Levin Pfitzenmeier ist Autist und besucht als Schüler die Paula-Fürst-Schule in Oberderdingen (Landkreis Karlsruhe). Er hat den Pflegegrad fünf. Das bedeutet, Levin muss rund um die Uhr betreut werden. Ein spontaner Unterrichtsausfall wegen Personalmangel wäre für seine berufstätige Mutter Bianca Pfitzenmeier schwierig. In seiner Schule hat Levin allerdings Glück. Die Schule teilt die Klassen eher auf, als den Unterricht ausfallen zu lassen.
Schule: Größere Klassen durch Lehrermangel
Das ist trotzdem keine perfekte Lösung. Gerade die autistischen Kinder bräuchten einen geregelten Alltag und würden durch die kleinste Änderung aus dem Konzept gebracht werden, erzählt Levins Mutter. In ihrem Klassengefüge könnten sich die Kinder gut aufeinander einstellen.
Mit den Schülerinnen und Schülern in anderen Klassen funktioniere das aber nicht so gut. Teilweise bräuchte die Umstellung mehrere Stunden. Auch nach der Schule führe das zu Problemen. "Die kommen nach Hause und sind daheim dann auch ziemlich unruhig", erzählt Levins Mutter. Ihr Sohn lässt sich in solchen Situationen mit einem Puzzle oder Essen beruhigen. Andere Eltern kämpften da aber.
Belastung für Lehrkräfte an Sonderschule steigt immer mehr
Auch für die Lehrkräfte ist die größere Klasse eine Herausforderung. Die eigentliche Klassengröße liegt bei etwa sechs Schüler. Da das Spektrum der Behinderungen sehr unterschiedlich ist, müsse der Unterricht auf jeden einzelnen Schüler zugeschnitten werden, erklärt Levins Lehrerin Bettina Mayer.
Spontane Ausfälle der Lehrkräfte machen eine Vorplanung an manchen Tagen unmöglich. "Die Vorbereitung, die ich gemacht habe, kann ich manchmal wirklich in die Tonne treten, weil plötzlich sind zwei, drei, vier Schüler mehr dabei", erzählt Bettina Mayer. Sie arbeitet seit 40 Jahren im sonderpädagogischen Bereich und liebt ihre Arbeit. Aber der Beruf habe sich verändert, sagt sie.
Schülerzahlen unerwartet deutlich angestiegen
Die Lehrkräfte würden mit einem riesigen Verwaltungsapparat konfrontiert. "Wir müssen alles dokumentieren. Wir müssen uns neu mit der digitalen Entwicklung auseinandersetzen", erklärt Bettina Meyer.
Die Lehrerin spürt inzwischen auch den Lehrermangel. Gleichzeitig sind laut baden-württembergischem Kultusministerium auch die Schülerzahlen unerwartet deutlich angestiegen. Immer mehr der Schülerinnen und Schüler kämen aus prekären Verhältnissen.
Dadurch werden die Klassengrößen von vorne herein größer. Der Unterricht werde laut der Lehrerin immer lauter und anstrengender. Die Belastung der Lehrkräfte steigt enorm. Man sei schneller ausgebrannt, erzählt Meyer. "Immer mehr Kollegen reduzieren ihre Stunden. Das volle Deputat können die wenigsten noch leisten."
BW möchte Zahl der Lehrkräfte erhöhen
Die Entwicklung an der Paula-Fürst-Schule ist kein Einzelfall. Sie findet sich an den Sonderschulen in ganz Baden-Württemberg. Laut Kultusministerium arbeitet das Land deswegen daran, die Zahl der Lehrkräfte für Sonderpädagogik zu erhöhen.
Unter anderem wurden die Ausbildungs- und Studienplätze in dem Bereich erweitert. Haupt- und Werkrealschullehrkräften wurde die Möglichkeit gegeben, einen Laufbahnwechsel zur Sonderpädagogik zu machen. Außerdem wurde der Direkteinstieg als Fachlehrkraft Sonderpädagogik geschaffen.
Ende der Sommerferien Schulstart in BW mit Lehrermangel: 565 Stellen unbesetzt
Kurz vor Schulbeginn sind in BW noch viele Lehrerstellen unbesetzt. Mit mehr Geld könnte der Lehrerberuf attraktiver gemacht werden - doch das ist im Landeshaushalt nicht vorgesehen.
Gewerkschaft fordert finanziellen Anreiz für den Beruf
Laut Michael Hirn von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg müsste der Beruf aber vor allem finanziell attraktiv werden. "Es gäbe mehr Fachlehrkräfte Sonderpädagogik, wenn die Landesregierung die Ausbildungsbedingungen am Fachseminar verbessern und die Anwärterbezüge erhöhen würde", schreibt Michael Hirn auf Anfrage des SWR.
Auch das zweijährige Aufbaustudium für wissenschaftliche Lehrkräfte Sonderpädagogik sollte laut dem Gewerkschafter bezahlt werden. Für Menschen, die ohne oder ohne vollständige Lehramtsausbildung an den Sonderschulen arbeiten fordert Michael Hirn eine berufsbegleitende Fortbildungsmaßnahme. Damit könnten sie sich in drei Jahren zu gut qualifizierten Lehrkräften entwickeln und langfristig an den Sonderschulen arbeiten.