Das hochgesteckte Ziel der Bundesregierung: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr. Unerreichbar, und trotzdem hält die Politik unbeirrt daran fest. Denn der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum wächst weiter, egal ob in Berlin oder in Karlsruhe.
Neue bezahlbare Wohnungen in Karlsruhe verzweifelt gesucht
Der Volkswohnung Karlsruhe, dem eigenen Angaben zufolge drittgrößten Vermieter in Baden-Württemberg, liegen derzeit rund 11.000 Mietgesuche vor. Im Geschäftsbericht 2022 war von geplanten 763 neuen Wohnungen bis Ende 2024 die Rede. Laut Volkswohnung wird dieses Ziel aber nicht erreicht. Bis Ende dieses Jahres werden nur rund 480 Wohnungen fertiggestellt. 220 weitere sollen 2025 folgen. Der Druck auf den Wohnungsmarkt bleibt groß.
Private Investoren waren und sind gern gesehen bei Kommunen, um dem riesigen Bedarf mit ihren wohlklingenden und doch mit Gesellschaftsförderung werbenden Bauprojekten gerecht zu werden. Eines dieser Projekte ist Greenville im Norden von Karlsruhe.
- Viele Fragen um Brachland Greenville in der Karlsruher Nordstadt
- Der Traum vom schönen neuen Wohnen in Greenville
- Gute Verbindungen der Projektbeteiligten ins Karlsruher Rathaus
- Karlsruhe stundet Gewerbesteuer - Intransparenz im Rathaus?
Viele Fragen rund um das Brachland Greenville in der Karlsruher Nordstadt
Seit dem Abriss der alten Gebäude der US-Streitkräfte am Rande des ehemaligen Paul-Revere-Village in der Karlsruher Nordstadt vor etwa zwei Jahren ist nicht viel passiert. Das über 100.000 Quadratmeter große, ursprünglich "C-Areal" genannte Gelände liegt brach und ist inzwischen teilweise schon wieder zugewuchert.
Zwischen Bauzäunen und brüchigen Sperrholzplatten mit verwaschenen Graffitis haben die letzten Betriebe noch geöffnet. Auf dem Parkplatz eines Supermarktes herrscht an Werktagen reger Betrieb. Ende 2022 war mit Hinweisschildern auf seine unsichere Zukunft hingewiesen worden. Die Schilder sind verschwunden. Der Markt ist nach wie vor offen.
Der Traum vom schönen neuen Wohnen in Greenville
Wohnungen für über 3.000 Menschen. Was das Areal an Potential versprach, ließ Kommunalpolitik und Städteplaner schon vor mehr als zehn Jahren träumen. Der Bund verkaufte das Filetstück am Rande des alten Karlsruher Flugplatzes. Den Zuschlag bekam im Frühjahr 2014 nicht - trotz Gebots - die Stadt, sondern das Immobilienunternehmen GEM Ingenieurgesellschaft des Karlsruher Unternehmers Martin Müller. Von Verantwortlichen im Rathaus wurde das Projekt dennoch bald als größtmögliche Chance für die Wohnraumentwicklung gepriesen.
Von Ökologie und Nachhaltigkeit war schon früh die Rede, von einem Bio-Supermarkt, Kita- und Altenpflegeplätzen sowie mindestens 20 Prozent gefördertem Wohnraum. Nichts davon existiert heute. Die GEM Ingenieurgesellschaft wurde 2018 von der Gröner Group des aus Karlsruhe stammenden bundesweit tätigen Immobilienunternehmers Christoph Gröner übernommen. Ein Teil des Grundstücks wurde weiterverkauft.
Die Entwicklung des Projekts Greenville liegt heute beim Gröner-Tochterunternehmen CG Elementum. Der Investor wirbt mit "grünen Weiten und urbanem Lebensgefühl". Davon ist nicht viel zu sehen.
Lediglich am Rand des Geländes werden zurzeit Schächte für Rohre und Kabel ausgehoben. Doch auf einen feierlichen Spatenstich wartet man bislang vergeblich. Bauanträge, damit es wirklich losgehen kann, waren auch Anfang des Jahres noch Fehlanzeige, sind laut CG Elementum allerdings in Vorbereitung. Die Stadt weiß eigenen Angaben zufolge nicht, wann mit den Anträgen zu rechnen ist.
Zweifel an der Realisierbarkeit oder der finanziellen Tragfähigkeit des Projekts versuchen die Beteiligten durch knappe Zwischenstandsmeldungen abzufedern. Der Projektentwickler GEM spricht inzwischen von einer Umsetzung ab Frühjahr 2024, CG Elementum von einer "Realisierung ca. 2026". Die Stadt hält sich auch hier bedeckt.
Gute Verbindungen der Projektbeteiligten ins Karlsruher Rathaus
Die am Projekt Greenville maßgeblich beteiligten Immobilienunternehmer Martin Müller und Christoph Gröner kennen sich gut. Müller ist Finanzvorstand in Gröners Unternehmen CG Elementum. Beide verbindet die Leidenschaft für Fußball, insbesondere für den Zweitligisten Karlsruher SC. Müller ist dort Vizepräsident. Gröner über CG Elementum Hauptsponsor.
Martin Müller wird darüber hinaus ein langjährig gutes Verhältnis zum Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) nachgesagt. Müller stand bei der Kommunalwahl 2019 als Kandidat auf der Liste der Karlsruher SPD. Nähe gab es auch im Frühjahr 2020 im Zusammenhang mit dem Bündnis KSC. Das Bündnis sorgte für den Rücktritt des damaligen KSC-Präsidenten Ingo Wellenreuther. Martin Müller war maßgeblich am Bündnis KSC beteiligt. Mentrup begrüßte die Arbeit des Bündnisses damals öffentlich ausdrücklich.
Karlsruhe stundet Gewerbesteuer - Intransparenz im Rathaus?
Die Gemeinderatsfraktion der Partei Die Linke hinterfragt jetzt die vermeintlichen Verstrickungen zwischen Investoren und Stadtpolitik. Am 22. Januar hat sie eine umfangreiche Anfrage an die Stadtverwaltung gestellt. Darin wird nach den Geschäftsverbindungen zwischen den beteiligten Firmen von Martin Müller und Christoph Gröner sowie der Stadt gefragt. Gefragt wird auch danach, ob es ein besonderes Entgegenkommen seitens der Stadt im Zusammenhang mit Immobilienprojekten gegeben habe.
Daneben wird eine mögliche Gefährdung von Projekten der Investoren wie Greenville in der Nordstadt in den Raum gestellt. Als Grund für die Anfrage nennt die Fraktion unter anderem die finanzielle Schieflage der GEM Ingenieurgesellschaft in den zurückliegenden Jahren.
Stadtverwaltung will Diskussion ohne Öffentlichkeit
Die Stadt Karlsruhe gibt sich wortkarg und will die gestellten Fragen auch nach wiederholter Aufforderung durch die Fraktion nicht öffentlich beantworten. Auch entsprechende Anfragen des SWR wurden knapp und zum Teil abschlägig beantwortet. Die Stadtverwaltung beruft sich unter anderem auf das Steuergeheimnis. Hintergrund dafür ist eine Stundung von Gewerbesteuer der GEM Ingenieurgesellschaft aus dem Jahr 2020 durch die Stadt in Höhe von fast 436.000 Euro. Als Begründung für die Stundung wird die eingeschränkte Liquidität des Unternehmens genannt.
Die Anfrage werde in nichtöffentlicher Sitzung des Gemeinderats beantwortet, teilte die Stadtverwaltung gegenüber dem SWR mit. Als Grund wird neben dem Steuergeheimnis auch die Wahrung von Betriebsgeheimnissen genannt. Das Steuergeheimnis betreffe nach Ansicht der Linken allerdings nur eine Frage aus einem deutlich umfangreicheren Fragenkatalog, so ein Fraktionssprecher. Viel mehr Fragen zielten auf die Arbeit der Stadtverwaltung, insbesondere von Bürgermeistern.
Nach SWR-Informationen soll die nichtöffentliche Beantwortung der Fragen, bei denen es auch um die Verstrickungen von Investoren und Stadtspitze geht, in der Gemeinderatssitzung am 20. Februar stattfinden.