Die grün-schwarze Landesregierung will die flächendeckende Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9) in Baden-Württemberg schrittweise, Klassenstufe für Klassenstufe, umsetzen und keine Wechseloption für ältere Schülerinnen und Schüler anbieten.
"Für uns steht fest, dass wir ein neunjähriges Gymnasium aufwachsend als Regelform einführen werden", sagte Volker Schebesta, CDU-Staatssekretär im Kultusministerium, am Donnerstag bei einer Anhörung des Bildungsausschusses im Landtag in Stuttgart. Aufwachsend heißt, dass wir mit den unteren Klassenstufen beginnen", sagte Schebesta. Eine Wechseloption für Klassen der Mittelstufe sei nicht vorgesehen.
Rückkehr zu G9 frühestens zum Schuljahr 2025/2026
Umgesetzt werden soll die Rückkehr zu G9 Schebesta zufolge so früh wie möglich. "So früh wie möglich heißt für uns, auch wegen der schulgesetzlich notwendigen Änderungen, nicht im Schuljahr 2024/2025, sondern frühestens zum Schuljahr 2025/2026", so der Staatssekretär. Konkrete Details zum inhaltlichen Konzept für G9 nannte er nicht.
Im Vorfeld der Anhörung im Landtag hatte der Philologenverband dem Kultusministerium ein Verschleppen der Planungen vorgeworfen. Eine sofortige Umstellung auf G9 mit gestreckten G8-Bildungsplänen im Sinne eines Corona-Aufholjahres wäre bereits im nächsten Schuljahr möglich. Dies bestätigen nach Angaben des Verbandes zahlreiche Schulleitungen an Gymnasien.
Elterninitiative: Laufende Klassen mitnehmen
Bei der Anhörung im Bildungsausschuss des Landtags ging es vor allem um den Volksantrag einer Elterninitiative zur flächendeckenden Rückkehr zu G9 in Baden-Württemberg. Die Initiative hatte für den Volksantrag mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt und an den Landtag übergeben, zusammen mit einem Gesetzentwurf.
Initiatorin Corinna Fellner betonte bei der Anhörung, eine der Kernforderung des Volksantrags sei die Mitnahme laufender Klassen. "Denn man darf jene Kinder, die noch Corona im Gepäck haben, nicht einfach vergessen", sagte Fellner. Die Mehrheit der Unterzeichner ihres Volksantrags setze sich für Kinder ein, die derzeit ein Gymnasium besuchten.
Kommunen fürchten Kosten bei der Rückkehr zu G9
Vertreter der Kommunen forderten eine finanziell umsetzbare Lösung. "Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben und jede Lehrkraft nur einmal eingesetzt werden", sagte der Präsident des Gemeindetags, Steffen Jäger. Man räume der Bildung gerne eine hohe Priorität ein, zweifle aber daran, ob die Rückkehr zu G9 derzeit die drängendste Frage in der Bildungspolitik sei. Für diese Rückkehr müssten viele Gymnasien ausgebaut oder sogar neu gebaut werden, sagte Norbert Brugger, Bildungsdezernent des Städtetags. Dafür erwarte man eine Finanzierungszusage des Landes.
Die Wiedereinführung von G9 im Land war auch von einem Bürgerforum empfohlen worden, das die Landesregierung eingerichtet hatte. Das Kultusministerium erarbeitet nun ein Konzept für ein neues Modell des neunjährigen Gymnasiums.
GEW fordert Reform des gesamten Bildungssystems
Dem Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) geht die Diskussion nicht weit genug. Die GEW mahnt eine ganzheitliche Debatte zur Reform des Bildungssystems an, nicht nur eine Umstellung des Gymnasiums. Hierzu schlägt die Gewerkschaft ein Konzept für ein "G-NEU" vor.
Zudem fordert die GEW eine Aufhebung der Schuldenbremse, da das gesamte Bildungswesen strukturell unterfinanziert sei. "Nur wenn der 'Kuchen Bildungsetat' größer wird, kann der Bildungshunger aller Schülerinnen und Schüler gestillt werden", sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein. Sie rief die Landesregierung zu schnellen Entscheidungen auf, "wie sie die notwendigen Reformen noch in dieser Wahlperiode starten wird".
Der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg (BLV) betonte, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen müsse. "Die Auswirkungen auf alle anderen Schularten werden erheblich sein und müssen daher genau in den Blick genommen werden", sagte der Vorsitzende des BLV, Thomas Speck. Da die Ressourcen an Lehrkräften endlich seien, drohe eine Verschiebung weg von der beruflichen Bildung. "Ich werde keinen Änderungen zustimmen, die auf dem Rücken der beruflichen Schulen, ihrer Schülerinnen und Schüler sowie ihrer Auszubildenden erfolgen", betonte Speck weiter.