Wissenschaftler rätseln darüber schon lange: Was werden Landwirte in 50 oder 100 Jahren noch wo anbauen können? Und wie können wir verhindern, dass Obst und Gemüse einmal quer um den Erdball geflogen werden, bevor das bei uns auf dem Teller landet? Drei junge Männer aus Walldürn (Neckar-Odenwald-Kreis) könnten dafür jetzt eine Lösung gefunden haben.
Begehbarer Container: Lösung für die Landwirtschaft?
Die Lösung, die die Welt der Landwirtschaft verändern soll, besteht aus einem unscheinbaren, begehbaren Container. Zumindest wenn es nach Philipp Eggert, Martin Kimmel und Roland Grimm geht. Das Trio arbeitet als Metallbaumeister, Maschinenbauingenieur und Wirtschaftsingenieur bei einer Stahlbaufirma in Walldürn. Ihr Arbeitsalltag besteht zum Beispiel im Erstellen oder dem Bau von riesigen Sporthallen, Skisprungschanzen und eines Terminals am Frankfurter Flughafen.
Was die drei Männer außerdem gemeinsam haben: Sie lieben Erdbeerkuchen. Am besten zu Weihnachten. Aber den gibt es nur mit schlechtem ökologischen Gewissen, weil die Erdbeeren von sonst woher eingeflogen werden müssen.
Indoor-Farming aus Walldürn: Mit Erdbeeren fing alles an
"Wir haben uns im Internet eine winzige Anzuchtkiste bestellt, um Erdbeeren im Dezember anzubauen, einfach aus Spaß", erinnert sich Roland Grimm. Weil das funktioniert und die Erdbeeren bestens gedeihen, kommen die Drei auf die Idee, das Ganze auszubauen. Das Ziel: Pflanzenzucht - aber ohne Erde, mit wenig Wasser und mit möglichst vielen Pflanzen auf möglichst wenig Raum. Und alles komplett unabhängig von Klima, Wetter und Jahreszeiten.
Pflanzen-Anbau ohne Erde: Samen in Steinwolle
In dem Container stehen Regale aus Stahl, in denen Kräuter, Spinat, Erdbeeren und Tomaten wachsen, außerdem ein wahrer Basilikumdschungel, gigantische Mengen Dill sowie kräftige satt-grüne Salate. Die Samen werden zuerst in ein winziges Stück Steinwolle gesetzt, das wiederum kommt in ein Körbchen, und das Körbchen ins Regal. Im Regal selbst fließt immer wieder Wasser, dem natürliche Nährstoffe zugesetzt werden. "Ob die Nährstoffe über die Erde aufgenommen werden oder über das Wasser, das ist der Pflanze egal", sagt Martin Kimmel.
Strom durch Solarzellen auf Dach des Containers denkbar
Weil im Container auf den Einsatz von Erde verzichtet wird, ist auch die Bewässerung um etwa 80 Prozent effizienter als in der herkömmlichen Landwirtschaft, sagen die drei Entwickler. Das Wasser wird nur gebraucht, um die Wurzeln feucht zu halten. Und: Das Wasser fließt in einem Kreislauf, es wird also immer wieder neu verwertet. Auch der Strombedarf ist gering, er könnte auch über Solarmodule auf dem Containerdach gedeckt werden. "Umweltschutz mit Hirn" nennen die jungen Indoor-Farmer ihre Idee: "Denn am Ende nutzt aller Umweltschutz nichts, wenn er sich nicht auch finanziell für den Anbauer rechnet."
Erdbeeren und Tomaten auch im Winter
Pflanzcontainer dieser Art könnten für Landwirte völlig neue Möglichkeiten eröffnen, da sind sich die drei Unternehmer sicher. Liegen Felder im Winter brach, könnten Anbauer trotzdem Lebensmittel anbauen, völlig unabhängig von den jahreszeitlichen Wetterbedingungen. Und die Endverbraucher könnten ohne schlechtes Gewissen auch im Winter Tomaten oder Erdbeeren, Kräuter und Salate genießen, die quasi vor der Haustür produziert wurden.
Viele Möglichkeiten für Einsatz von Pflanzcontainern
Die Einsatzmöglichkeiten für kleine oder größere Pflanzcontainer sind nach Ansicht der drei Unternehmer nahezu unendlich. So könnten in Großstädten Container auf den Dächern großer Wohnblocks stehen. Oder: "Ein Unternehmen könnte sich einen Container vors Gebäude stellen, als Lebensmittelquelle für die Kantine." Schulküchen könnten so eigene Zutaten anbauen.
Pflanzcontainer soll demnächst vor Schule in Buchen stehen
An einer Schule im benachbarten Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis) soll demnächst ein Container aufgestellt werden, als eine Art Real-Labor, in dem die Kinder konkret lernen sollen, was Pflanzen zum Wachsen brauchen, wie sie sich entwickeln, wie die Landwirtschaft der Zukunft aussehen könnte.
Tagsüber Turnhallen entwerfen, nach Feierabend kleine Pflanzenkunde
Auch die drei Stahlbauer mussten in den vergangenen Jahren jede Menge lernen: Tagsüber Flughäfen oder Turnhallen entwerfen und bauen, nach Feierabend dann zarte Pflänzchen versorgen: Chlorophyll, Photosynthese, Lichtspektrum, Wachstumsprozesse, Keimung, Wurzelbildung - das alles waren Sachen, von denen sie vor zwei Jahren noch keine Ahnung hatten. "Wir sind in diesen Prozess ziemlich blind reingegangen, aber so entstehen ja manchmal die besten Projekte: einfach mal machen, und dann funktioniert es plötzlich."