Zum ersten Jahrestag des Terroranschlags auf Israel am 7. Oktober 2023 ist die Anspannung groß. Die Polizei stellt sich auf Einsätze ein - auch, weil sich die Zahl der antisemitisch motivierten Straftaten in Baden-Württemberg seither mehr als verdoppelt hat. Am Montag sind mehrere Kundgebungen und Demonstrationen geplant, unter anderem in Mannheim, Freiburg, Karlsruhe, Konstanz, Stuttgart und Ulm.
"Wir rechnen mit einer erhöhten Gefahr, die bis hin zu gewaltsamen Übergriffen auf Veranstaltungen führen könnte", sagte Gundram Lottmann, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, dem Medium "Baden TV". Besonders in größeren Städten seien "Sympathisanten beider Seiten an diesem Tag stark durch das Gedenken an die Angriffe aufgewiegelt", so Lottmann weiter.
Bei zwei Demonstrationen in Stuttgart kurz vor dem Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel blieb es zumindest friedlich: Die Polizei notierte bei beiden Veranstaltungen bis zum späten Sonntagnachmittag keine besonderen Vorkommnisse. Rund 350 Menschen zählte sie auf dem Schlossplatz bei einer Kundgebung unter dem Motto "Freiheit für Palästina". An den Angriff vor einem Jahr erinnerten etwas später etwa 1.000 pro-israelische Demonstrantinnen und Demonstranten. Die Internationale Christliche Botschaft Jerusalem hatte die Veranstaltung organisiert.
Innenministerium: "Unverändert solidarisch mit Israel"
Ein Jahr nach dem Terrorangriff der Hamas bekräftigte Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Sonntag seine Solidarität mit Israel. "Wir stehen unverändert fest und solidarisch an der Seite Israels", so Strobl in einer Mitteilung. Deutschland habe - auch durch die Staatsräson - eine besondere Verpflichtung zum Schutz jüdischen Lebens und jüdischer Menschen. Jeder sei aufgerufen, freies jüdisches Leben zu schützen und antisemitisches Gedankengut zu bekämpfen: "Keiner soll, keiner darf wegschauen oder weghören."
Die Polizei Baden-Württemberg sei gerade mit Blick auf den Jahrestag und die anstehenden jüdischen Feiertage "konzentriert und wachsam", so Strobl. Das Innenministerium habe die Polizeipräsidien im Land nochmals sensibilisiert und sei mit ihnen in ständigem Austausch.
Zahl der antisemitischen Straftaten nimmt zu
668 Fälle antisemitischer Straftaten wurden 2023 vom baden-württembergischen Innenministerium registriert - bei knapp der Hälfte habe es sich um Straftaten im Internet gehandelt, teilte das Ministerium mit. Die Tendenz ist steigend: Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden bereits mehr antisemitisch motivierte Straftaten gezählt als im gesamten Jahr 2022.
260 Fälle im ersten Halbjahr Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg verdreifacht
Seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas im Oktober und dem Gaza-Krieg haben die Angriffe auf Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg stark zugenommen.
Das Innenministerium führt die Zunahme direkt auf den Terroranschlag auf Israel zurück. Die meisten Taten seien mit ausländischer Ideologie verknüpft, heißt es. In den meisten Fällen habe es sich um Volksverhetzung und Sachbeschädigung gehandelt. Gewaltdelikte seien die Ausnahme.
Auch die Beratungsangebote der Landesregierung wurden seit dem Angriff auf Israel mehr nachgefragt. Seit dem 7. Oktober vor einem Jahr wurden dort viermal so viele Meldungen gemacht wie in den drei Jahren zuvor. Die SPD hält als Gegenmaßnahme ein landesweites Netz von Antisemitismusbeauftragten in Kommunen für notwendig.
Hamas-Terroristen töteten mehr als 1.200 Menschen
Vor einem Jahr, am 7. Oktober 2023, hatten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser für den Gaza-Krieg, in dem nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher rund 42.000 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet wurden, etwa ein Drittel davon Kinder und Jugendliche.
Seit einigen Wochen sind auch die Auseinandersetzungen zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz im Libanon eskaliert. Es wird befürchtet, dass die ganze Region in einen folgenschweren Krieg verwickelt werden könnte.