Eltern in Neuenstein (Hohenlohekreis) sind derzeit dazu aufgerufen, ihre Kinder am besten nicht in den Kindergarten zu schicken. Denn in den städtischen Horten fehlen die Erzieherinnen und Erzieher. Grund für die Notbetreuung ist eine Krankheitswelle, sagte Bürgermeister Karl Michael Nicklas (parteilos) dem SWR. Schon seit dem Winter habe man damit zu kämpfen. Der Aufruf der Stadtverwaltung sorgt bei den Eltern aber natürlich für Frust. Und Bürgermeister Nicklas geht davon aus, dass es erst "in den Sommer hinein" besser wird.
Bürgermeister: Notbetreuung einzige Möglichkeit
Den Frust der Eltern kann der Bürgermeister nachvollziehen: "Je zuverlässiger die Kinderbetreuung ist, desto besser ist sie natürlich". Einfach zwei Gruppen zusammenzulegen, und so eine größere Gruppe zu bilden, käme auch nicht in Frage, weil die Stadt den Personalschlüssel einhalten müsse. Seine Lösung deshalb: auf die Eltern zugehen und darum bitten, sofern es möglich ist, das Kind zu Hause zu lassen. So hätten wenigstens die Eltern, die auf die Betreuung am meisten angewiesen sind - etwa berufstätige Alleinerziehende - weiterhin ein verlässliches Angebot, sagt der Bürgermeister.
Eltern wegen Betreuungsangebot und Gebühren gefrustet
Die Eltern in Neuenstein ärgern sich darüber, dass es immer wieder zur Notbetreuung kommt. Außerdem sehen sie nicht, dass sich das Thema in absehbarer Zeit ändert. Selbst wenn es im Sommer wieder besser werden sollte, fürchten die Eltern schon den nächsten Winter.
Die Personalnot an den Kindergärten ist unterschiedlich stark. In der Biberburg etwa sei die Lage etwas besser. Insgesamt müssten aber alle Eltern immer wieder schauen, wie sie die Betreuung ihrer Kinder organisieren, wenn es nur noch eine Notbetreuung gibt. Kann ein Elternteil von daheim arbeiten? Sind die Großeltern da?
Die Eltern ärgern sich auch noch über einen anderen Punkt. Denn für die Betreuung der Kinder zahlen sie weiterhin, egal ob das Kind in den Kindergarten geht oder nicht. Und: In einem städtischen Kindergarten gibt es auch ein Mittagessen. Auch dafür bezahlen die Eltern, egal ob die Spaghetti mit Tomatensoße gegessen werden oder nicht. Das halten viele Eltern für ungerecht; sie fordern, dass es wenigstens hierfür eine Erstattung gibt.
Bürgermeister Nicklas: Essen ist sehr günstig kalkuliert
Den Ärger über diesen Punkt kann der Bürgermeister wiederum nur teilweise nachvollziehen. Das Essen werde im Grunde mit dem Einkaufspreis kalkuliert - zudem ziehe die Stadt präventiv Kosten für zwei Monate im Jahr wegen Schließung und Krankheiten ab, so Nicklas. Jetzt direkt eine Gebührenerstattung für das Essen zu fordern, sei nicht angebracht. Zudem sei der Aufwand für eine solche Erstattung unverhältnismäßig hoch.
Dennoch denkt der Bürgermeister über ein Erstattungsmodell nach. Wer sein Kind zu Hause betreut, könnte dann einen gewissen Betrag zurückbekommen. Das sei aber ein zweischneidiges Schwert, so Nicklas. Denn eigentlich möchte er keine finanziellen Anreize schaffen, Kinder daheim zu lassen.
Stadt will Betreuungszeiten kürzen
Was könnte aber das Personalproblem lösen? Bürgermeister Nicklas will die Betreuungszeiten kürzen. Derzeit gibt es sieben Stunden Betreuung. Die Erzieherinnen und Erzieher müssen nach sechs Stunden Arbeit eine Pause einlegen. Das sorgt für einen großen Personalaufwand, da auch in den Pausen eine Betreuung gewährleistet sein muss. Daher will Nicklas künftig die Betreuungszeit auf sechs Stunden reduzieren.
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Schwäbisch Hall: Diskussionen um kürzere Betreuungszeiten
Auch in Schwäbisch Hall streiten Eltern deswegen mit der Stadtverwaltung. Die Stadt will die Betreuungszeiten von sechs auf fünf Stunden reduzieren. Das war bereits Thema einer Gemeinderatssitzung Anfang März, wurde aber wegen der heftigen Diskussion zunächst von der Tagesordnung genommen. Derzeit laufen Gespräche. Wann sich der Gemeinderat das nächste Mal mit der Problematik auseinandersetzen wird, sei noch nicht klar, heißt es auf SWR-Anfrage.
Kultusministerium stellt gut 100 Millionen Euro bereit
Das Land hat am Mittwoch mitgeteilt, einmalig 105 Millionen Euro bereitzustellen, um Betreuungsplätze in Kitas, Kindergärten und der Kindertagespflege zu schaffen oder zu erhalten. Bis Ende Juli 2024 können Kinderbetreuungseinrichtungen bei den Regierungspräsidien einen Förderantrag stellen, heißt es vom baden-württembergischen Kultusministerium. Das Landesprogramm will so Investitionen fördern, um eine verlässliche Kinderbetreuung zu gewährleisten und auszubauen.