Anfang August wurde die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Die LINKE) bei der Einreise in die Türkei für mehrere Stunden festgenommen. Laut dem Auswärtigen Amt standen die Deutsche Botschaft in Ankara sowie das Konsulat in Antalya mit der Abgeordneten in engstem Kontakt.
Am Mittwoch sagte Akbulut dem SWR, sie halte weiter an ihrem Plan fest, im Oktober erneut in die Türkei zu reisen, zusammen mit einer Delegation der deutsch-türkischen-Parlamentariergruppe.
Im Rahmen dieser Reise nach Ankara gehe es unter anderem darum, dass sich die Delegation für die Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen einsetze. Man könne, so Akbulut im SWR, "das Land ja nicht einfach Erdogan überlassen, indem man einfach nicht dort hingeht". Es gehe stattdessen darum, die Oppositionskräfte in der Türkei zu unterstützen, und dass die Presse- und Meinungsfreiheit und die Rechtsstaatlichkeit gewahrt werde.
Nach wenigen Stunden wurde Gökay Akbulut wieder freigelassen
Die Festnahme Akbuluts hatte sich am 3. August in Antalya ereignet. Das wurde allerdings erst am Samstag bekannt. Akbulut war nach wenigen Stunden wieder auf freiem Fuß, wie sie im SWR-Interview erzählt.
Nach Festnahme in der Türkei Gökay Akbulut im Interview: "Das war ein Einschüchterungsversuch"
Die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Linke) wurde Anfang August kurzzeitig in der Türkei festgenommen. Wie sie die Situation erlebte, erzählt sie im SWR-Interview.
Akbulut bedankt sich für den Einsatz des Auswärtigen Amtes
Gökay Akbulut äußerte sich im Kurznachrichtendienst X (früher Twitter) am Samstagabend und bedankte sich beim Auswärtigen Amt für den schnellen Einsatz. Sie habe in der Türkei am Flughafen erfahren, dass es einen Haftbefehl gegen sie gebe. Gegenüber dem SWR sagte sie, der Haftbefehl sei von der Staatsanwaltschaft in Kayseri eingereicht worden. Sie wurde am Flughafen abgeführt. Der Vorwurf: Unterstützung von Terror, Propaganda, Social Media Aktivitäten et cetera. Das sei "leider mittlerweile Standardprogramm für alle Oppositionellen."
Akbulut selbst sagte gegenüber dem SWR, dass sie eine sehr gute Unterstützung durch das Auswärtige Amt und durch die Deutsche Botschaft bekommen habe. Es seien auf hochrangiger Ebene Gespräche geführt worden.
Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat sich die Bundesregierung nach Unterrichtung über die Festnahme "hochrangig, mit Nachdruck und auf verschiedenen Kanälen eingesetzt" und die unverzügliche Freilassung erwirkt.
Mannheims Oberbürgermeister nahm sofort Kontakt auf
Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) nahm sobald als möglich Kontakt mit der Bundestagsabgeordneten auf. Specht habe sich vergewissern wollen, dass Gökay Akbulut wohlauf sei, informierte sein Sprecher.
Politikerin äußerte sich mehrfach kritisch über türkische Regierung
Die Linken-Politikerin Akbulut sitzt seit 2017 für den Wahlkreis Mannheim im Bundestag. Die 40-Jährige studierte in Heidelberg unter anderem Soziologie und Politikwissenschaften. Ein Schwerpunkt ihrer Parlamentsarbeit sind Einwanderungsthemen und Familienpolitik. Sie ist ordentliches Mitglied im Familienausschuss des Bundestages.
Akbulut wurde in der Türkei geboren. Sie hat nach eigenen Angaben einen kurdisch-alevitischen Hintergrund und sich wiederholt kritisch über die türkische Regierung geäußert. Sie hatte sich in der Vergangenheit unter anderem dafür eingesetzt, dass das Betätigungsverbot gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland aufgehoben wird. Eine entsprechende Anfrage reichte sie etwa im Mai 2022 in einer Fragestunde des Bundestags ein. Die PKK ist in der Türkei, aber auch in der EU, als Terrororganisation eingestuft.
Auswärtiges Amt: Warnung vor willkürlichen Festnahmen
Das Auswärtige Amt warnt in seinen Reisehinweisen zur Türkei, dass es weiterhin Fälle gebe, in denen Deutsche willkürlich festgenommen würden. "Den Strafverfolgungsmaßnahmen liegt in vielen Fällen der Verdacht der Propaganda für, die Unterstützung von oder die Mitgliedschaft in einer als terroristisch eingestuften Organisation zu Grunde", schreibt das Ministerium.
Der weit gefasste Terrorismusbegriff in der Türkei ist aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte rechtsstaatswidrig. Deshalb können "zum Beispiel bloße Äußerungen, das Teilen, Kommentieren oder 'Liken' von Beiträgen in sozialen Medien, die in Deutschland vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt sind, für eine Strafverfolgung ausreichen", so das Ministerium weiter.
LINKE-Fraktionschef entsetzt
Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Mannheimer Gemeinderat reagierte mit Entsetzen auf die Verhaftung von Gökay Akbulut. Die tükischstämmige Politikerin sei im Vorfeld schon häufig bedroht worden, sagte Dennis Ulas auf Anfrage des SWR. Jetzt sei eine neue Eskalationsstufe erreicht, die zeige, wie mit oppositionellen Kräften in der Türkei umgegangen werde.
Deutscher Journalistenverband (DJV) warnt vor Türkei-Reisen
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat Medienschaffenden von beruflichen wie privaten Reisen in die Türkei abgeraten. Die vorübergehende Festnahme der Bundestagsabgeordneten Akbulut bei ihrer Einreise in die Türkei Anfang August zeige "ein weiteres Mal, dass die Erdogan-Autokratie ihre Kritiker als militante Staatsfeinde betrachtet und verfolgt, wenn sie die Möglichkeit dazu hat", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall laut einer Mitteilung am Montag. Wenn selbst die parlamentarische Immunität einer Abgeordneten nicht vor einer Festnahme schütze, sei die Gefahr für Journalistinnen und Journalisten umso größer.