Noch immer ist unklar, ob die Landwirte im nächsten Jahr das Pflanzen-Herbizid Glyphosat verwenden dürfen oder nicht. Ein Experten-Gremium der EU-Mitgliedsstaaten konnte sich zuletzt nicht darauf einigen, ob die Zulassung verlängert wird oder zum Jahresende auslaufen soll. Landwirte und Umweltschützer aus der Region Heilbronn-Franken zeigen sich verärgert.
"Riesen-Enttäuschung" für Bauernverband
Von einer Riesen-Enttäuschung spricht der Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems. Die Vertagung der Entscheidung bedeute erneut Unsicherheit für die Landwirte bei der Planung ihrer Fruchtfolgen, sagte Jürgen Maurer, Vorsitzender des Bauernverbands.
Neben der fehlenden Planungssicherheit stört sich Maurer auch an drohenden Wettbewerbsnachteilen. Werde Glyphosat nicht erneut zugelassen, seien Landwirte aus Nicht-EU-Staaten im Vorteil gegenüber heimischen Landwirten. Der Grund: Landwirte, die das Herbizid nicht einsetzen, hätten einen höheren Aufwand und damit auch höhere Kosten. Die Produktion der importierten Lebensmittel sei deshalb aber nicht frei von Glyphosat, so Maurer.
Mehr Erosion befürchtet
Sollte Glyphosat nicht über den Jahreswechsel hinaus zugelassen werden, befürchtet Maurer negative Auswirkungen auf den Erosionsschutz. Glyphosat werde vor allem eingesetzt, um den Acker vor der Aussaat von Unkraut und abgeernteten Zwischenfrüchten zu befreien. Der Bewuchs verhindert auch, dass Wind und Wetter den Boden abtragen.
Ohne Glyphosat müssten die Landwirte wieder mehr pflügen. Damit steige - wie etwa bei hügeliger Landschaft im Kraichgau - die Gefahr, dass wertvolle Böden von Wind und Regen abgetragen werden.
Umweltschützer ebenfalls enttäuscht
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Heilbronn-Franken zeigt sich enttäuscht über die Vertagung der Entscheidung. Zumal die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgelegt hatte, dass Glyphosat vom Markt genommen werden soll. Da in der Ampel-Koalition aber die Meinungen über eine Verlängerung der Zulassung auseinandergehen, hat sich die Bundesregierung in dem EU-Expertengremium enthalten.
BUND fordert Glyphosat-Verbot
Gottfried May-Stürmer vom BUND Heilbronn-Franken fordert ein Verbot des Herbizids, da es sich "katastrophal auf die Artenvielfalt" auswirke. Zudem ist Glyphosatstudien der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge "wahrscheinlich krebserregend". Und das Mittel baut sich, so der BUND, in der Natur längst nicht so schnell ab, wie von der Industrie behauptet. Daher fänden sich auch in der Region Heilbronn-Franken in Grundwasser-, Boden- aber auch in menschlichen Urinproben immer wieder Glyphosat-Rückstände, so May-Stürmer weiter.
Eine Untersuchung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit hatte dagegen zuletzt keine inakzeptablen Gefahren gesehen, aber auch auf Datenlücken verwiesen.
"Glyphosat-Verzicht möglich"
Es sei möglich, auf Glyphosat zu verzichten, ist Gottfried May-Stürmer vom BUND Heilbronn-Franken überzeugt. Das zeige sich schon daran, dass längst nicht alle Landwirte das Herbizid einsetzten. Um die Erosion von Böden zu vermeiden, sei sogar eine pflugfreie Bewirtschaftung möglich - auch wenn diese mit erhöhtem Aufwand verbunden sei.
Entscheidung spätestens im Dezember
Die EU muss bis spätestens Mitte Dezember entscheiden, ob Glyphosat erneut für die nächsten zehn Jahre zugelassen wird. Sonst läuft am 15. Dezember die Zulassung aus. Zunächst geht die Entscheidung Mitte November in einen Berufungsausschuss. Sollte auch dieser zu keiner qualifizierten Entscheidung kommen, kann die EU-Kommission über die von ihr vorgeschlagene erneute Glyphosat-Zulassung selbst entscheiden.