegen übungsbedingter Verspätungen nicht mehr vor dem regulären Betriebsende um 23 Uhr starten beziehungsweise um 23:30 Uhr landen können, dies bis 2 Uhr tun. Die Regelung gelte aber nur im Übungszeitraum und auch nur für planmäßige Flüge von und nach Stuttgart. Für Ausweichflüge von anderen Flughäfen gelte die Regelung dagegen nicht.
Auch an den Flughäfen Friedrichshafen und Karlsruhe/Baden-Baden könnten nach Angaben der Betreiber Ausnahmen von der Nachtflugbeschränkung notwendig werden.
Flugreisende sollten sich nach Angaben der Flughäfen vor Antritt der Reise über den aktuellen Status ihres Fluges informieren und auf Mitteilungen der Airline beziehungsweise des Reiseveranstalters achten.
Auch Soldaten aus Baden-Württemberg beteiligt
Nach Angaben Bundeswehr ist die Übung unter anderem notwendig, um die Kooperation der teilnehmenden Nationen zu optimieren und auszuweiten. Zudem wolle man Stärke im Bündnis zeigen.
Aus Baden-Württemberg machen laut Bundeswehr auch Soldatinnen und Soldaten vom Hubschrauberregiment 64 Laupheim (Kreis Biberach) mit. Außerdem ist der Standort Laupheim mit vier Hubschraubern des Typs 145M für Spezialkräfte und zwei schweren Transporthubschraubern in das Manöver eingebunden. Während der Großübung werden die sechs Laupheimer Hubschrauber am Fliegerhorst Lechfeld in Bayern stationiert. Für das Laupheimer Hubschraubergeschwader geht es bei der Übung zum Beispiel um die Rettung von Soldaten hinter feindlichen Linien.