Bei den Unwettern in Baden-Württemberg Anfang Juni sind Schäden in Millionenhöhe entstanden. Teilweise gab es heftige Überschwemmungen. Besonders betroffen war der Ort Rudersberg (Rems-Murr-Kreis) bei Schorndorf. Wie geht es den Menschen anderthalb Monate, nachdem sie durch die Wassermassen fast alles verloren haben, und wie hilft die Politik?
Hochwasser im Juni: Erlebnisse beschäftigen Betroffene noch immer
Der Schlamm und die Müllberge sind inzwischen weg, die Schäden am Haus und dem Schuppen daneben aber noch immer deutlich zu sehen. Joachim und Michaela Knödler stehen in ihrem entkernten Wohnzimmer im Erdgeschoss ihres Hauses in Rudersberg-Klaffenbach. Die Trocknungsgeräte laufen den ganzen Tag, um die Feuchtigkeit aus den freigelegten Backsteinwänden zu bekommen. Die Erlebnisse aus der Nacht von Anfang Juni beschäftigen die beiden noch immer.
"Es fühlt sich an wie ein schlechter Film, den man angeschaut hat. Und man muss aber sagen: Halt, das war echt!", sagt Joachim Knödler. Auch seine Frau, Michaela Knödler, kann es immer noch nicht fassen, wenn sie in ihr Wohnzimmer läuft:
Sie zeigt ein Handyvideo aus der Nacht der Überflutung. Der kleine Bach neben ihrem Haus, die Wieslauf, steigt in der Nacht vom 2. auf 3. Juni so hoch an, dass er die komplette Wohnstraße überflutet. Die Knödlers verlieren ihr komplettes Erdgeschoss.
Innenministerium: Mehr als eine halbe Milliarde Schäden
Die Gemeinde Rudersberg ist nur eine von vielen Gemeinden in Baden-Württemberg, die Anfang Juni durch Starkregen überflutet wurde. Nach aktuellem Stand geht das Innenministerium für die betroffenen Regionen von einer Gesamtschadenssumme von über 500 Millionen Euro aus.
Joachim und Michaela Knödler rechnen an ihrem Haus mit einem Schaden von bis zu 400.000 Euro. Ihr Lichtblick seien die vielen hilfsbereiten Menschen von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, Freundinnen und Freunden sowie aus der Familie und der Nachbarschaft.
500 Euro Hilfe durch Spendenaktion
Auch vom Bürgermeister der Gemeinde und dem Landkreis würden sie viel Unterstützung erfahren. Am zweiten Tag nach der Katastrophe haben die Knödlers vom Landrat jeweils 500 Euro Soforthilfe bekommen. Das Geld vom Landkreis stammt aus einer Spendenaktion, die von den vom Starkregen betroffenen Landkreisen organisiert wurde. Immer wieder würden Lokalpolitiker vorbeikommen und sich erkundigen. Die würden sich für die Betroffenen richtig Mühe geben und voll einsetzen, sagt Michaela Knödler. Ihrem Eindruck nach seien der Lokalpolitik jedoch die Hände gebunden. "Es ist letztendlich so, dass das Geld, was fließen sollte, von oben kommt von unserer Regierung", erzählt sie. Und das sei für sie keine Hilfe. "Also zumindest ist es so noch nicht rübergekommen", so Knödler weiter.
Indirekt sind die Knödlers auch auf Förderhilfen vom Land angewiesen. Konkret geht es um den Schuppen und Hof neben ihrem Haus. Beides wurde von den Wassermassen der Wieslauf zerstört. Im Flussbett liegen die großen Wackersteine der Mauer zum Grundstück, die der Bach komplett weggerissen hat. Die Betonplatte vom Hof schwebt noch immer in Teilen über dem Flussbett. Damit sie ihr Grundstück wiederherstellen können, muss zuerst das Bachbett und die Böschung wieder aufgebaut werden. Das ist Aufgabe der Gemeinde.
Hochwasser in BW: Wie hilft das Land?
Die Hochwasserhilfen vom Land bekommen die Städte und Gemeinden durch bereits bestehende Förderprogramme. Je nach Schaden braucht es unterschiedliche Anträge für unterschiedliche Förderprogramme. Insgesamt gibt es 29 Stück. Ein bürokratischer Aufwand, denn die Anträge müssen für das Förderprogramm auch noch passend gemacht werden.
Landrat Richard Sigel (parteilos) aus dem Rems-Murr-Kreis ist vorsichtig optimistisch. "Wir müssen dafür sorgen, dass wir keine Bürokratie aufbauen, damit die Hilfen nicht am Ende im Sumpf der Bürokratie stecken bleiben", sagt Sigel. Er hat daher seinen Amtskollegen in den Rathäusern in einem ersten Schreiben Förderprogramme aufgelistet, die in Frage kommen. Für das zerstörte Bachbett in Klaffenbach komme beispielsweise ein Förderprogramm zur Wasserwirtschaft in Frage, mit der die Mauer zum Grundstück der Knödlers wieder aufgebaut werden könnte.
Innenminister Strobl verspricht Beratungshilfe
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) verspricht den Städten und Gemeinden eine Beratungshilfe. Für sie gebe es nun einen direkten Ansprechpartner. Zudem seien alle Ministerien und die beiden Regierungspräsidien gebeten und angewiesen, die Dinge schnell zu prüfen. "Vor allem sollen sie Ermessensspielräume maximal auszunutzen, sodass die Hilfe rasch dort ankommt, wo sie gebraucht wird", sagt Strobl. Zudem hat die Landesregierung Mitte Juli ein zusätzliches Hilfspaket für die Städte und Gemeinden in Höhe von 25 Millionen Euro verabschiedet.
Die Opposition im Landtag kritisiert, die Förderprogramme seien zu viel Bürokratie. Viel sinnvoller sei ein Programm aus dem alle Hilfe bezahlt werden würde, so der innenpolitische Sprecher der SPD Sascha Binder.
Nach Hochwasser im Juni in Teilen von BW Landesregierung rechnet mit hunderten Millionen Euro für Wiederaufbau
Anfang Juni hat ein Hochwasser mehrere Teile von BW geflutet. Sechs Wochen danach gibt die Landesregierung eine erste Schadenseinschätzung ab.
Nach Unwetter: Wie hilft der Bund?
Vom Bund gibt es ebenfalls Hilfe für Hochwasseropfer. Das Bundeswirtschaftsministerium hat es für sie leichter gemacht, Fördergelder für zerstörte Heizungen zu erhalten. Auch wer erst vor Kurzem eine klimafreundliche Heizung mit Fördergeldern eingebaut hat, kann jetzt nochmal Fördergelder beantragen, wenn die Heizung dem Hochwasser zum Opfer gefallen ist.
Für fossile Heizungen gilt normalerweise: Damit Hausbesitzerinnen und -besitzer den Klimageschwindigkeitsbonus nutzen können, muss ihre alte Heizung noch funktionstüchtig sein. Aber was, wenn sie im Hochwasser zerstört wurde? Hier zeigt sich das Wirtschaftsministerium jetzt großzügig: Es reicht aus, wenn die Betroffenen erklären, dass ihre Heizung vor dem Hochwasser noch funktioniert hat.
Wer Glück hat, kann eine neue klimafreundliche Heizung dann sogar umsonst bekommen - denn Fördergelder und Versicherungsleistungen dürfen ausnahmsweise insgesamt auch 100 Prozent der Kosten ausmachen.
Paar aus Rudersberg-Klaffenbach gibt nach Hochwasser nicht auf
Zurück bei Joachim und Michaela Knödler. Sie haben eine Elementarschadensversicherung, die einen Großteil des Schadens - auch vom Wohnzimmer - voraussichtlich übernehmen wird. Hier kommen sie schon gut voran, fast alle Handwerker würden in den Startlöchern stehen. "Das ist für uns natürlich extrem beruhigend, weil es am Anfang überall hieß es gebe keine Handwerker oder es sind keine Termine frei". Sie beide hoffen, dass sie Weihnachten im neuen Wohnzimmer feiern können.
Beim Schuppen vor dem Haus hoffen sie weiter auf schnelle, unbürokratische Hilfe. Denn die Gemeinde muss mithilfe von Fördergeldern vom Land die Böschung wieder aufbauen. Dann können die beiden mit ihrem Hof und Schuppen beginnen. Dauert das zu lange, könnten ihnen jedoch Gelder von der Versicherung für den Wiederaufbau des Schuppens verloren gehen.