Vor dem Landgericht Heilbronn wird seit Donnerstag ein besonders dreister Fall von Telefonbetrug verhandelt. Die Masche ist immer die Gleiche: Die mutmaßlichen Täter rufen oft ältere Menschen an, gaukeln wie in diesem Fall vor, Polizeibeamte zu sein und warnen vor einem bevorstehenden Einbruch. Wertgegenstände und Bargeld sollten deshalb besser schnell bei der Polizei abgegeben und dort gelagert werden.
Heilbronnerin übergibt Goldbarren - 800.000 Euro weg
So ist es den Angeklagten laut Staatsanwaltschaft auch gelungen, eine Heilbronnerin um insgesamt 800.000 Euro zu betrügen. Bei der Anklageverlesung gab es dazu weitere Details.
Ende April 2023 hatte am Vormittag ein Mitglied der mutmaßlichen Bande bei der 77-Jährigen angerufen und sich als Polizeibeamter ausgegeben. Dem Täter gelang es, dass die Seniorin die Geschichte vom bevorstehenden Einbruch glaubte.
Codewort für Übergabe vereinbart
Die 77-Jährige packte daraufhin allerhand Wertvolles in eine braune Kunstledertasche und in eine gewöhnlichen Tüte mit der Aufschrift "Thermomix". Konkret verstaute sie in den Taschen 300 Goldmünzen, zehn Goldbarren, Schmuck und sogar auch noch 1.000 Schweizer Franken.
Am frühen Nachmittag soll laut Staatsanwaltschaft einer der jetzt Angeklagten bei der Frau erschienen sein und die Wertgegenstände abgeholt haben. Zuvor hatten die Täter für die Übergabe sogar noch ein Codewort mit der 77-Jährigen vereinbart. Es lautete "Rose". Die Seniorin übergab die Taschen und war damit um etwa 800.000 Euro erleichtert.
Seniorin in Sachsenheim übergibt auch Schmuck der Tochter
Auch in Sachsenheim (Kreis Ludwigsburg) machte die Bande ordentlich Beute. Dort knöpften sie einer 81-Jährigen Bargeld, Goldschmuck und Münzen im Wert von insgesamt rund 120.000 Euro ab. Die Seniorin gab sogar das gesparte Geld der Enkelin sowie wertvollen Schmuck der Tochter heraus, der in der Wohnung aufbewahrt war.
In Heidelberg hingegen lief es nicht so glatt für die mutmaßlichen Täter. Ein dort angerufener Mann hatte starke Zweifel an der Geschichte, lies sich aber zum Schein auf eine Übergabe ein. Als es zur Geldübergabe kommen sollte, forderte der Heidelberger den Dienstausweis des falschen Polizisten. Daraufhin flüchtete einer der jetzt Angeklagten.
Weißer Ring: Täter wissen genau, wie sie an ihr Ziel kommen
Beim Weißen Ring Heilbronn, einem gemeinnützigen Verein, der Kriminalitätsopfer betreut, ist man nicht überrascht, dass diese Betrugsmasche immer wieder erfolgreich funktioniert und viel Beute gemacht wird. Leiter Dieter Ackermann glaubt, solche Fälle werde es immer wieder geben. Die Täter seien hoch professionell, auch im Sprechen gut ausgebildet und wüssten genau, an welchen Schräubchen sie drehen müssten, um das zu bekommen, was sie wollen - Geld.
Und gerade weil sich die Täter als Polizisten ausgäben, würden die späteren Opfer entweder Schaden abwenden oder oft auch einfach helfen und das Richtige tun wollen, erklärt Ackermann. Genau auf dieses Pflichtbewusstsein setzten die Täter.
Professionelle Organisation
Bereits beim Prozessauftakt wurde auch in Heilbronn deutlich, wie professionell und arbeitsteilig derartige Banden offenbar vorgehen. So gibt es sogenannte "Keiler", die als Kopf der Bande Opfer aufspüren und auch die Telefonate führen. Außerdem sogenannte "Läufer", die bei Opfern die Beute persönlich abholen. "Logistiker" hingegen kümmern sich um SIM-Karten für Handys, die unter falschen Personalien registriert werden.
Die beiden jetzt in Heilbronn angeklagten Männer lebten bis zur Festnahme in Delmenhorst in Niedersachsen und Köln. Sie gehören wohl zur unteren Hierarchie der Bande. Zum Prozessauftakt wurde nur die Anklage verlesen. Zeugen, also auch Geschädigte, werden voraussichtlich erst bei der nächsten Verhandlung am 25. April zu Wort kommen. Was mit der Beute passiert ist, auch dazu gab es bislang noch keine Informationen.
Drei Tatverdächtige in Untersuchungshaft Ehepaar in Heilbronn reagiert blitzschnell: Festnahme nach "Schockanruf"
Weil ein Ehepaar schnell und korrekt reagiert hatte, konnte die Polizei einen Betrug verhindern und drei Personen festnehmen. Es handelte sich um einen sogenannten Schockanruf.
Folgen bei den Opfern bis hin zum Trauma
Glückt den Anrufenden der Betrug, hat das aber meist noch weitreichendere Folgen als nur den Verlust des Geldes, erklärt Dieter Ackermann vom Weißen Ring Heilbronn. "Den Betrugsopfern geht es psychisch schlecht", sagt er im SWR-Interview. Nicht nur die eigene Scham, das Hinterfragen, wieso man auf die Masche hereingefallen ist, befeuern das. Leider komme es auch immer wieder vor - gerade bei älteren Opfern - dass diese auch noch Vorwürfe aus der eigenen Familie ertragen müssen, bedauert Ackermann.
Das kann Ackermann zufolge bis hin zum Trauma führen, dass die Betroffenen nicht mehr schlafen können, manchmal wochen- oder monatelang. In solchen Fällen steht der Weiße Ring den Opfern besonders zur Seite und zieht, wenn nötig, auch Psychologen oder andere Fachleute hinzu. Aus diesen Gründen äußerten sich Betroffene nur äußerst selten öffentlich zu dem Thema.