Die Bundesregierung muss aus Sicht des Landkreistags den Druck auf Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld deutlich erhöhen, damit sie reguläre Arbeit aufnehmen. Bei Schwarzarbeit solle das Bürgergeld komplett gestrichen werden, statt es - wie bislang vom Bund geplant - nur zu kürzen, forderte der Präsident des baden-württembergischen Landkreistags, Joachim Walter (CDU). Dabei bezieht er ukrainische Flüchtlinge, die Bürgergeld erhalten, ausdrücklich mit ein.
"Wenn man von einem Land aufgenommen wird aus einer Kriegssituation, dann sollte man sich berappeln und so weit man kann zu seinem Lebensunterhalt beitragen und arbeiten", sagte der Tübinger Landrat der Deutschen Presse-Agentur. "Da sollte man auch so fair sein und dem Aufnahmeland etwas zurückgeben. Das dürfen wir auch einfordern." Doch die Beschäftigungsquoten bei Menschen aus der Ukraine seien "jämmerlich". "Im Kreis Tübingen sprechen wir von rund 10 Prozent, in Holland sind es mehr als 50 Prozent."
Bund will schärfere Regeln für Bezieher von Bürgergeld
Die Bundesregierung will mit schärferen Regeln mehr Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld zur Aufnahme einer Arbeit bewegen. So soll künftig ein längerer Weg zur Arbeit zumutbar sein. Außerdem soll Menschen, die eine zumutbare Arbeit ablehnen, die Leistungen stärker gekürzt werden - ebenso wie denen, die schwarzarbeiten. Diese und weitere Maßnahmen sind Bestandteil der sogenannten Wachstumsinitiative der Ampel-Regierung, die vor allem dazu dienen soll, die lahmende Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.
Das Bundesverfassungsgericht setzt für eine vollständige Streichung des Bürgergeldes enge Grenzen. Der Wegfall sei "auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht vereinbar", heißt es in einem Urteil aus dem Jahr 2019.
Landkreistagspräsident will Sprachanforderungen senken
Aus Sicht von Landkreistagspräsident Walter müssen mit Blick auf erwerbsfähige Migrantinnen und Migranten vor allem bei den Sprachvorgaben Abstriche gemacht werden. "Wir wollen keine Germanisten ausbilden, sondern wir suchen Menschen für den Arbeitsmarkt. Da braucht es nicht immer das ganz perfekte Sprachniveau", sagte er. Sprache lasse sich auch bei der Arbeit gut erlernen. "Wir tun ihnen nichts Gutes, wenn sie ohne Beschäftigung bleiben. Warum sagen wir beispielsweise nicht dem Raumfahrtingenieur aus der Ukraine, es hilft ihm auch, wenn er dem Gastronomen in der Küche eine Zeit lang hilft und nebenbei Sprachkurse macht?", so Walter.
Geflüchtete aus der Ukraine und der Arbeitsmarkt Suche nach dem "Job-Turbo": Mit niedrigeren Hürden zu mehr Arbeitskräften
Es ist ein großes Thema: Wie schafft es die Politik, Geflüchteten schneller zu einem Job zu verhelfen. Eine ausgeprägte Bürokratie verhindert oft eine Integration in den Arbeitsmarkt. Verantwortliche suchen nach dem Königsweg.
Ähnlich plant es die Ampelkoalition, bei der Schwarzarbeit geht sie Walter aber nicht weit genug: "Bei Schwarzarbeit sollen die Leistungen künftig nur drei Monate lang um maximal 30 Prozent gekürzt werden. Was für ein Unsinn." Wer schwarzarbeite, zeige, dass er arbeiten könne, so Walter. Leistungen sollten in diesen Fällen ganz gekürzt und die Fälle angezeigt werden.
Flüchtlingsrat nennt Walters Aussagen zum Bürgergeld irreführend
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisierte Walters Aussagen als pauschal und irreführend, zudem wenig konstruktiv. Der Bundesdurchschnitt der Erwerbstätigkeitsquote liege bei Geflüchteten aus der Ukraine nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei 27 Prozent. Viele ukrainische Frauen seien zudem allein mit kleinen Kindern geflohen. "Ihre Arbeitsmarktteilhabe wird drastisch durch strukturelle Faktoren wie etwa fehlende Betreuungsmöglichkeiten erschwert", sagte die Co-Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats, Anja Bartel.
In Baden-Württemberg bekommen Hunderttausende Bürgergeld
Im April gab es in Baden-Württemberg 500.418 Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld. Davon sind nach Angaben des Arbeitsministeriums etwa 71 Prozent erwerbsfähig und knapp 29 Prozent nicht erwerbsfähig, unter letzteren finden sich überwiegend Kinder. Nicht alle der 356.161 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten seien kurzfristig für den Arbeitsmarkt verfügbar, etwa weil sie eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme des Jobcenters absolvieren oder einen Integrationskurs besuchen. Diese Menschen gelten auch nicht als arbeitslos, sondern sind arbeitsuchend.