Auf der Arbeitgebermesse des Jobcenters in Pforzheim haben sich über 20 Unternehmen und zahlreiche Jobsuchende getroffen. Auch Beschäftigte des insolventen Versandhauses Klingel waren vor Ort.
Klingel hatte angekündigt Anfang 2024 seinen Betrieb einzustellen. Rund 1.300 Frauen und Männer aus Pforzheim und Umgebung verlieren in den kommenden Wochen ihre Jobs. Die Insolvenz eines der größten Arbeitgeber der Stadt hat auf dem Arbeitsmarkt der Region für regelrechte Schockwellen gesorgt.
Unternehmen aus verschiedenen Branchen in Pforzheim bieten Arbeit
Im Reuchlinhaus in Pforzheim haben Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen über offene Stellen informiert. Das Spektrum der Aussteller reichte von der Großbäckerei bis zur Schmuckfabrik, vom Discounter bis zum Medizintechnikhersteller.
Mitarbeiterinnen von Klingel: Schock noch immer nicht verarbeitet
Dieses Mal herrscht ein Andrang wie schon lange nicht mehr. Denn auch zahlreiche ehemalige oder Noch-Klingel-Beschäftigte schauen sich nach einem neuen Job um. Unter ihnen auch zwei Frauen Ende 50, die ihre Namen nicht nennen möchten.
Sie seien noch immer geschockt von der plötzlichen Kündigung, erzählen sie. Seit über 30 Jahren seien sie im Unternehmen beschäftigt, ihre Welt sei regelrecht zusammengebrochen.
Doch das Leben müsse weitergehen, meinen sie. Erste Bewerbungen seien verschickt – noch ohne konkretes Ergebnis, dafür mit einer ernüchternden Erkenntnis: „Wenn man Zeugnisse von vor 42 Jahren bringen soll, sieht man, wie angestaubt viele Firmen noch sind.“
Jobmesse als Hoffnungsschimmer
Eine der Frauen war Bürokauffrau, die andere im Kundenservice tätig. In dieser Richtung suchen sie jetzt nach einer neuen Tätigkeit. Alle Aussteller hätten mutmachende Worte für sie, erzählen sie. Dennoch überwiege im Moment noch die Skepsis.
Denn mit Ende 50 wieder neu anzufangen, sei alles andere als einfach. Zum einen könnten sie in einem neuen Job nicht dasselbe Geld verlangen, dass sie sich bei Klingel über Jahrzehnte erarbeitet hätten. Zum anderen sei es schwer einzuschätzen, in welcher Branche ihre Fähigkeiten noch gebraucht würden. Gegen ihre Kündigung haben 170 Mitarbeiter von Klingel Klage eingereicht.
Unternehmen aus Pforzheim und dem Enzkreis suchen Quereinsteiger
Bei ihr seien auch Klingel-Mitarbeiter jenseits der 50 willkommen, meint hingegen Alexandra Schulze. Sie vertritt eine regionale Großbäckerei mit 35 Filialen und sucht Mitarbeiter aller Art - vom Bäcker über den Mechatroniker, bis zur Bürokauffrau. Ihr Unternehmen stelle auch Quereinsteiger ein, beteuert Schulze. Für sie gebe es ausführliche Schulungen.
Auch am Stand einer Pforzheimer Schmuckfabrik sind schon zahlreiche Klingel-Mitarbeiter vorstellig geworden. Für sie hat Mitarbeiter Martin Odt viele unterschiedliche Tätigkeiten im Angebot, von einfachen Montagearbeiten bis zum Projektmanagement.
Von den bisherigen Gesprächen mit Klingel-Mitarbeitern ist Odt regelrecht begeistert. Viele hätten sich gut vorbereitet, hätten Lebensläufe dabei, zeigten sich flexibel und offen für neue Tätigkeiten. Er rechnet mit etlichen Bewerbungen.
Erste Verträge zwischen Unternehmen und Bewerbern
Wie an fast allen anderen Ständen heißt es auch bei Odt: Quereinsteiger willkommen. Eine ermutigende Einstellung, meint Katja Kreeb, Sozialdezernentin im Enzkreis. Sie weiß sogar von ersten Arbeitsverträgen, die direkt am Stand unterschrieben worden seien.
Nicht zuletzt deshalb gehe von dieser Arbeitgebermesse mehr als nur ein Hoffnungsschimmer aus: „Ich glaube, für jeden Arbeitsuchenden, auch von Klingel, gibt es heute zahlreiche Möglichkeiten, einen passenden Job zu finden.“