Ein Junge kauert sich in der Ecke seines Zimmers am Fußboden sitzend zusammen. Bei dem Foto handelt es sich um ein Sujetbild.

Fachkräftemangel, Corona-Folgen und mehr unbegleitete minderjährige Ausländer

Immer mehr Probleme mit Kindeswohlgefährdung in der Rhein-Neckar-Region

Stand
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Christian Scharff
Christian Scharff

Jugendämter in der Rhein-Neckar-Region haben Probleme, Kinder und Jugendliche unterzubringen, die durch Vernachlässigung oder Gewalt gefährdet sind. Das ergab eine SWR-Umfrage.

Die Meldungen über Kindeswohlgefährdungen sind im Jahr 2022 im Rhein-Neckar-Kreis und Heidelberg gestiegen, in Mannheim auf hohem Niveau stabil. Der Neckar-Odenwald-Kreis hat wegen einer Verwaltungsumstellung für das Jahr keine aktuellen Zahlen. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sind Opfer von psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt oder von Vernachlässigung.

Wie kommen die steigenden Zahlen zustande? Drei wesentliche Faktoren sind: Mehr Aufmerksamkeit in den Kindertagesstätten für auffällige oder vernachlässigte Kinder, Corona-Folgen und eine steigende Zahl von unbegleiteten minderjährigen Ausländern (UMA).

Drei minderjährige Flüchtlinge von hinten in einem Flur in einer Unterbringung
Drei minderjährige Flüchtlinge in einem Flur in einer Unterbringung

Das Hauptproblem bei der Bewältigung dieser Fälle: Es wird immer schwieriger, in stationären Jugendhilfe-Einrichtungen Plätze für die Opfer zu finden, melden die Ämter auf SWR-Anfrage übereinstimmend.

Mannheim

Die  Zahl der Meldungen über Kindeswohlgefährdungen verharrt auf hohem Niveau, 1043 Fälle waren es 2022. Die Hilfen zur Erziehung zuhause nehmen zu, es wird also immer mehr ambulant eingegriffen. Im Jahr 2022 erreichten diese Hilfen zur Erziehung einen Höchststand mit 2382. Die stationären Hilfen nehmen dagegen ab.

Ein Mann hält ein Kind fest am Arm (gestellte Szene).
Ein Mann hält ein Kind fest am Arm (gestellte Szene).

Das ist auch die Zielsetzung des Ambulanten Sozialen Dienstes: Die Familien sollen frühzeitig ambulante Hilfen zur Erziehung erhalten, um stationäre Hilfen zu vermeiden. Ein großes Problem auch in Mannheim: Der Mangel an Fachkräften für die ambulanten und stationären Hilfsangebote.

Rhein-Neckar-Kreis

Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen lag 2022 nach einer leichten Seigerung im Vergleich zum Vorjahr bei 611, die Zahl der Hilfen zur Erziehung ist recht deutlich auf 4054 gestiegen.

Angespannt sei die Situation vor allem dadurch, schreibt das Landratsamt, dass jede Gefährdungsmeldung und jede Suche nach Unterbringung für Kinder und Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten mit großem personellen Mehraufwand verbunden sei.

"Mehr schwierige Gefährdungslagen"

Grund dafür seien die Zunahme von schwierigen Gefährdungslagen sowie psychischen Auffälligkeiten und anderseits der sich zuspitzende Fachkräftemangel in den stationären Einrichtungen der Jugendhilfe. Dieser habe bereits zu Gruppenschließungen oder vorübergehenden Stilllegungen geführt.

"Ganze Teams suchen telefonisch mehrere Stunden nach freien Plätzen teilweise sogar bundesweit. Auch stand schon im Raum, ob Kinder durch die Mitarbeitenden selbst über das Wochenende versorgt werden müssen."

Heidelberg

Die Verwaltung meldet auf SWR-Anfrage 185 Kindeswohlgefährdungen für das Jahr 2022. Das ist nach dem Höchststand im Corona-Jahr 2020 wieder ein Anstieg. Für das laufende Jahr zeichne sich eine weitere Zunahme ab, so die Stadt. Auch Heidelberg meldet, dass es zu wenig Plätze in den stationären Einrichtungen gibt. In Heidelberg wird das Problem der unbegleiteten minderjährigen Ausländer an Zahlen deutlich: Deren Zahl zum Beispiel ist in Heidelberg von 28 im Jahr 2021 auf 78 im Jahr 2022 gestiegen.

Ein Schild mit der Aufschrift Jugendamt

Neckar-Odenwald-Kreis

Im Neckar-Odenwald-Kreis liegen aktuell noch keine Daten für 2022 vor. Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen lag in den vergangenen Jahren bei rund 200 pro Jahr. Die Kreisverwaltung beklagt in der Antwort auf die SWR-Anfrage vor allem immer mehr schwierige Fälle von Kindeswohlgefährdung. In Einzelfällen entstehe auch öffentlicher Druck auf die Fachkräfte.

Im ländlichen Raum sei es schwer, geeignetes Personal zu finden und zu halten. Das System sei auch durch die landesweit enorme Anzahl an unbegleiteten minderjährigen Ausländern überlastet. Es fehlten schlicht Plätze in Einrichtungen, die teilweise durch den Fachkräftemangel eher Kapazitäten abbauten als aufbauten. Es dauere manchmal bis zu einem halben Jahr oder länger, bis ein Platz in einer Einrichtung gefunden sei.

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