Jeder vierte Grundschüler kann in der 4. Klasse nicht richtig lesen, schreiben und rechnen. Aufgeschreckt von den Ergebnissen der letzten Bildungsstudien will die baden-württembergische Landesregierung dies nun ändern und plant ein Sprachförder-Paket. Gleichzeitig nimmt Ministerpräsident Kretschmann die Eltern in die Pflicht und meint, sie müssen den Bildungswillen ihrer Kinder fördern. Das sorgt für Kritik bei Opposition und Verbänden und geht am Kern des Problems vorbei, findet Knut Bauer in seinem Kommentar:
Nicht nur den Segen können wir an andere weiterschenken, auch Freude und Hoffnung. Das sagte Winfried Kretschmann heute beim Empfang der Sternsinger im Staatsministerium. Schöne Worte, dabei hat uns der baden-württembergische Ministerpräsident gerade die Hoffnung genommen, dass sich in der Bildungspolitik wirklich mal grundlegend etwas ändern könnte. Was angesichts der miserablen Ergebnisse in den Bildungsstudien dringend geboten ist. Und was sich die grün-schwarze Koalition für den Rest der Legislaturperiode auch ins Hausaufgabenheft geschrieben hat. Obwohl die Landesregierung im Koalitionsvertrag Strukturdebatten für die Schule ausgeschlossen und sich damit zum Nicht-Handeln verpflichtet hat. Jetzt will sie sich doch bewegen, dank Pisa und G9-Elternitiative. Doch wohin? In keinem anderen Land hängt der Bildungserfolg so vom Elternhaus ab wie in Deutschland. Das hat sich seit Jahrzehnten nicht geändert – im Gegenteil. Corona und Migration haben diese Entwicklung weiter forciert. Und was macht Winfried Kretschmann? Statt mit dem Vorsatz ins neue Jahr zu gehen, daran etwas ändern zu wollen, erklärt er der staunenden Öffentlichkeit, dass auch bei schwachen Schülern die Eltern in der Pflicht sind. Logisch, Eltern sind immer in der Pflicht. Aber wie soll ein Vater oder eine Mutter dem Sohn oder der Tochter bei Aufgaben helfen, die sie vielleicht selbst nicht verstehen? Das ist Aufgabe der Schule. Und wenn die es mangels Ausstattung und Lehrerversorgung nicht schafft, ist es Aufgabe des Staates, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Aufgabe der Landesregierung also, denn für Bildung sind die Länder zuständig. Stattdessen wundert sich der Grünen-Regierungschef, dass sich Eltern nicht an die Grundschulempfehlung halten. Warum wohl? Weil sie nicht verbindlich ist. Abgeschafft in Baden-Württemberg im Jahr 2012 von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Für mehr Bildungsgerechtigkeit müssen die Grundschulen gestärkt werden. Damit der Bildungserfolg nicht mehr so stark wie bisher vom Elternhaus abhängt. Nach den heutigen Äußerungen des Ministerpräsidenten bleibt jedoch zu befürchten, dass sich daran so schnell nichts ändern wird.