Lektüre soll nicht mehr verpflichtend sein

"Tauben im Gras": Lehrkräfte in BW sollen entscheiden dürfen

Stand
Autor/in
Astrid Meisoll

"Tauben im Gras" gilt als wichtige Nachkriegsliteratur, doch der Autor verwendet rassistische Begriffe. Sollten Schulklassen in BW das Buch lesen müssen? Das Kultusministerium macht einen Vorschlag.

Im Streit um die umstrittene Pflichtlektüre "Tauben im Gras" für das Abitur an beruflichen Gymnasien hat das baden-württembergische Kultusministerium einen Kompromiss vorgelegt. Nach SWR-Informationen sollen Lehrkräfte künftig eine Alternativlektüre wählen können. "Tauben im Gras" steht in der Kritik, weil der Autor Wolfgang Koeppen darin etwa hundert Mal rassistische Bezeichnungen für Schwarze Menschen wiederholt.

Eine Schwarze Deutschlehrerin aus Ulm hatte die Diskussion ausgelöst. Sie wollte den Roman nicht unterrichten und hatte daraufhin eine Petition gestartet, die inzwischen 12.000 Menschen unterschrieben haben.

"Tauben im Gras": Lehrkräfte sollen selbst entscheiden

Laut Kompromiss sollen Lehrkräfte selbst entscheiden können, ob sie das Buch unterrichten wollen. Sind sie der Ansicht, der Stoff könnte Schülerinnen und Schüler verletzen, können sie eine andere Lektüre wählen, die im Abitur geprüft wird. Welche das sein soll, wird die Kommission entscheiden, die sich schon für "Tauben im Gras" ausgesprochen hatte.

"Tauben im Gras“ soll ab 2024 Teil der Abiturprüfung an beruflichen Gymnasien sein. Die Regel soll aber erst zum Schuljahr 2025/2026 greifen, weil sich Jahrgänge aktuell schon darauf vorbereiten und das Alternativbuch erst benannt werden muss. Als nächstes wird der Petitionsausschuss des Landtags über den Vorschlag abstimmen.

Trümmerliteratur mit Rassismusvorwürfen

"Tauben im Gras" (1951) gilt als bedeutender Roman der Nachkriegsgeschichte. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nahm ihn in den Kanon der 20 bedeutensten deutschprachigen Werke auf. Doch Menschen, die von Rassismus betroffen sind, kritisieren, dass Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe zur Lektüre der 228 Seiten verpflichtet werden. Betroffene könnten sich durch die rassistischen Begriffe diskriminiert fühlen, befürchten die Kritikerinnen und Kritiker.

Die Literaturprofessorin Magdalena Kißling von der Universität Paderborn hat ihre Dissertation zu dem Werk verfasst. Sie sagt, der Roman sei für seine Zeit zwar fortschrittlich gewesen. Trotzdem reproduziere er Rassismus sprachlich und inhaltlich.

Schopper: "Bücher verbieten war noch nie gut"

Wenn Lehrkräfte entschieden, es sei besser, ein anderes Buch zu lesen, bekämen sie eine Alternative zur Seite gestellt, sagte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) nun dem SWR. Ganz verzichten wolle sie aber nicht auf die Lektüre. "Bücher zu verbieten war in unserer Geschichte noch nie gut", sagte sie.

Zunächst hatte die Landesregierung in Baden-Württemberg an "Tauben im Gras" als einzige Pflichtlektüre festhalten wollen. Der Roman sei für den Unterricht geeignet und zähle außerdem zur bedeutenden, deutschen Nachkriegsliteratur, hieß es aus dem Kultusministerium. Mit ihm könne man den jungen Menschen ganz klar vermitteln, was Rassismus sei. Es sei auch nicht einfach so möglich, die Literatur zu tauschen, da Lehrkräfte erst darauf vorbereitet werden müssten.

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