Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) wird am Montag ihre Pläne zur Neustrukturierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes präsentieren. Zuvor war bereits bekannt geworden, dass weitere 17 Notfallpraxen geschlossen werden sollen. Acht Praxen hatte die KVBW bereits im Laufe des Jahres dauerhaft geschlossen. Gegen die neuen Pläne hat sich inzwischen ein breiter Protest von Ärzten, Landräten und Bürgermeistern sowie Landtagsabgeordneten formiert - den sie am Montag auch bei einer zentralen Demonstration in Stuttgart zum Ausdruck bringen wollen.
Mit Bussen zur Protestkundgebung nach Stuttgart
Von den 17 Notfallpraxen sollen allein 10 im Raum Karlsruhe und Stuttgart schließen. Der Marburger Bund und Gesundheitspolitiker von SPD und FDP sprechen von einer Katastrophe und haben mit kommunalen Vertreterinnen und Vertretern zu der Demonstration in Stuttgart aufgerufen. In betroffenen Städten wie Ettlingen (Kreis Karlsruhe) und Calw werden Busfahrten in die Landeshauptstadt organisiert. "Wir kämpfen um jede Notfallpraxis im Land", hieß es am Samstag in einer Pressemitteilung von SPD-Landeschef Andreas Stoch.
Minister Lucha hält Pläne für rechtens Schließung von Notfallpraxen in BW: Bürgermeister wehren sich - Ärzte fordern Notfall-Gipfel
In einem Brief an BW-Gesundheitsminister Lucha wehren sich Bürgermeister gegen die Schließung der Notfallpraxen. Der Marburger Bund fordert nun einen Austausch aller Beteiligten.
Warum die Schließungspläne auf Kritik stoßen
95 Prozent der Menschen sollen nach den Plänen der KVBW eine Notfallpraxis in maximal 30 Autominuten erreichen können. Alle anderen sollen maximal 45 Minuten fahren müssen. 18 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie einzelne Landräte halten das für illusorisch. Sie fordern insbesondere von Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) einzuschreiten. Dieser hatte dazu aufgerufen, sich die Pläne der KVBW in Ruhe anzuhören. Es gebe für ihn keine rechtliche Grundlage, die Pläne der sich selbst verwaltenden KVBW zu stoppen.
Kritik an den Schließungsplänen kommt insbesondere von Ärztinnen und Ärzte der Krankenhäuser. Sie befürchten eine weitere Belastung der dortigen Notaufnahmen. Besorgt ist auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Man erwarte ein weiter steigendes Einsatzaufkommen im Rettungsdienst, sagte der Landesgeschäftsführer des DRK Baden, Leonard von Hammerstein, am Freitag. "Die geplante Schließung von Notfallpraxen führt dazu, dass Menschen bei uns landen, denen in der ambulanten Versorgung viel besser geholfen wäre."
Ärzteorganisation: Neustrukturierung des Notfalldienstes unumgänglich
Die Organisation Medi, die rund 5.000 Ärztinnen und Ärzte im Land vertritt, hält die Neustrukturierung des Notfalldienstes für unumgänglich. Zu viele Medizinerinnen und Mediziner gingen in Rente, das System müsse deshalb angepasst werden.
Der Spitzenverband der fachärztlichen Berufsverbände Baden-Württemberg (SFB BW) wies in einer Mitteilung daraufhin, dass es sich bei der Behandlung in den Notdienstpraxen nicht um akute Notfälle handele. Es gehe um die allgemeinärztliche Versorgung außerhalb normaler Sprechzeiten, also um Bereitschaftsdienste. Der Politik warf der Verband jahrzehntelange Versäumnisse vor. Der durch unattraktive Arbeitsbedingungen entstandene Ärztemangel im haus- und fachärztlichen Bereich schlage im Bereitschaftsdienst durch - was eine Reduktion der Zahl der Bereitschaftspraxen in BW zur Folge habe, hieß es.
Gemeinderat aus dem Kreis Heilbronn demonstriert mit
Bei der Demonstration dabei sein will auch Joachim Esenwein aus Güglingen (Kreis Heilbronn) sein. Esenwein engagiert sich für die Gesundheitsversorgung im Zabergäu und sieht die medizinische Versorgung gefährdet. Denn auch die nahe gelegene Notfallpraxis in Brackenheim (Kreis Heilbronn) steht auf der Kippe.
Esenwein befürchtet, dass durch Schließungen die Rettungsdienste und Notaufnahmen zusätzlich belastet werden. Und zwar mit Patienten, die sonst in die Notfallpraxis gegangen wären. Das gehe zu Lasten von tatsächlichen Notfällen.
Bürgermeister von Brackenheim fürchtet um medizinische Versorgung
Auch der Brackenheimer Bürgermeister Thomas Czaszar (parteilos) macht sich Sorgen. Sollte die Brackenheimer Notfallpraxis geschlossen werden, kämen längere Wege auf die Patienten zu. Er sehe derzeit "in keinster Weise Strukturen, die die Versorgung für uns sicherstellen können", so Czaszar. Der Bürgermeister hofft, dass die Schließung noch aufgehoben oder zumindest aufgeschoben werden kann.