Die Diskussion um eine mögliche neue Parteigründung von Sahra Wagenknecht (Linkspartei) und den Konsequenzen daraus wird auch im Landesverband in Baden-Württemberg geführt. Die Landesvorsitzende der Linken, Sahra Mirow, spricht von einem "emotionalen und regen Austausch" unter den Mitgliedern. Mirow betonte im SWR, die Parteilinie des Landesverbandes sei klar: "Wir unterstützen den Beschluss des Bundesvorstands". Im Beschluss vom Juni heißt es: "Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht" und all diejenigen, die sich an Überlegungen zur Gründung einer neuen Partei beteiligten, sollten ihr "Bundestagsmandat zurückgeben". Das gelte auch für Wagenknecht, so Mirow.
Riexinger sieht keine Spaltungstendenzen des Landesverbandes
Auch Bernd Riexinger, Bundestagsabgeordneter der Linken aus Stuttgart und langjähriger Bundesvorsitzender der Partei, sieht keinerlei Spaltungstendenzen im Landesverband. "Der ist stabil. Eine übergroße Mehrheit ist für den Kurs des Parteivorstandes in Berlin", sagte Riexinger dem SWR. Er hält es zwar für möglich, dass es einzelne Mitglieder gibt, die "Einzelteile" von Wagenknechts Politik unterstützten, nicht aber deren Überlegungen, möglicherweise eine neue Partei zu gründen. Viele wüssten eben, dass "gespaltene Linke" nicht erfolgreich seien.
Laut Mirow hat es im Landesverband in den vergangenen Monaten Austritte gegeben, allerdings aus Protest gegen Wagenknecht. Die Situation habe sich seit dem Beschluss des Bundesvorstands aber wieder entspannt. Es gebe auch wieder mehr Eintritte. Konkrete Zahlen gibt es dazu demnach nicht. Die Linke hat in Baden-Württemberg etwa 3.700 Mitglieder und ist damit laut der Bundespartei ein mittelgroßer Landesverband.
Politikexperte: Wagenknecht-Partei würde alle Landesverbände schwächen
Der Politikwissenschaftler Marc Debus von der Universität Mannheim ist sich sicher, dass es auch in Baden-Württemberg Anhänger der inhaltlichen Ausrichtung gibt, für die Wagenknecht steht. Strömungen in der Linken seien ja auch offen für deren Kurs, etwa in der Außen- und Europapolitik, sagte Debus dem SWR. In der Debatte über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kritisiert Wagenknecht immer wieder deutlich die Führung in Kiew und gibt dem Westen, insbesondere den USA, eine "Mitverantwortung" an der Eskalation. In Gesellschaftsfragen wirft sie der progressiven Linken vor, für Interessen von "immer skurrileren Minderheiten" zu kämpfen statt für die "normalen Leute".
Man müsse damit rechnen, dass einige Mitglieder wechseln würden, sagte Debus, also weg von der Linkspartei hin zur "neuen" Partei. Der Landesverband würde dadurch wie andere auch zumindest geschwächt und das, wo die Linke in Baden-Württemberg ohnehin ein "schwieriges Standing" habe. Auch, weil sie nicht im Landtag vertreten sei, so der Politikwissenschaftler.
Wagenknecht als Zugpferd im Gegensatz zu Frauke Petry bei der AfD
Debus zieht auch einen Vergleich mit der Entwicklung bei der AfD. Dort hatten die beiden ehemaligen Vorsitzenden Frauke Petry und Bernd Lucke die AfD verlassen und jeweils eine eigene Partei gegründet. Eine Spaltung der Bundes-AfD hatte das aber nicht zur Folge. Bei der Linken hält Debus das für durchaus möglich. Wagenknecht sei als eines der bundesweit prominentesten Gesichter der Linken enorm populär. Sie wäre daher seiner Einschätzung nach anders als Petry oder Lucke ein Zugpferd für eine neue Partei. Außerdem sei die Linke inhaltlich zerstritten und nicht erfolgreich, besonders seit der letzten Bundestagswahl. Die AfD dagegen werde durch die Themen Migration und Integration zusammengehalten und sie habe dadurch Erfolg.
Riexinger gegen Parteiausschluss von Wagenknecht
Bis Jahresende will Wagenknecht laut eigener Aussage entscheiden, ob sie eine eigene Partei gründen will oder nicht. Für Bernd Riexinger ein "Unding", dass sie das so lange in der Schwebe halte und ihrer eigenen Partei schade. Einen Parteiausschluss von Wagenknecht hält er anders als noch vor Monaten inzwischen aber nicht mehr für sinnvoll. Der Grund: Ein Ausschlussverfahren würde zu lange dauern. Der Parteivorstand müsse stattdessen eine klare politische Grenze zu Wagenknecht ziehen und deutlich machen, dass es keine Zusammenarbeit gebe, so Riexinger. Die 34 Kreisverbände der Linken im Land wollten "nach vorne schauen auf die Europa- und Kommunalwahlen im kommenden Jahr", sagte Sahra Mirow, die selbst aus dem Kreisverband in Heidelberg stammt. Der Blick nach vorne ziehe sich wie ein roter Faden durch den Landesverband.