Der baden-württembergische Landtag hat am Donnerstag die geplante Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium kontrovers diskutiert. Die Opposition forderte eine zügige Umsetzung und warf der Landesregierung vor, das Vorhaben zu verzögern. Die Staatssekretärin im Kultusministerium, Sandra Boser (Grüne), sagte dagegen, es gebe zur Rückkehr zu G9 noch viele Fragen zu klären.
Landesregierung will zunächst offene Fragen klären
"Wir müssen die Frage der Bildungspläne klären", sagte Boser. Bisher gebe es keinen Bildungsplan für G9, die bisherigen Modellgymnasien unterrichteten nach bestimmten Formen des G8-Bildungsplanes. Zudem gebe es Forderungen nach zusätzlichen Unterrichtsfächern, etwa mehr Informatik oder einer Stärkung der Gesellschaftswissenschaften. "Dazu konträr steht die zentrale Forderung, den Kindern mehr Zeit zu geben", sagte Boser.
Es müsse auch geklärt werden, ob man zusätzlich benötigte Lehrkräfte überhaupt bekommen könne. "Wir wollen eben nicht in G9 einsteigen und in vier bis fünf Jahren feststellen müssen, dass die Lehrkräfte nicht da sind", sagte Boser.
FDP-Fraktion fordert "Schluss mit dem Zeitspiel"
Die Opposition sieht darin eine Verzögerungstaktik der grün-schwarzen Landesregierung. "Es ist immer die Rede vom Vorrang für frühkindliche Bildung. Das wird erkennbar gegen das G9 ausgespielt", kritisierte der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Hans-Ulrich Rülke. Ein Gesetz zur Rückkehr zu G9 könne man sofort beschließen. "Schluss mit dem Zeitspiel", sagte Rülke. Nach 20 Jahren sei das Projekt G8 gescheitert.
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch kritisierte, die Regierung signalisiere die Bereitschaft zu G9 zurückzukehren, handle aber nicht. "Es geht nicht um das Wollen, sondern um das Machen. Diese Zeit haben wir bei der Bildung nicht", sagte Stoch. Man dürfe vor dem eindeutigen Willen der Bevölkerung nicht nur scheinbar einlenken. Die AfD sprach von einer "Verzögerungshaltung". G9 passe der Regierung "ideologisch nicht in den Kram", so der bildungspolitische Sprecher Rainer Balzer.
Kultusministerium soll bis Januar Vorschlag vorlegen Ein "neues G9" an den Schulen in BW: Wie es jetzt weitergeht
Die Landesregierung will ein modernes neunjähriges Gymnasium konzipieren. Eine Einführung schon im kommenden Schuljahr hält der Ministerpräsident aber für schwer vorstellbar.
Elterninitiative G9 zeigt sich enttäuscht von der Debatte
Seit 20 Jahren ist das achtjährige Gymnasium in Baden-Württemberg Standard. Ein von der Landesregierung eingerichtetes Bürgerforum hatte vorige Woche empfohlen, zu G9 zurückzukehren. Die Landesregierung hatte daraufhin ein Modell für ein modernisiertes G9 angekündigt, den Zeitplan dafür aber offengelassen. Wie der aussieht, das interessiert auch die beiden Initiatorinnen der Elterninitiative G9 jetzt! BW.
Die Initiative hatte mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt und erreichte damit, dass sich der Landtag voraussichtlich im kommenden Jahr mit ihrem Gesetzentwurf befassen muss. Darin fordern sie G9 wieder flächendeckend in Baden-Württemberg einzuführen.
Die beiden Initiatorinnen verfolgten die Debatte von der Besuchertribüne aus. Anschließend äußerten sie sich enttäuscht. Anja Pesch-Grubner von G9 jetzt! BW sagte dem SWR, man müsse nun warten, was der Januar bringe. Sie hoffe, dass die Rückkehr schnell komme. Bis Januar soll das Kultusministerium erste Vorschläge zum Verfahren vorlegen.
SPD will G9 spätestens bis 2025
Die FDP hatte die Debatte im Landtag beantragt, um ihre Forderung nach einer zeitnahen Umsetzung zu unterstreichen. Fraktionschef Rülke sagte dem SWR, die Reform dürfe nicht auf die lange Bank geschoben werden. SPD-Fraktionschef Stoch forderte, spätestens 2025 müsse es wieder G9 an baden-württembergischen Gymnasien geben.
Zum Zeitplan machte auch Kultus-Staatssekretärin Boser in der Landtagsdebatte keine Angaben. Gründlichkeit gehe beim neuen G9-Konzept vor Schnelligkeit, so Boser.