Im TV-Duell zur Präsidentschaftswahl 2024 in den USA standen sich Kamala Harris für die Demokraten und Donald Trump für die Republikaner zum ersten Mal gegenüber. Manfred Berg ordnet im Interview mit SWR Aktuell das Duell ein, das in Deutschland in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch übertragen wurde.
Das komplette Interview mit SWR-Redakteur Patrick Figaj finden Sie hier:
SWR Aktuell: Wer hatte im TV-Duell denn aus Ihrer Sicht die Nase vorn?
Manfred Berg: Die Demokraten können insgesamt zufrieden sein. Harris hat eine gute Figur gemacht und sich als mögliche Präsidentin präsentiert. Sie konnte Donald Trump ab und zu aus der Reserve locken. Trump hat bei solchen Debatten zwar mehr Erfahrung, aber wir haben wieder einmal erlebt, dass er nur eine geringe Impulskontrolle hat und, dass es ihm ganz offensichtlich schwerfällt. Es ist auch sicher Teil seiner rhetorischen Strategien, überhaupt bei irgendeiner Sachfrage oder irgendeinem Argument zu bleiben. Er ist in vieler Hinsicht ein Meister des 'Whataboutism' (Anmerkung der Redaktion: Damit ist eine ablenkende Gesprächstaktik gemeint, wenn jemand nicht direkt auf beispielsweise eine kritische Frage antwortet, sondern auf ein anderes Problem hinweist).
SWR Aktuell: Im TV-Duell ging es vor allem um die Themen Wirtschaft, Abtreibung, den Israel-Hamas-Krieg, aber auch um Trump selbst und den Sturm auf das Kapitol. Wer trifft die Stimmung im Land aktuell besser?
Berg: Da muss man differenzieren. Bei der Abtreibungsfrage, die für die Demokraten sehr wichtig ist, hat Harris punkten können. Sie konnte deutlich machen, dass Trumps Position opportunistisch und widersprüchlich ist. Auf der anderen Seite sehen viele Amerikaner die wirtschaftliche Situation der USA als sehr negativ an und machen dafür die Biden-Administration verantwortlich. In diese Wunde hat natürlich Trump seinen Finger gelegt. Das ist sicherlich ein Plus für ihn und die Republikaner.
SWR Aktuell: Es geht vor allem auch darum, die unentschlossenen Wählerinnen und Wähler zu überzeugen. Wer kann da punkten aus Ihrer Sicht? Ist es Kamala Harris bei dem TV-Duell gelungen?
Berg: Das ist schwer zu sagen, denn wir reden hier über eine vergleichsweise geringe Zahl von Wählern in den sogenannten Swing States. Das sind vielleicht 100.000 oder 150.000 Wähler, die am Ende die Wahl entscheiden könnten. Harris muss vor allem bei der weißen Bevölkerung der unteren Mittelklasse und auch bei Männern etwas zulegen. Ihr ist es vor allem gelungen, bei Frauen zu punkten, die sehr stark auf das Thema Abtreibung schauen - auch als ein symbolisches Thema für Frauenrechte.
SWR Aktuell: Nach dem Duell zwischen Biden und Trump wurde dieses Duell auf den ersten Blick inhaltlich stärker ausgefochten. Wie geht es Ihnen damit als Experte? Sind Sie erleichtert, dass es wieder mehr in die Debatte ging?
Berg: Es ist sicher ein Fortschritt gegenüber Biden, der nicht mehr debattenfähig war. Wenn ich in die 80er, 90er und in die 2000er-Jahre zurückschaue, dann erscheinen mir die damaligen Debatten im Grunde genommen, heute von philosophischer Qualität gewesen zu sein. Donald Trump hat das intellektuelle und diskursive Niveau der amerikanischen Politik auf einen Tiefstand gebracht. Ich persönlich habe nicht viel aus diesen Debatten gelernt. Auch nicht darüber, wo die Kandidaten wirklich stehen. Trump hat immer wieder seine alte Botschaft, dass die USA im Niedergang sich befänden und, dass er der Retter und Rächer eines geknechteten und betrogenen Volkes sei, vorgebracht. Das hören wir inzwischen seit zehn Jahren.
SWR Aktuell: Neu hinzugekommen ist das Gewicht von sogenannten Celebrities - wie zum Beispiel die US-amerikanische Pop- und Country-Sängerin Taylor Swift, die Kamala Harris unterstützt. Welchen Effekt könnte das haben?
Berg: Sie hat Millionen von Fans, darunter viele junge Frauen. Das kann - gerade in einer so knappen Wahl - einen gewissen Einfluss haben. Auf der anderen Seite sollte man den Einfluss auch nicht überbewerten. Es ist immer so gewesen, dass Hollywood und die Unterhaltungsindustrie eher liberal gestimmt waren und gestimmt sind - ohne dass dies nun immer dazu geführt hätte, dass die von ihnen bevorzugten Kandidaten auch gewonnen hätten.
SWR Aktuell: Was machen die Vizekandidaten? Könnte das der entscheidende Faktor sein, wer die Präsidentschaft am Ende für sich in den Vereinigten Staaten von Amerika entscheidet?
Berg: Harris hat mit Tim Walz eine gute Wahl getroffen. Er ist der Kandidat, der das demografische Segment abdeckt, das sie selbst nicht gut erreichen kann - vor allem weiße Männer der unteren Mittelklasse, der sogenannten 'Working Class' in den Staaten des alten 'Rust Belts' (Anmerkung der Redaktion: Ins Deutsche übersetzt bedeutet das 'Rostgürtel'. Gemeint ist die älteste und größte Industrieregion der USA). Das war sicher eine gute Entscheidung. Welche Rolle die Vizepräsidenten spielen, das ist sehr unterschiedlich in der amerikanischen Geschichte. Ich glaube, dass es am Ende eine Wahl zwischen Harris und Trump ist, denn man muss sich ja darüber im Klaren sein: Donald Trump hat die politische Ära seit etwa zehn Jahren in den USA dominiert. Es geht um ihn, und die Amerikaner werden sich entscheiden müssen, ob sie das extreme Risiko einer zweiten Trump-Präsidentschaft noch einmal eingehen wollen.