In den Kitas in Baden-Württemberg fehlen weiterhin tausende Fachkräfte. Die Problematik der "Kitastrophe", wie die Situation manchmal genannt wird, ist nicht neu. Was aber neu ist, ist das Programm "Direkteinstieg Kita", das Abhilfe schaffen soll: zwei Jahre Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistenz, eine Weiterbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher ist möglich. Rund 620 Personen besuchen den neuen Bildungsgang derzeit an 24 Schulstandorten im Land. Auch in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) bildet die Katholische Fachschule die ersten Quereinsteiger aus. Dort gab es deutlich mehr Bewerbungen als Ausbildungsplätze.
Klasse in Neckarsulm bunt gemischt
Der Andrang auf den ersten Ausbildungsjahrgang im Direkteinstieg zur Sozialpädagogischen Assistenz war groß, erzählt Schulleiter Thomas Ochs von der Katholischen Fachschule St. Martin in Neckarsulm. In der Klasse sitzen jetzt 30 Frauen, überwiegend solche, die sich um ihre Familie gekümmert haben und einen Wiedereinstieg in den Beruf suchen. Männer sind in diesem Jahrgang keine dabei. Die Klasse ist bunt gemischt, darunter etwa eine gelernte Justizbeamtin, eine Bürokauffrau oder eine Köchin.
Das Programm "Direkteinstieg Kita" richtet sich an alle, die mindestens einen Hauptschulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung über mindestens zwei Jahre mitbringen. Die Auszubildenden zur Sozialpädagogischen Assistentin verbringen einen Teil in der Schule und einen Teil in der Kita. Sie lernen ganz ähnlich wie bei einer Ausbildung zur Erzieherin etwa den Umgang mit Kindern, die Begleitung von Entwicklungs- und Bildungsprozessen und pädagogische, psychologische und soziale Grundlagen.
Auszubildende Ilene Stanelle ist dankbar über die Möglichkeit
Eine der Auszubildenden in Neckarsulm ist Ilene Stanelle, sie war bislang Dekorateurin in leitender Funktion. Die 42-Jährige hat aber auch durch das Heranwachsen ihrer zwei Kinder vermehrt über die Arbeit in der Erziehung nachgedacht. In diesem Bereich hat sie daraufhin erst einmal einige Erfahrung gesammelt, sich aber durchaus auch Sorgen gemacht, ohne Qualifikation in dem Bereich nicht mehr arbeiten zu dürfen. Deshalb hat sie sich für den "Direkteinstieg Kita" beworben und ist über diese Möglichkeit sehr dankbar, erzählt sie.
Den praktischen Teil ihrer Ausbildung macht sie in der Kita "Haus der Strombergzwerge" in Pfaffenhofen (Kreis Heilbronn). Dort ist Kita-Leiterin Bianca Sixt sehr froh über den Neuzugang. Sie würde Ilene auch gerne übernehmen, die Kinder würden sie lieben und sie arbeite einfach super, erzählt Sixt.
Ausbildung vergleichsweise gut vergütet
Im "Direkteinstieg Kita" bekommen die Auszubildenden von Anfang an etwa 2.600 Euro brutto im Monat. Möglich ist das durch eine Bezuschussung der Agentur für Arbeit im Rahmen der Beschäftigtenqualifzierung. Für die Auszubildende Ilene Stanelle eine wichtige Grundlage, um ihre zwei Kinder weiterhin zu versorgen und die Miete zu bezahlen. Auch das Kultusministerium argumentiert, mit diesem vergüteten und geförderten Ausbildungsmodell gelinge es, neue Zielgruppen zu gewinnen.
Ilene Stanelle kann sich auch gut vorstellen, dass nach der Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistentin noch nicht Schluss ist. Womöglich setzt sie noch die Erzieherin obendrauf. Dafür braucht sie eine Schulfremdenprüfung und ein halbjähriges Berufspraktikum.
Programm "Direkteinstieg Kita" soll ausgeweitet werden
Das Kultusministerium will das Programm "Direkteinstieg Kita" ausweiten. Für das kommende Schuljahr wollen weitere Schulträger und berufliche Schulen den Bildungsgang anbieten, heißt es auf SWR-Anfrage. In Neckarsulm sollen im nächsten Schuljahr zwei Klassen ausgebildet werden, sagt Schulleiter Ochs. Zahlreiche Bewerbungen dafür seien inzwischen eingegangen. Diese kommen hauptsächlich aus dem Raum Heilbronn, aber auch aus Ludwigsburg oder sogar aus dem Ausland. Auch Bewerbungen von einigen Männern seien für das kommende Jahr dabei.
Schulleiter sorgt sich um Standort Deutschland
Was dem Neckarsulmer Schulleiter Thomas Ochs aber Sorgen bereitet, sind die Entwicklungen der vergangenen Wochen. Der Standort Deutschland sei für Fachkräfte unattraktiver geworden. Viele der Auszubildenden mit Migrationshintergrund seien nach "unsäglichen Äußerungen über Remigration" verunsichert und würden sich überlegen, ob sie in Deutschland einen Beruf ausüben wollen. "Aufgrund der Stimmung, die durch Rechtspopulisten verbreitet wird, mache ich mir große Sorgen, nicht nur im Erzieherbereich, sondern auch in anderen Bereichen", sagte Ochs dem SWR.