Diese Woche geht es los: Die Heim-EM beginnt und die letzten Vorbereitungen auf das große Spektakel sind in vollem Gange. Austragungsort in Baden-Württemberg ist Stuttgart als eine der zehn Spielstätten. Rheinland-Pfalz hat die EM-Stadien in Frankfurt und Köln "um die Ecke". Was kostet dieses Turnier - und welchen
wirtschaftlichen Nutzen hat es für Austragungsorte wie Stuttgart oder bestimmte Branchen? Wer verdient wirklich an der UEFA EURO 2024? Dazu geben Analysen von früheren Sportgroßereignissen Hinweise.
Ein Interview mit dem Konjunkturforscher Michael Grömling zu den finanziellen Auswirkungen der EM war im SWR-Magazin "Geld Markt Meinung", das sich damit beschäftigt hat, wer von dem Fußballfest profitiert.
Stuttgart wagt keine Einnahme-Prognose
Allein an den fünf Spieltagen in Stuttgart erwartet die Stadt jeweils bis zu 250.000 Besucherinnen und Besucher. Das Ziel: Diese Gäste sollen auch einiges in die Kassen spülen. Wie viel, das wagt die Stadt nicht zu prognostizieren und verweist auf den Imagegewinn und die Tourismuswerbung. Dafür hat sich die Stadt allerdings schon verausgabt. Das sind die Gesamtkosten und die Top 5 Ausgaben der EM 2024 für Stuttgart.
100 Millionen Euro Kosten - das soll damit bezahlt werden
Allein für die Modernisierung des Stadions hat die Stadt Stuttgart laut eigenen Angaben fast 60 Millionen Euro ausgegeben - insgesamt kostete der Umbau 139,5 Millionen Euro.
Zwei Beispiele aus dem SWR Sendegebiet: Unser Reporter Wolfgang Brauer hat sich in seiner Reportage über die EM-Investitionen für die SWR Sendung Geld Markt Meinung in Stuttgart und Bad Kreuznach dazu umgehört - was investiert wird.
In Stuttgart kommen zu den Stadion-Kosten dazu die vor zwei Jahren abgesegneten EM-Kosten von insgesamt 38,4 Millionen Euro. An der Spitze bei diesen Kosten steht das Projektmanagement mit rund 8,5 Millionen Euro. Darunter fallen zum Beispiel Ausgaben für den organisatorischen Personalaufwand für Planung und Umsetzung, sowie die Erstellung des Gesamtkonzeptes.
Der zweitgrößte Posten sind die fünf Fanzonen. Für sie sind 5,4 Millionen Euro veranschlagt, die zum Beispiel für Zelte, Bühnen und Bierbänke, aber auch für den Betrieb des Fußballcourts auf dem Schlossplatz oder kulturelle Angebote wie Musik, Tanz und Liveevents ausgegeben werden. Hinzu kommen nochmal fast 3,8 Millionen Euro für das Besuchererlebnis drumherum, die die Stadt beispielsweise für Informations- und Aktionsangebote an Bahnhof, Flughafen, Stadion und Innenstadt ausgibt.
Für Sicherheit durch Polizei und Co. sind 3,2 Millionen Euro im Budget vorgesehen. Damit die Fans gut hin und her kommen, also für die Mobilität - dazu gehören beispielsweise Sonderzüge oder Busse - sind nochmal drei Millionen Euro eingeplant.
Inklusive aller Ausgaben, also Stadion, Fanzonen, Sicherheit und Co., kommt die Stadt so auf Kosten von rund 100 Millionen Euro. Das könnte sich allerdings noch ändern. Die meisten Austragungsorte haben bereits nicht kalkulierte Mehrausgaben in Millionenhöhe angemeldet.
Der Blick zurück zeigt: Gewinn ist nur selten drin
Es gibt verschiedene Untersuchungen und Aufstellungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen von früheren Sportgroßereignissen wir Fußball-Turnieren oder Olympischen Spielen. Beispielsweise vom Institut der Deutschen Wirtschaft, dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, dem IFO-Institut oder dem statistischen Landesamt Baden-Württemberg.
Verdrängungseffekte: Andere Gäste im Lokal
Die Ergebnisse sind ähnlich: Die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen - also als Anschub für die Konjunktur sind gering. Ob nun mit Blick auf die Konjunktur allgemein oder auch auf Branchen wie Gastgewerbe oder Einzelhandel. Das IW Köln weist zum Beispiel auch auf Verdrängungseffekte hin - wenn Fußballfans statt anderer Gäste kommen.
SWR2 Geld, Markt, Meinung Wirtschaftsmacht Fußball: Wer profitiert von der EM?
Der europäische Fußball-Verband, die gemeinnützige UEFA, rechnet mit einem Umsatzrekord von 2, 4 Milliarden Euro und einem stolzen Gewinn von 1,75 Milliarden Euro.
Imagegewinn und Infrastruktur
Die Ereignisse können im Gegenteil für die Ausrichter sogar sehr teuer werden. Möglich sind längerfristige Auswirkungen, wenn die Anlagen weiter gut genutzt werden und nicht, oder nur schwer messbare Auswirkungen: ein Imagegewinn beispielsweise für den Tourismus. Die Olympischen Spiele in London 2012 gelten als Positiv-Beispiel - auch wenn im Olympia-Jahr selbst zunächst kein Gewinn unterm Strich stand: Die Infrastruktur konnte weiter genutzt werden und sparte später Kosten. Anders die Olympischen Spiele 2004 in Griechenland: Die Sportstätten lagen dann brach, das Land hat sich mit elf Milliarden Euro gefährlich verausgabt.
WM 2006 in Deutschland: Wirtschaftliche Effekte gering
Wunsch und Wirklichkeit lagen auch bei der Heim-WM 2006 offensichtlich ein gutes Stück weit auseinander. Das beschreibt zum Beispiel das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in seiner Untersuchung zum wirtschaftlichen Nutzen der WM im Jahr 2006: Vorher erwartete positive wirtschaftliche Auswirkungen waren offenbar zu optimistisch.
Anteile am Wirtschaftsvolumen minimal
Einen Schub für die Konjunktur sehen die DIW-Forscher nicht: Die Investitionen seien über mehrere Jahre verteilt gewesen und in der Summe nicht so hoch, dass von ihnen ein konjunktureller Impuls hätte ausgehen können. Selbst eine sehr hohe Schätzung von sechs Milliarden Euro als Investitionssumme entspreche nur 0,4 Prozent der gesamten Investitionssumme in den Jahren von 2002 bis 2005 - die WM Investitionen machten lediglich 0,7 Promille des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Rechne man mit einer niedrigeren WM-bezogenen Investitionssumme von 1,5 Milliarden Euro, seien die Anteilswerte kaum noch erkennbar: 0,2 Promille der gesamten Wirtschaftsleistung.
Rückblicke zeigen auch: Zur WM 2006 sind weniger Gäste gekommen, als der Weltfußballverband FIFA angenommen hatte. Sie haben auch weniger in Deutschland ausgegeben als erhofft, nämlich rund eine halbe Milliarde Euro. Das DIW hat Zahlen für den Einzelhandel ausgewertet. Ergebnis: In den WM-Monaten wurde nicht mehr gekauft als sonst, obwohl an manchen Spielorten die Läden länger offen hatten.
Als Fazit kann man sagen, dass die WM 2006 allenfalls überschaubare positive wirtschaftliche Effekte hatte.
Erwartungen an die EM 2024 - kleines Plus möglich
Die jetzt anstehende Fußball-Europameisterschaft löst jedenfalls keine überschwänglichen Erwartungen aus. Laut einer Umfrage des deutschen Hotel- und Gaststättenverbands rechnen nur knapp 16 Prozent aller Restaurants und Kneipen und Biergärten mit positiven Impulsen durch die EM. Direkt an den Spielorten sind die Betriebe etwas optimistischer, da glauben 40 Prozent an bessere Umsätze.
Da sich die Kosten für die Infrastruktur in Deutschland - dank bereits gutem Zustand - im Rahmen halten dürften, kann man davon ausgehen, dass am Ende womöglich ein kleines Plus steht, für die Städte, Gastronomen, und möglicherweise die deutsche Wirtschaft. 2006 haben zum Beispiel Bierbrauer profitiert, und es wurden mehr Fernsehgeräte verkauft.
Kostenplanung mit Unwägbarkeiten
Aber auch bei den Kosten gibt es Ausreißer und Unwägbarkeiten. Für Umbauten in den Stadien zum Beispiel. Ganz besonders teuer wurde es in Stuttgart, da gab es Probleme beim Umbau im Tribünenfundament, eine enorme Zeitverzögerung und eine Kostenexplosion. Auf die Stadt kamen dieses Jahr noch einmal Kosten von 20 Millionen Euro zu. Seit 2019 haben sich die Kosten verdoppelt.
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Die 139,5 Millionen Euro teure Modernisierung der Haupttribüne der Stuttgarter Arena wird gerade noch rechtzeitig vor der EM 2024 fertig.
Größter Gewinner: Die UEFA als Veranstalter
Die UEFA, die Union Of European Football Associations, also der europäische Fußballverband, hat hohe Erwartungen, sie hat einen Rekordumsatz von 2,4 Milliarden Euro oder mehr in Aussicht gestellt. Möglicher Gewinn: 1,75 Milliarden Euro. Das setzt sich unter anderem zusammen aus den Preisen für die Tickets, Fernsehrechten für die Übertragung von Spielen, oder das Sponsoring oder auch Lizenzgebühren, die zum Beispiel auch Public Viewing Veranstalter zahlen müssen.
Wie viel Geld für die Ausrichter, unser Land, die Städte und damit die Allgemeinheit, also uns alle, bleibt, ist schwer zu sagen. Die UEFA beispielsweise erklärt, dass sie geschätzt 65 Millionen Euro an Steuern bezahlen wird für die EM. Das würde, umgerechnet auf den gesamten Gewinn, einem Steuersatz von nur 3,8 Prozent entsprechen.
ARD-Korrespondentin Kathrin Hondl berichtet über die UEFA, die in der Kleinstadt Nyon am Genfer See ihren Sitz hat, aus der Schweiz.
Was passiert mit den Gewinnen der UEFA? Als gemeinnütziger Verein muss die UEFA das Geld für ihr Vereinsziel ausgeben, also für den Fußball. Ein Teil wird direkt für die EM ausgeschüttet. Der Deutsche Fußballbund (DFB) bekommt zum Beispiel eine Antrittsprämie von etwas mehr als neun Millionen Euro, jeder Sieg in der Gruppenphase bringt eine Million Euro. Der Europameistertitel insgesamt könnte so für den DFB 28,5 Millionen bringen.
Dann steckt die UEFA Geld in ein Programm, das europäischen Landesverbänden zugute kommt. Und Geld wird direkt an Clubs verteilt, es gibt Prämien für Vereine die international spielen.
UEFA-Präsident Aleksander Čeferin verdiente 2022/23 laut UEFA Financial Report 2,875 Millionen Schweizer Franken brutto.
Was ein Fußballturnier trotz wenig Gewinn attraktiv macht
Es geht einmal ums Image. Stuttgart war zum Beispiel auch WM-Austragungsort 2006. Und der Chef von Stuttgart Marketing hat nach dem Turnier in Interviews berichtet, wie international bekannt die Stadt geworden sei. Die Stadt habe zum Beispiel in einer Broschüre zu Topreisezielen der Welt neben Paris und Venedig gestanden. Frankfurt hat im vergangenen Jahr zwei Spiele der NFL ausgetragen, der National Football League aus den USA, der umsatzstärksten Sportliga der Welt. Das hat Frankfurt Geld gekostet, aber auch viel Werbung gebracht. Denn auf der ganzen Welt im Fernsehen waren Bilder zu sehen von der Frankfurter Skyline, den berühmten Hochhäusern im Bankenviertel.
Solche Effekte sind kaum in Zahlen zu übersetzen: Also wie viele Menschen kommen in Zukunft nach Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf oder Hamburg und geben dort Geld ausgeben, weil die Städte durch die EM bekannter geworden sind.
Wichtig ist auch noch der allgemeine psychologische Effekt, davon sprechen auch Wirtschaftsforscher, die kein Konjunkturfeuerwerk sehen: Ein solches Turnier kann trotzdem die Stimmung im Land heben. Die Menschen in Deutschland sind vielleicht etwas glücklicher, zufriedener und produktiver, wenn es wieder so ein Sommermärchen gibt wie 2006, also wenn Deutschland gut spielt!
Sponsoring nicht attraktiv für deutsche Konzerne?
Beim Sponsoring ist eine interessante Entwicklung zu beobachten. Ein Blick auf die in Deutschland so wichtige Autobranche zeigt: Volkswagen hat unabhängig von der EM sein Engagement als Sponsor beim DFB gerade verlängert bis 2028.
EM-Tross in BYD-Autos unterwegs
Aber konkret für diese EM ist der Topsponsor und Mobilitätspartner das Unternehmen BYD, ein großer chinesischer Technologie-Konzern. BYD ist der weltweit größte Hersteller von Akkus, vor allem für Handys. Aber BYD baut auch E-Autos und ist inzwischen aufgestiegen zu einem der größten Autobauer weltweit. BYD hat in Deutschland bisher erst einige tausend Autos verkauft und setzt jetzt auf Werbung. Das heißt, der gesamte offizielle EM-Tross wird in BYD-Autos unterwegs sein, zum Training gebracht werden, die Werbeflächen werden voll mit BYD Modellen sein.
Fußball in Asien beliebt
Aus Sicht von BYD macht das Engagement Sinn, Fußball ist in Asien beliebt. Der europäische Markt ist ein wichtiges Ziel, und dafür ist dieses Turnier eine gute Werbung. Aber hat sich tatsächlich kein deutscher Autobauer beworben? Oder hat der chinesische Konzern einfach mehr geboten?
Deutsche Unternehmen mit wenig Interesse
Laut UEFA hat es keinen großen Bieterkampf oder besonders hohe Preise gegeben. Offenbar hatten deutsche Unternehmen kein Interesse. Es soll nicht mal konkrete Preisverhandlungen mit deutschen Herstellern gegeben haben, sagt die Marketingagentur der UEFA.
Womöglich steckt dahinter die Überlegung, dass sich die Ausgaben für deutsche Autobauer also nicht lohnen.
Kein Feuerwerk für die Wirtschaft
Grundsätzlich kann man sagen: Große Sportereignisse werden im Vorfeld oft überbewertet, was ihre wirtschaftlichen Auswirkungen angeht. Das war jedenfalls in der Vergangenheit häufig so. Es gibt durchaus auch positive Beispiele. Ein Konjunkturfeuerwerk, ein Boom, eine spürbare Belebung der Wirtschaft, das alles gibt es in der Regel aber nicht. Das galt auch für die WM 2006 in Deutschland und die meisten Hinweise und Prognosen sprechen dafür, dass es auch bei der EM 2024 so sein wird.
Trotzdem kann eine solche Veranstaltung eine gute Werbung sein für die Austragungsstädte wie Stuttgart und für Deutschland. Und, wenn es gut läuft, die Stimmung im Land heben.
Der Frage nach Kosten und Nutzen der Fußball-Europameisterschaft geht dieser Woche der ARD Podcast "Plusminus. Mehr als nur Wirtschaft" nach". Anna Planken und David Ahlf reden über Fußball und haben knallharte Zahlen und Fakten und natürlich auch ein paar Funfacts. Ab Mittwoch, 12. Juni 2024, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.